Vor 5 Jahren übernahm Mayer die Leitung des Jugendzentrums und versprach dabei, den Schuldenberg von 120.000 Euro abzubauen. Dieses Ziel hat er trotz riesigem Einsatz nicht erreicht. Was ihn mehr ärgert: Es wurde zwar viel Geld hereingebracht, aber es kam nicht den Jugendlichen zugute. <BR /><BR /><BR /><b>Herr Mayer, mit welchem Gefühl gehen Sie weg?</b><BR />Besay Mayer: Der Abschied fällt mir schwer, weil ich mein ganzes Wissen, das ich mir in den letzten 20 Jahren erarbeitet habe, investiert und ein breites Netzwerk aufgebaut habe. 2017, als ich als Leiter das Jugendzentrum übernommen habe, war der Zustand desaströs. Ich hatte der Politik versprochen, dass ich die 120.000 Euro Schulden abbaue und die Struktur saniere.<BR /><BR /><b>Und jetzt?</b><BR />Mayer: Mit 20.000 ehrenamtlichen Stunden und viel Unterstützung des Landes haben wir es geschafft, die Struktur zu sanieren, aber leider nicht die Schulden auf Null zu bringen, das war mein oberstes Ziel. Jetzt haben wir noch rund 40.000 Euro Schulden.<BR /><BR /><b>Woher der Schuldenberg?</b><BR />Mayer: Das waren Fehlentscheidungen von 2004 und 2009. Es wurde jemand angestellt, ohne dass die Finanzierung da war. Da kommen dann schnell 40.000 Euro Schulden zusammen. Und in den Jahren danach, waren die Kosten zu hoch, die Beiträge zu gering, und der Schuldenberg wuchs stetig. In diesen Jahren hatte das Jungle mehr Mitarbeiter als ich je hatte.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56162738_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie haben Sie versucht den Schuldenberg abzutragen?</b><BR />Mayer: Wir haben Weihnachtsmärkte, Flohmärkte organisiert. Sind mit Jugendlichen der Bozner Babygang, die uns anvertraut wurden, auf Märkte, haben mit ihnen Initiativen auf die Beine gestellt, haben 5 Promille-Kartln verteilt. Aber jeden Euro, der hereingekommen ist, beispielsweise an unserer Bar, haben wir direkt auf die Bank getragen. Man darf ja keinen Cent von Beiträgen für die Schuldentilgung abzwacken. Das Bittere: Wir haben uns Nächte um die Ohren geschlagen, und alle Mühe ging in die Schuldentilgung für Fehlentscheidungen von vor 15 Jahren. So konnte ich das Geld nie in die gegenwärtige Jugendarbeit reinvestieren. Konnte als Danke oder Motivation nichts organisieren, was der Jugend zugutekommen wäre.<BR /><BR /><b>Die Schulden haben Ihnen Fesseln angelegt?</b><BR />Mayer: Ja, unsere Tätigkeit war darauf limitiert, was per Beitrag finanziert war. Ohne Schulden hätte ich 80.000 Euro für die Arbeit mit Jugendlichen gehabt. <BR /><BR /><b>Hat Sie das genervt?</b><BR />Mayer: Es war ein Frust, die Leute für ein Projekt zu begeistern, um Schulden abzutragen. Das Schlimmste für mich war, dass wir einerseits die ganze Zeit sehr gut gearbeitet haben, es aber schwerfällt, das Haus instandzuhalten, weil die Struktur zu groß ist und die Fixspesen wegen der Abnutzung zu hoch sind.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="814757_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wo liegt das Problem?</b><BR />Mayer: Künftig wird ein Team aus 3 Frauen den Laden schmeißen. Wir wissen bis heute nicht, abgesehen von der ersten Beitragstranche von 35.000 Euro der Gemeinde, ob und wann die zweite Tranche kommt. Genau das hat in der Vergangenheit zu Schulden geführt. Zuerst politische Versprechungen wie „Du kriegst das Geld schon“, aber bis heute wissen wir nicht, ob wir das Geld kriegen oder nicht. Der Verein hat das Recht, am Anfang des Jahres zu wissen, wie viel er kriegt. Da versteht mich jeder, der etwas mit Wirtschaft zu tun hat. Das wäre Aufgabe der Stadtgemeinde, für Finanz- und Planungssicherheit zu sorgen und die ordentlichen Instandhaltungskosten der eigenen Struktur zu finanzieren.<BR /><BR /><b>Wieso? Wer zahlt die?</b><BR />Mayer: Ausbesserungsarbeiten wie Malerarbeiten, Tischler- und Montagearbeiten habe ich gemacht. Meine größte Sorge ist, wer übernimmt die kleinen Sanierungen, die ich selbst gemacht habe. Wenn eine Vorhangstange herunterkracht, haben „meine“ 3 Frauen nicht das Know-how, es wieder herzurichten. Wenn ich einen Handwerker hole, bin ich gleich ein paar Hundert Euro los. Anderes Beispiel: Bei starkem Regen rinnt Wasser in den Keller. Dort haben wir ein Tonstudio, übers Jungle Incubator-Projekt vom Land finanziert. Die Gemeinde müsste schauen, wo das Wasser herkommt, es ist ja ihr Gebäude. Und wir als Verein bekommen kein Geld für die ordentliche Instandhaltung.<BR /><BR /><b>Ist das im Vertrag mit der Gemeinde nicht vorgesehen?</b><BR />Mayer: Die Konzession mit der Gemeinde ist so konzipiert, dass sie dem Verein mehr schadet als hilft. Darin heißt es beiespielsweise, dass wir unsere Räumlichkeiten nur gratis vergeben dürfen. Wir dürfen nichts zur Spesendeckung verlangen. Für Strom und Reinigung dürfen wir nur Spenden entgegennehmen. Ein Beispiel: In diesen Jahren sind viele Schulklassen zu uns gekommen, die brauchen Strom, Reinigung, Klopapier usw. Schulen dürfen aber nichts spenden. Wir haben unglaublich viele Leute hereingeholt, aber damit sind die Strukturspesen konstant gestiegen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56163321_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wieso haben Sie Leute ins Jungle geholt?</b><BR />Mayer: Um Leben in die Struktur zu bringen und so einen Mehrwert für die Gemeinschaft zu schaffen. Leute haben bei uns Sozialstunden abgeleistet, wir haben Leute im Rahmen der Arbeitsintegration einen Platz gegeben. Wir hatten Kriminelle da, um ihnen eine Chance zu geben, haben Schulabbrecher aufgenommen – vor Corona hatten wir mindestens 8, 10 da. Wir haben im Garten gearbeitet, Pflanzen gepflanzt und umgetopft. Wir hatten in 5 Jahren 0 Euro Reinigungsspesen. Wohlgemerkt bei 3 Stockwerken zu 120 Quadratmetern, weil wir alles über Sozialstunden, Arbeitsintegration und ehrenamtliche Mitarbeiter gemacht haben. Ich sag immer: Wenn alle ,a bissl„ aufeinander schauen, haben wir es alle feiner.<BR /><BR /><b>Und viele Ihrer Schützlinge wissen Ihnen das zu danken...</b><BR />Mayer: Die ärmsten Leute helfen am meisten, weil ich ihnen geholfen habe. Ein Nomade, der vis a vis im Wohnwagen wohnt, kommt jeden Tag 2 Stunden und räumt auf. Er putzt morgens um 6 Uhr, wenn noch niemand da ist, hat ein Auge auf alles. Nigerianer, Marokkaner, Albaner und ein Serbe, die wir von der Straße geholt haben, helfen hier alle unglaublich viel mit. Fallen sie weg, hat das Jungle ein Problem. Und der größte Mehrwert von allem: Ich krieg alles 1 zu 1 mit, was auf der Straße abgeht.<BR /><BR /><b>Wie meinen Sie das?</b><BR />Mayer: Ich habe 9 Jahre als Streetworker gearbeitet. Da habe ich die Welt am besten verstanden. Ich sah in jede Gesellschaftsschicht hinein, kannte und kenne fast jedes Kondominium und die gesellschaftlichen Probleme. Viele Leute müssten Streetwork machen, da sieht man die Stadt aus einer ganz anderen Perspektive, sieht Folgeschäden falscher Entscheidungen der Stadtverwaltung und Politik. Können die jungen Leute nicht zu uns, weil wir mangels pädagogischer Mitarbeiter die Öffnungszeiten einschränken müssen, gehen sie in den Bahnhofpark oder ins ALGO. Können wir offen halten, reduziert das Frust und Gewalt. <BR /><BR /><b>Sie hatten u.a. die Jungs der berüchtigten Bozner Babygang unter Ihren Fittichen. Was wurde aus den Burschen?</b><BR />Mayer: Ich habe 10 aufgenommen, 8 haben einen schönen Weg gemacht, bei 2 habe ich mir Zähne ausgebissen. Selbst das Gericht oder das Forum Prävention bescheinigen mir, dass wir einen sehr hohen Anteil an Schützlingen zum Positiven verändert haben. Ich war 24 Stunden präsent, wenn es brauchte. Um 17 Uhr war nicht Büroschluss. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="814760_image" /></div> <BR /><b>Ihre besondere Fähigkeit?</b><BR /> Mayer: Mich auf Leute einzulassen und im richtigen Moment präsent zu sein. Aber lassen Sie mich noch etwas los werden: Der asozialste Bereich ist der soziale wegen des Konkurrenzdenkens. Jemand sagte kürzlich zu mir: Jetzt hast du dir den Chefsessel gemacht, da wirst du nicht gehen, wenn alles perfekt ist.<BR /><BR /><b>Ihre Bilanz nach 5 Jahren?</b><BR />Mayer: Wir haben das Haus dank 20.000 ehrenamtlicher Stunden und 200.000 Euro vom Land generalsaniert, wir haben einen Skatepark angelegt, Leitungen für die Arealbeleuchtung Leitungen gegraben. Vieles in Kooperation und alles was ging, in Eigenregie: Türen geschliffen, gekittet und und lackiert. <BR /><BR /><b>Wie viel eigenes Geld haben Sie da gelassen?</b><BR />Mayer: Sag ich nicht, sonst lyncht mich meine Frau (lacht herzlich). <BR /><BR /><b>Ihr Wunsch zum Abgang?</b><BR />Mayer: Mein Herzenswunsch ist, dass die neue Führung von öffentlicher Hand und Privaten so viel Geld kriegt, dass die Schulden auf Null gehen und dass die Gemeinde die Konzession jugendfreundlich macht.<BR /><BR /><b>Was heißt das?</b><BR />Mayer: Dass Jugendliche die Struktur nutzen können und die Erhaltungskosten von der öffentlichen Hand getragen werden. Es kann nicht sein, dass Beiträge in die Instandhaltung des Hauses statt in die Jugendarbeit fließen. <BR /><BR /><b>Und jetzt?</b><BR />Mayer: Mache ich einen klaren Schnitt. Ob ich mich je wieder für Jugendarbeit interessiere, hängt von der Gemeinde Meran ab. Ich brauche keine Lippenbekenntnisse, dass die Jugend so wichtig sei usw., sondern es braucht konkrete Hilfe, bare Münze.<BR /><BR /><b>Wo zieht es Sie jetzt hin?</b><BR /> Mayer: Es geht in Richtung Kreatives, Raumgestaltung – in die Privatwirtschaft. Ich habe so viele Arbeitsangebote – ich sehe sie als indirekte Wertschätzung –, dass ich aussuchen kann, in welchem Sektor ich arbeiten will.<BR /><BR /><b>Jugendliche haben im Frühjahr in Meran für Unruhe gesorgt. Ihre Prognose?</b><BR />Mayer: Strom, Gas, Essen: Alles ist teuerer, vor allem für die unteren Gesellschaftsschichten. Strukturen und soziale Bereiche müssen mehr gestützt werden. Wenn nicht, traue ich mich zu sagen, dass wir viele Situationen erleben werden, die wir nicht erleben möchten. Leute, die keine Perspektive mehr haben, holen sie sich die Sachen. Diebstähle und Gewalt werden nicht weniger werden.<BR />