Private Kliniken wie die Dolomiti Sportclinic in Gröden kümmern sich um Patienten mit Verletzungen, die in Covid-belasteten Krankenhäusern lange auf einen Termin warten müssten – wenn sie sich die Privatklinik leisten können. Das hat auch zu einem Boom bei den Gesundheitsversicherungen geführt, weiß Dr. Arnold Gurndin, Sanitätsdirektor der Dolomiti Sportclinic. <BR /><BR /><BR /><i>Von Katrin Niedermair</i><BR /><b><BR /><BR /><BR /> In Südtirol herrscht Covid-Notbetrieb in den Krankenhäusern. Wer ausrutscht und sich die Schulter bricht, dem könnte es passieren, dass er sehr lange auf einen OP-Termin warten muss. Viele weichen deshalb in solchen Fällen auf private Kliniken wie Ihre aus. Erleben Sie einen Ansturm?</b><BR />Dr. Arnold Gurndin: Wir sehen eine deutliche Zunahme einheimischer Patienten, das stimmt. Seit 1. Dezember haben wir bis zu 30 Prozent mehr Einheimische visitiert und versorgt. Die Abteilungen in den öffentlichen Krankenhäusern können nur sehr eingeschränkt Visiten und OPs anbieten, weil das Pflegepersonal für die Covid-Stationen gebraucht wird. Aber insgesamt haben wir im heurigen Winter, also von Dezember bis Anfang Februar, nur halb so viele Sportverletzte wie in anderen Jahren versorgt: In Gröden mit seiner riesengroßen Pistenlandschaft sind normalerweise Unmengen Touristen und Wintersportler unterwegs. Die fehlen heuer. Der Wintersporttourismus ist ja fast völlig eingebrochen. Trotzdem arbeitet unser Personal auf Maximalbetrieb und wir müssen niemanden in die Ausgleichskasse überstellen. Wir können daher auch alle Aufträge annehmen – und versorgen so heuer deutlich mehr Patienten mit Prothesen, müssen aber trotzdem mit unseren Ressourcen haushalten.<BR /><BR /><BR /><b> Weniger Patienten, andere Patienten: Sehen Sie auch andere Fälle? Jetzt, da alpines Skifahren nur sehr eingeschränkt möglich ist.</b><BR />Dr. Gurndin: Diesen Winter kann man mit anderen nicht vergleichen. Normalerweise versorgen wir zwischen 50 und 100 Frischverletzte am Tag. Heuer kommen viele Patienten einen oder 2 Tage nach einem Unfall zu uns. Viele von ihnen waren vorher schon in der Notaufnahme eines Krankenhauses, wenn sie konnten. Manche wenden sich auch wegen Bandverletzungen an uns, kommen aber nicht direkt vom Unfall, sondern erst später. Das ist ein großer Unterschied. <BR /><BR /><BR /><b> Haben Sie eine Konvention mit dem Sanitätsbetrieb geschlossen?</b><BR />Dr. Gurndin: Eine Zeitlang sah es im März und April tatsächlich so aus, als hätten Bozen und Brixen keine Kapazitäten mehr für Operationen, für Traumapatienten, für Prothetik. Da hat uns Generaldirektor Florian Zerzer angerufen und gefragt, ob wir eventuell helfen könnten. Wegen des Lockdowns war das aber dann doch nicht notwendig. Man hat uns nun auch im Nachhinein eine Konvention für Knochenbrüche und ähnliches angeboten. Wir wissen aber, dass das nur wenige Patienten in der Woche betrifft, und sind stark am Überlegen, ob wir die Konvention schließen sollen – wirtschaftlich würde das wenig bis nichts bringen.<BR /><BR /><BR /><b> Hat Corona den Trend zur privaten Krankenversicherung befeuert?</b><BR />Dr. Gurndin: Ja, wir wissen das aus Gesprächen mit den Versicherern. Sie haben in den vergangenen Monaten sehr viele Polizzen verkauft: Die Leute wollten für den Notstand gewappnet sein. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-47759417_quote" /><BR /><BR /><b> Wie hat der Notstand den Klinik-Alltag verändert?</b><BR />Dr. Gurndin: Wir haben uns schon im vergangenen Februar selbst Regeln des Hausverstandes gegeben: Damals ist man in Südtirol kaum zu spezialisierten Tests gekommen. Wir haben versucht, uns mit Laboren im Ausland zusammenzuschließen – das war aber sehr kompliziert. Seit Februar haben wir Maskenpflicht, Handdesinfektion ist Standard; die Mitarbeiter tragen FFP2-Masken. Damit haben wir den Betrieb geschützt. Sobald es Antigentests gab, haben wir damit begonnen, jeden, der in die Klinik wollte, zu testen. <BR /><BR /><BR /><b> Eine große Herausforderung – aber erfolgreich?</b><BR />Gurndin: Es war eher eine mentale Umstellung als eine praktische: Hygienemaßnahmen einzuführen, ohne dass sie den normalen Ablauf stören. Das haben wir mit unserem Team relativ schnell auf die Reihe gebracht. Wir konnten es bisher ohne Ausfälle abwickeln. Die Mitarbeiter haben sich konsequent beteiligt – dafür gebührt ihnen Dank. Sie haben sich auch im Privaten an die Regeln gehalten, sonst wäre es nicht gelungen, Einträge ins Haus zu vermeiden. In einem Ein-Stationen-Betrieb ist das aber natürlich einfacher als in einem mit sehr vielen unterschiedlichen Stationen.<BR /><BR /><BR /><b>Corona-Tests haben Sie aber im Frühling nicht angeboten – obwohl die Nachfrage groß war. Warum nicht?</b><BR />Dr. Gurndin: Sehr viele ähnliche Strukturen haben Tests angeboten – mit der Folge, dass sie wegen Corona-Infektionen zeitweise schließen mussten. Wir haben eine andere Philosophie verfolgt: Solange wir nicht die Möglichkeit hatten, die Teststationen komplett von der Klinik zu trennen, wollten wir nicht testen – obwohl uns Wirtschaftstreibende aus dem Tal immer wieder danach gefragt haben. Aber es war uns wichtig, sauber zu bleiben, um den Basisbetrieb aufrechterhalten zu können. Erst im Spätherbst haben wir eine große Covid-Teststation am Parkplatz eingerichtet. In der Klinik selbst haben wir eigene Test-Räume für Patienten, die stationär aufgenommen werden müssen.<BR /><BR /><BR /><b> Durch diese Maßnahme ersparen Sie sich Astronautenanzüge in der Klinik?</b><BR />Dr. Gurndin: Ganz genau. Wir sind für den Maximalbetrieb ausgerüstet. Wir haben darauf geachtet, die Patienten einzeln einzubestellen, damit jeder ein Einzelzimmer bekommt – was sehr viel sicherer ist. Die Patienten müssen sogar im Zimmer die Maske tragen. Wir hatten erst Ozongeräte, um die Zimmer zu desinfizieren. Inzwischen setzen wir auf Nebulisatoren, mit denen man ein Zimmer in 20 Minuten 100-prozentig sterilisieren kann. Das machen wir konsequent, vom ersten bis zum letzten Raum.<BR /><BR /><BR /><b> Disziplin ist das Zauberwort im Kampf gegen Corona?</b><BR />Dr. Gurndin: Ich würde es sogar noch etwas überspitzter formulieren und sagen: Diktatur. Nicht ständig alles zerreden, sondern Fakten schaffen. Allerdings ist es schon wichtig, erst darüber zu diskutieren, was vernünftig ist, was sich gut umsetzen lässt. Ein Beispiel: Wegen Corona Handschuhe anzuziehen, hat sich nicht bewährt. Es kommt leicht vor, dass man zwischen 2 Patienten vergisst, sie zu wechseln. Darum desinfizieren wir die Hände – so denkt man 2-mal nach, bevor man einen Patienten berührt. Und der Patient schaut den Arzt schräg an, wenn der ihn angreift, ohne die Hände mit Alkohol gereinigt zu haben. Die Handschuhe müsste man desinfizieren, aber dazu hat man kein so spontanes Bedürfnis, deshalb ist diese Maßnahme auch schwieriger durchzusetzen.<BR /><BR /><BR /><b> Wie sehen Sie die nähere Zukunft?</b><BR />Dr. Gurndin: Wir müssen zusehen, dass wir die Impfmoral verbessern. Einen so sicheren und wirksamen Impfstoff wie diesen hat es nie gegeben. Auch, wenn der Impfschutz nur 70 Prozent betragen sollte, ist der Wert damit besser als bei jeder Grippeimpfung. Man muss es im Großen machen wie im Kleinen: sehen, was sich umsetzen lässt und zielführend ist.<BR /><BR /><BR />