Brauche ich so was gar nicht? Professor Gänsbacher zitiert zu dieser Frage einen Entwickler: „KI ist wie Luft – entweder du atmest, oder du überlebst es nicht.“ <BR /><BR /><b>Herr Dr. Gänsbacher, woher kommt Ihr Interesse für die künstliche Intelligenz?</b><BR />Prof. Bernd Gänsbacher: Es hat noch nie eine Technologie gegeben, die in so kurzer Zeit so viele Menschen begeistert hat. Einer davon bin ich. Darauf aufmerksam gemacht haben mich Freunde aus New York, daraufhin habe ich mich eingehend informiert und ChatGPT4 selbst getestet. Ich bin von den Möglichkeiten fasziniert und überzeugt, dass Menschen, die es benützen, große Vorteile gegenüber jenen haben werden, die es nicht benützen. Ganz egal, ob man es aus der Perspektive von Schülern, von Patienten, von Unternehmern oder des gewöhnlichen Bürgers betrachtet. Natürlich darf man die Bedenken gegenüber dieser revolutionären Technologie nicht außer Acht lassen, aber gerade deshalb ist eines wichtig: Dass sich die Menschen über künstliche Intelligenz gut informieren bzw. gut informiert werden. <BR /><BR /><b>Inwieweit wird KI Ihrer Ansicht nach unser tägliches Leben in absehbarer Zeit verändern?</b><BR />Gänsbacher: Um es mit wenigen Beispielen zu verdeutlichen: Der Schüler wird seinen Essay bereits geschrieben haben, der Mandant hat seinen eigenen Rechtsanwalt in der Tasche und jeder Patient, der es will, seinen Facharzt. Künstliche Intelligenz wird uns in allen Lebenslagen und auf allen Ebenen immer stärker wie ein persönlicher Coach begleiten. Ich zitiere hier gerne einen der Entwickler: KI ist wie Luft – entweder du atmest, oder du überlebst es nicht. Es ist schon heute in so vielen Systemen integriert, dass die Firmen darauf setzen müssen, wenn sie nicht den Anschluss verlieren wollen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="912616_image" /></div> <BR /><BR /><b>Allerdings dürfte damit die digitale Spaltung noch weiter verschärft werden, im Sinne, dass die ungleiche Nutzung von digitalen Technologien die gesellschaftlichen Gräben vertieft…</b><BR />Gänsbacher: Gerade auch deshalb plädiere ich dafür, sich aktiv damit auseinanderzusetzen und an diesem Prozess teilzuhaben. Das ist sehr wichtig. Ich selbst habe mich mit viel Interesse auf diese Materie gestürzt, mich letzthin 6 bis 8 Stunden täglich damit beschäftigt und mir dann gesagt: Ich stelle den Menschen, die wenig Zeit haben, sich über KI zu informieren, meine Notizen in Form eines Buches („Meine Reise durch die Welt der künstlichen Intelligenz“, 158 Seiten, Amazon KDP Verlag) zur Verfügung, auch, um den Menschen die Angst vor KI zu nehmen. Die beste Waffe gegen die Angst ist nach wie vor Wissen. Durch Wissen erlangt man Kontrolle und Planbarkeit. Grundsätzlich ist enorm wichtig, dass über KI viel stärker öffentlich diskutiert wird und sich die Schulen dem Thema zuwenden. <BR /><BR /><b>Inwieweit handelt es sich bei KI tatsächlich um eine Intelligenz bzw. ein intelligentes System?</b><BR />Gänsbacher: Tatsächlich ist die Funktionsweise von KI in groben Zügen mit dem Wesen des menschlichen Gehirns insofern vergleichbar, als dass es wie ein neuronales Netzwerk aufgebaut ist. Das menschliche Gehirn hat etwa 100 Trillionen Nervenzellen, die durch Axone und Synapsen miteinander verbunden sind, bei ChatGPT4 sind es 1,3 Trillionen Knoten. Kurz erklärt: Das System holt sich die Informationen durch die weltweit vernetzten Computer, wandelt diese mittels Decoding- und Encoding-Prozesse in Zahlen um und kann so lernen, Muster zu erkennen, um bei Fragen das nächste Wort vorauszusagen. Es handelt sich letztlich um eine Mustererkennungsmaschine, durch das Gewichten der Verbindungen der Knoten lernt das System, die unzähligen Puzzleteile richtig zusammenzufügen und ein großes Weltbild der menschlichen Sprachstruktur und Logik zu erstellen. Letztlich lernt ein Kleinkind in ähnlicher Art und Weise. <BR /><BR /><b>Ein Kleinkind?</b><BR />Gänsbacher: Ja natürlich. Das Umfeld mit all seinen Impulsen und Anreizen hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Denkvorgänge eines Kindes. Werden dem Kind viele Dummheiten eingetrichtert, wird das auf sein Leben als Erwachsener abfärben. Deshalb ist das Training für die Ergebnisse, die uns KI liefert, von essenzieller Bedeutung. <BR /><BR /><b>Nun warnen selbst die Entwickler vor möglichen Gefahren und nicht wünschenswerten Entwicklungen. Wie beurteilen Sie diese Gefahren?</b><BR />Gänsbacher: Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, das schwerwiegende Folgen hat, darf man als sehr gering einstufen. Natürlich ist immer der Mensch das Zünglein an der Waage und bisher hat er fast alle Technologien benutzt, die ihm zu Verfügung standen, aber es war eben auch die Atombombe darunter. Was heißt das in Bezug auf die KI? Mittlerweile ist durch die fortschreitende Digitalisierung der Großteil der Welt miteinander vernetzt – das reicht von den globalen Geld- und Handelsflüssen über den Flug- und Bahnverkehr bis hin zur Energieversorgung. Deshalb braucht es Regulierung und Kontrolle – das ist im Straßenverkehr mit den Autos nicht anders.<BR /><BR /><b>Folglich sollte Europa hier besser agieren als reagieren?</b><BR />Gänsbacher: Die bahnbrechenden technologischen Entwicklungen kommen leider fast ausnahmslos aus den USA, Europa sollte mehr auf das Leistungsprinzip setzen und jungen, intelligenten Menschen mehr Anreize und Chancen geben. Leistung müsste einfach stärker belohnt werden, dieses Denken sollte in der Gesellschaft stärker verankert werden.<BR />