„Man spielte mit meiner Angst, das gesamte Kapital zu verlieren“, erzählt ein Südtiroler, der in einem Bericht schildert, wie übel er hereingelegt wurde.<BR /><BR />In erster Linie handle es sich nicht um Gier oder um das Verlangen, nur möglichst schnell sein Geld zu vermehren, sondern eher um bescheidene und nur allzu menschliche Wünsche, die zu riskanten Investitionen verleiten: Ein junges Paar, das für sein Hochzeitsfest spart oder Eltern, die ihren Kindern das Studium finanzieren oder gar das edle Ansinnen, Hinterbliebenen eines Verstorbenen eine schöne Reise zu ermöglichen. <BR /><BR />Sie alle haben ihre Geldgeschäfte ihnen völlig unbekannten Personen anvertraut, sie alle wurden von kriminellen Banden übers Ohr gehauen. Und sie haben sich irgendwann ratsuchend an Rebecca Berto gewandt, die Rechtsberaterin beim Europäischen Verbraucherzentrum in Bozen (EVZ). <h3> Bedenklich viele Opfer</h3>Die Anzahl von Geschädigten, die Erspartes durch betrügerisches Online-Trading verloren haben, nimmt in Südtirol bedenkliche Ausmaße an, weiß Rebecca Berto und führt einige Zahlen ins Feld: Im Vorjahr hatte sie an die 120 derartige Anfragen zu betreuen, allein heuer waren es bis zum 10. Mai bereits mehr als 50 Fälle. Nicht alle davon betrafen Südtiroler, aber doch ein beträchtlicher Teil. <BR /><BR />„Für uns handelt es sich um durchwegs schwierige Gespräche, weil den Leuten oft erst hier dämmert, dass sie Opfer eines Betrugs geworden sind“, sagt sie. Vielfach würden zum finanziellen Schaden Schamgefühle und Vorwürfe dazukommen. Auch deshalb sei davon auszugehen, dass die Dunkelziffer an Geschädigten viel höher liegt. „Teilweise geht es hier um beträchtliche Summen, in einigen Fällen wurden die Betroffenen um 500.000 Euro und mehr erleichtert“, weiß Berto zu berichten. <BR /><BR />Die unlautere „Geschäftsanbahnung“ beginnt in der Regel relativ unspektakulär mit einem Anruf oder einer E-Mail. Eine fremde Person gibt sich als Assistent eines Online-Brokers aus und hat ein interessantes Angebot für eine Investition parat. Anschauen kann man sich das ja mal, denken sich wohl viele Kontaktierte, während andere erst beim zweiten oder dritten Anruf reagieren. <BR /><BR /><embed id="dtext86-59578682_quote" /><BR /><BR />Das erste Investment mit kleinen Beträgen von 150 oder 250 Euro erachten viele als Testlauf bzw. Summe, die eh nicht weh tut. Man bekommt einen Link zu einer Plattform bzw. einem „Konto“ zugeschickt, wo man beobachten kann, wie sich das eigene Geld vermehrt. „Teilweise scheinen die getätigten Investitionen innerhalb von Stunden nicht für möglich gehaltene Renditen abzuwerfen“, schildert Rebecca Berto. <BR /><BR />Man glaubt, eine Goldgrube entdeckt zu haben. Somit werden die Betroffenen ermutigt, mehr und mehr Geld zu überweisen, ohne dass sie dahinter einen Betrug vermuten würden. Dazu trägt mit Sicherheit der Austausch via Telefon oder Whatsapp bei, die Betrüger arbeiten intensiv am Aufbau einer persönlichen Beziehung, erschleichen sich auf diese Weise immer mehr das Vertrauen ihrer Opfer und bekommen immer stärker Einblick in deren Lebensrealität. Sie beherrschen ihr perfides Handwerk perfekt, sobald der Betroffene seine Investition aber zurückhaben möchte, herrscht plötzlich Funkstille. Der Schwindel fliegt auf.<h3> Zur Anzeige ermutigen</h3>„Wie raffiniert diese Betrugsmasche durchgezogen wird, zeigt allein die Tatsache, dass Leute aus allen Teilen der Bevölkerung darauf hereinfallen“, sagt die EVZ-Expertin. Auch bestens ausgebildete Personen und sogar ein Steuerberater sind bei ihr als Geschädigte vorstellig geworden. Sie könne nur die Betroffenen aufklären und zu einer Anzeige bei den Behörden ermutigen. Doch auch dort sei man meistens machtlos, denn die Betrüger wissen die Geldflüsse zu verschleiern, lassen auf Konten in fernen Ländern transferieren oder haben die Betroffenen gar zu „Investitionen“ in Kryptowährungen ermutigt. <BR /><BR />„In der Tat ist es von außen schwierig nachzuvollziehen, weshalb man wildfremden Menschen sein Geld anvertraut, aber es zeigt, wie gut die Betrüger darin sind, ihre Opfer über einen längeren Zeitraum bei der Stange zu halten“, analysiert die Verbraucherschützerin. <BR />Als ob all das nicht schon genug wäre, setzen die kriminellen Banden gerne noch einen drauf. Rebecca Berto erklärt: „Oft bekommen die Geschädigten viele Monate später einen Anruf von Personen, die sich als Rechtsanwalt oder Inkassobüro oder gar als Bevollmächtigte der Aufsichtsbehörde ausgeben und beteuern, dass nun ihr Geld aufgetaucht sei und sie ihnen helfen würden, es zurückzuholen. Dabei würden Honorare oder Vorleistungen fällig. Erneut handelt es sich um einen Schwindel, dasselbe Opfer wird also gleich mehrfach ausgenommen.“ <h3> So können Sie sich schützen</h3>Wie soll man sich vor diesen Betrügereien schützen? Grundsätzlich stets Vorsicht walten lassen bei derartigen Kontaktaufnahmen vonseiten fremder Personen, insbesondere dann, wenn Investitionen in Kryptowährungen verlangt werden. Bei der italienischen Aufsichtsbehörde CONSOB lässt sich nachprüfen, ob die Person, die sich als Broker ausgibt, tatsächlich seriös arbeitet und in das Berufsalbum eingetragen ist. Doch auch das sei noch keine Garantie, es kam bereits vor, dass die Genehmigungsnummer kopiert wurde und so unter falschen Namen Geschäfte abgewickelt wurden. Auf jeden Fall zahlt es sich aus, mehrfach zu überprüfen, wem man sein Erspartes anvertraut.<BR /><BR />EIN OPFER ERZÄHLT<BR /><BR /> Wie die betrügerischen Online-Tradingplattformen ahnungslosen Opfern ihr Erspartes abknöpfen, schildert ein Geschädigter, der sich an die EVZ gewandt hat und seinen Fall (hier leicht gekürzt) aufgeschrieben hat:<BR /><BR />Alles begann mit dem Anklicken eines Links auf einem Nachrichtenportal. Dort war die Rede von einer interessanten Möglichkeit, Geld zu verdienen, und eigentlich haben bei mir ja auch gleich die Alarmsirenen geklingelt. Doch nach diesem Klick erhielt ich fortan täglich Anrufe von verschiedenen sog. Tradingplattformen aus England, später aus Italien und Zypern.<BR /><BR /> Zunächst stellten sie in einer recht seriösen Art die Geschäftsmodelle (Geldanlage in Rohstoffe, Gold und anderes) vor, wurden auch gar nicht aufdringlich, damit nicht gleich Verdacht geschöpft wurde.<BR />Nach einiger Zeit der Ablehnung schaffte es der „Consulente“ (wie er sich selbst nannte) der Tradingplattform tatsächlich, mich zu einer Überweisung von anfänglich 250 Euro, später von 500, dann 1000 Euro und sogar mehr zu überreden. Die Einzahlungen erfolgten auf eine Bank in Litauen und dann Schweden. <BR /><BR />Den gesamten Zahlungsfluss und die tägliche „wundersame Geldvermehrung“ konnte ich auf meinem Handy mittels einer ausgeklügelten, von ihnen zur Verfügung gestellten App verfolgen, was einem wie mich als „nicht digital native“ auch langsam an das winkende Geldwunder glauben ließ.<BR /><BR />Es wurde ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, bis es dann zum versprochenen Auszahlungstermin im Sommer letzten Jahres kam. Am Tag vorher drohte plötzlich mein eingezahltes und das erwirtschaftete Kapital aufgrund eines vorgetäuschten misslungenen Investments seitens des „Consulente“ zu verbrennen.<BR /><BR />Nur durch eine sofortige Überweisung könne dies abgewendet werden. Tatsächlich ließ mich die Angst um den Verlust meines Kapitales einen weiteren Geldbetrag überweisen. Nun zeigte mir die App an, dass sich das Geld auf meinem Konto wieder zu vermehren schien. Meine Zweifel wurden größer und ich beschloss, unter Androhung rechtlicher Schritte (Anzeige) die Sache abzubrechen und mir das Geld auszahlen zu lassen.<BR /><BR /><BR />Der „Consulente“ stimmte zu, am besagten Tag hörte die Geldvermehrung auf und der gesamte Betrag wurde zur Auszahlung auf der App freigegeben. Mir wurde sogar der Auszahlungsvertrag und fiktive Überweisungsbeleg von der fiktiven Bank zugestellt. Doch plötzlich schienen nun Steuern auf den „erwirtschafteten Betrag“ auf, die vorher zu begleichen seien. Eine weitere Masche, man spielte mit meiner Angst, das gesamte Kapital zu verlieren.<BR /><BR />Eine Anzeige bei der Finanzpolizei brachte keinerlei Ergebnisse. Und nach dem Verlust des Geldes melden sich auch noch Firmen (aus Amerika und Holland), die einem bei der Rückholung behilflich sein wollen – natürlich gegen Vorauszahlung.<BR />