Der Landeanflug mit dem Paragleiter ging ziemlich in die Hose oder genauer: auf Kosten der Jacke. Denn durch die Bruchlandung wurde die schöne Sportjacke der Pilotin an mehreren Stellen arg in Mitleidenschaft gezogen. Im Normalfall hätte das nun zerfledderte Teil wohl ausgedient gehabt, obwohl es erst vor einem Jahr für mehrere Hundert Euro von der abenteuerhungrigen Frau gekauft worden war. <BR />Allerdings hatte sie etwas von einem Reparaturservice gehört, ein Versuch könnte es ja allemal wert sein.<BR /><BR />„Somit hat sie uns kontaktiert, und wir haben diese technische Sportjacke für knapp 80 Euro wieder zusammengeflickt“, erklärt Thomas Steiner anhand eines praktischen Beispiels das Konzept der professionellen Reparatur-Werkstätte in Eppan. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="967525_image" /></div> Vor 2 Jahren hat er zusammen mit einigen Gleichgesinnten dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt, seit knapp einem Jahr läuft die ungewöhnliche Initiative mit dem Namen „Einstein Repair“. Ob Risse, Löcher, Brandflecken, abgenutzte Wanderhosen, klemmende Reißverschlüsse, abgetrennte Knöpfe oder lediglich Anpassungen – mehr oder weniger könne jedes beschädigte Teil ausgetauscht bzw. erneuert werden. „Wir bringen hier das klassische Schneiderhandwerk mit unserem technischen Knowhow im Outdoor-Bereich zusammen“, erläutert Steiner die Grundidee. <BR /><BR />Er ist schon viele Jahre im Textilbereich tätig, kam vor 20 Jahren aus dem Allgäu nach Südtirol, um für die Oberalp-Marke Dynafit im Produktmanagement eine neue berufliche Herausforderung in Angriff zu nehmen. Zugleich übersiedelte auch die ausgebildete Schneiderin Heike Steinbauer von München nach Bozen, sie heuerte bei beim heimischen Bergsport-Ausrüster Salewa an. So lernten sich die beiden Bayern in Bozen kennen und beschlossen, sich mit einem gemeinsamen Projekt selbständig zu machen. <BR /><BR /><b>Grenzgänger in vielerlei Hinsicht</b><BR /><BR />„Grundsätzlich ging es uns darum, das vorhandene Textilhandwerk im Alpenraum zu fördern und eigene Kollektionen mit<BR />möglichst kurzen Lieferwegen auf den Markt zu bringen“, umreißt Steiner die Anfänge. So entstand zunächst das Modelabel „Grenzgang“, als sogenanntes „Slow Fashion“-Label empfindet es sich als Gegenentwurf zu den bekannten „Fast Fashion“-Marken. Durchaus sehen sich die Beteiligten auch im privaten Bereich als Grenzgänger, denn die Münchnerin Heike ist mit Paolo aus der Emilia Romagna verheiratet, während der Bayer Thomas mit Karin Lorefice Steiner liiert und nunmehr in Kaltern beheimatet ist, die beiden sind Eltern von 2 Kindern. <BR /><BR /><BR />Ein Grenzgang war und bleibt weiterhin die Initiative mit dem Reparaturservice für Outdoor-Equipment. Von der Idee war man schon etwas länger beseelt, doch die Umsetzung einer derart ungewöhnlichen Dienstleistung muss erst mal auf tragfähige Beine gestellt werden: Die notwendigen Räumlichkeiten fand man schließlich im oberen Stockwerk des Reifenhändlers Christof an der Eppaner Umfahrungsstraße, zusätzlich zu klassischen Büroräumlichkeiten gibt es dort heute eine vollständig eingerichtete neue Näh-Werkstätte. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="967528_image" /></div> Tatsächlich haben hier die Schneiderinnen neben einer Auswahl von Stoffen und vielen Accessoires diverse Maschinen zur Verfügung. In Kisten finden sich ausrangierte Textilteile zum Vernähen, an Kleiderständern hängt Ware, die repariert werden muss. Derzeit sind 3 ausgebildete Schneiderinnen hier angestellt, sei es für den Reparaturservice wie auch für die Entwürfe der eigenen Kollektionen. Es ist ungewöhnlich genug, dass hierzulande überhaupt noch jemand auf das Schneiderhandwerk setzt, noch dazu mit dieser Grundidee.<BR /><BR />Thomas Steiner fasst zusammen: „Auch wenn wir uns noch in der Findungsphase befinden, so ist die Sache allemal gut angelaufen. Wir merken deutlich, dass wir mit unserer Dienstleistung den Nerv der Zeit treffen. Es zeigt sich bei vielen Gesprächen, dass immer mehr Menschen ein schonender Umgang mit unseren Ressourcen wichtig ist. Und hier braucht es eben praktikable, möglichst einfache Lösungen.“ Dabei haben wohl die Wenigsten von dieser Reparatur-Schneiderei in Eppan erfahren, bis auf einem Messe-Auftritt beließen es die beiden Geschäftsführer bei der bewährten Mundpropaganda. <BR /><BR /><BR />Was man sich womöglich einfach vorstellt, ist in Wahrheit eine Sisyphusarbeit, denn für jedes beschädigte Teil braucht es den passenden Ersatz, unterschiedliche Arten der Fertigung bedingen ein spezifisches Knowhow und spezielle Maschinen, allein das Abwicklungsprozedere muss in standardisierten Schritten erfolgen. Hierfür haben Thomas Steiner & Co. eine eigene App entwickelt, um alle relevanten Informationen der beschädigten Ware mitsamt Fotos zu erhalten und so einen optimalen Informationsfluss zwischen Kunden, Schneidern und Versand zu gewährleisten. Das Angebot für die Reparatur bekommt man in der Regel bereits nach 24 Stunden.<BR /><BR /><b>15 Euro für die Reparatur statt 600 Euro für den Neukauf</b><BR /><BR />„Es kommt immer ein bisschen auf die Art der Reparatur und die benötigten Materialien an, aber in der Regel beträgt die Wartezeit 7 bis maximal 10 Tage“, skizziert Karin Lorefice Steiner den Zeitrahmen. Und mit welchen Kosten ist zu rechnen? „Wir haben eine Tabelle mit Richtwerten für die Kosten, bisher hatten wir Reparaturen zwischen 5 bis 140 Euro“, listet sie auf. <BR /><BR />Der Austausch eines Reißverschlusses bei einer Marken-Jacke beläuft sich üblicherweise bei 10 bis 15 Euro, klarerweise richtet sich auch der Preis immer nach Schadensart, verfügbaren Komponenten und weiteren Kriterien. Bedeutet beispielsweise: 10 oder 15 Euro für die Reparatur statt 600 oder 700 Euro für eine neue Gore-Tex-Jacke. „Abgesehen von der Preisfrage überlegen sich immer mehr Menschen, ob sie tatsächlich eine vierte oder fünfte Jacke im Schrank wollen oder stattdessen lieber ein beschädigtes Teil reparieren lassen“, hat Thomas Steiner beobachtet. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="967531_image" /></div> <BR />Man hat die Dinge bei „Einstein Repair“ bis ins Detail zu Ende gedacht, davon zeugt auch der bereits erprobte Ansatz, bei neuen technischen Bergjacken passende Gewebeteile zu integrieren, damit diese im Falle einer Reparatur verwendet werden können. <BR /><BR />Interessant ist in dieser Hinsicht auch die Kooperation mit dem Sportartikelhändler Sportler. Nach einer Testphase will man den Reparaturservice von „Einstein Repair“ in allen Sportler-Filialen anbieten und so dem großen Kundenstamm entgegenkommen. <BR /><BR /><b>Die Community pflegen</b><BR /><BR />Wirkt sich so eine Initiative nicht kontraproduktiv auf das Kaufverhalten aus? Dem entgegnet Thomas Steiner, dass sich große Händler und renommierte Marken immer stärker auf die Pflege ihres Kundenstamms, auf neudeutsch Community, kümmern müssen. Nachdem die Sensibilität für Kreislaufmanagement, die Stärkung lokaler Betriebe sowie den schonenden Umgang mit Ressourcen deutlich zunimmt, gilt es eben auch für die Big Player der Textilbranche, diesen Weg proaktiv mitzugestalten. Andernfalls riskiert man den Anschluss zu verlieren.<BR /><BR />Während nun dieser Outdoor-Reparaturservice langsam anläuft, sind die Macher bereits am nächsten Thema dran: Recycling von Outdoor-Textilien. Zu diesem Zweck werden etwa bereits 3-lagige-Kapuzenjacken ausschließlich aus einem einfach zu verwertenden Polyester fabriziert, was die Wiederverwertung der Jacke nach der Nutzungsphase stark vereinfacht. „Es gibt viele smarte Ideen, uns macht es Spaß diese weiterzuentwickeln und auszuprobieren“, sagen die beiden gebürtigen Bayern, die in Südtirol das so häufig beschworene Thema der Nachhaltigkeit tatkräftig vorantreiben. <BR />