Trotz der Verstärkung werden wir auf lange Sicht „nicht genug Arbeitskräfte haben, um alle Arbeit wie bisher verrichten zu können“, prophezeit Stefan Luther, geschäftsführender Abteilungsdirektor des Arbeitsmarktservices des Landes.<h3> 70.000 Arbeitnehmer mehr seit 1999</h3> Ganze Branchen wären ohne Arbeitskräfte von auswärts in Südtirol im derzeitigen Ausmaß gar nicht denkbar, so die Landwirtschaft zur Erntezeit und der Tourismus übers ganze Jahr. Aber auch im Baugewerbe und im verarbeitenden Gewerbe spielen Zuzügler eine große Rolle. Ein Teil dieser Beschäftigten kommt aus dem restlichen italienischen Staatsgebiet, die anderen vorwiegend aus einem halben Dutzend neuer EU-Mitgliedsländer und aus Nicht-EU-Ländern. <BR />Betrachtet man die 2 Dekaden von 1999 bis 2019 ist die Zahl der Arbeitnehmer in Südtirol um 70.000 Personen angewachsen. Mehr als 40.000 davon stammen nicht aus Südtirol. Gar nicht enthalten in diesen Zahlen sind Personen von auswärts, die sich in Südtirol selbstständig gemacht haben – etwa als Handwerker oder im Einzelhandel. <h3> Ein guter Teil der auswärtigen Arbeitskräfte bleibt dauerhaft in Südtirol</h3> Nicht nur wäre die Beschäftigung ohne Zuwanderung nicht gestiegen; ohne Zuwanderung, das zeigen die demografischen Daten, wäre die Südtiroler Bevölkerung in der relevanten Altersklasse zwischen 20 und 60 Jahren sogar um 5000 bis zu 10.000 Personen geschrumpft – mit den entsprechenden Lücken im Arbeitsmarkt. Die Migration hingegen hat zu 35.000 zusätzlichen Einwohnern in dieser Altersklasse geführt. <BR />Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitskräfte von auswärts, erklärt der Experte, sind dabei sehr unterschiedlich und reichen von kurzzeitigen Saisonkräften wie etwa Erntehelfern in der Landwirtschaft, über länger gebundene Saisonkräfte im Tourismus bis hin zu befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen. Und: Ein guter Teil der auswärtigen Arbeitskräfte bleibt schließlich dauerhaft: „In den vergangenen 12 Jahren haben 22.000 Menschen ihren Wohnsitz nach Südtirol verlegt“, weiß Stefan Luther. 17.000 davon sind dauerhaft geblieben – und gerade im Fall von Nicht-EU-Bürgern kommt es oftmals nach einigen Jahren zur Einbürgerung. <BR />Ein weiterer Teil des Beschäftigungszuwachses geht auf die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen zurück, wenn auch vielfach nur in Teilzeit.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="819734_image" /></div> <BR /><BR />Dennoch schlägt Luther Alarm: Auf Grund der demografischen Entwicklung (viele Arbeitnehmer die in Rente gehen) werde das Arbeitskräftepotenzial trotz wachsender Bevölkerung schrumpfen. Der bereits jetzt spürbare Mangel insbesondere bei Fachkräften ist laut Luther erst der Anfang des Dilemmas. Weil Arbeitskräfte generell knapp werden, werde man sich insbesondere bei arbeitsintensiven Branchen umstellen müssen. „Ich sage das, ohne zu werten“, betont Luther, „aber man wird darüber nachdenken müssen, ob etwa in der Pflege Roboter bestimmte einfache Tätigkeiten übernehmen können, nicht weil wir es wollen, sondern weil es einfach – in ganz Europa – die Menschen nicht mehr geben wird, die alle Aufgaben ausführen könnten“, so der Experte. Und man müsse alle Potenziale ausschöpfen. So sieht er in Sachen Jugendbeschäftigungsquote Handlungsbedarf: „Wir sind hier zwar erste im italienischen Vergleich, aber damit eben nur erste in der zweiten Liga. Wenn wir in die erste Liga aufsteigen wollen, müssen wir mehr junge Leute in Arbeit bringen.“ Zauberwort: duale Ausbildung. Auch könne man sich nicht wie derzeit noch 10.000 Arbeitslose „leisten“, denn „die Leute werden auf dem Arbeitsmarkt gebraucht“, so Luther. <BR />