In der Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen ist die Inzidenz dreimal so hoch wie die Gesamtinzidenz in Südtirol, warnt der Wissenschaftler aus Bruneck. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Südtirol verzeichnet 94 Neuinfektionen an einem Tag. Da fragen sich viele Eltern: Welches Infektionsgeschehen haben wir denn, wenn erst die Schulen und Kindergärten ihre Tore öffnen?</b><BR />Markus Falk: Seit Wochen gibt es Warnungen – auch meinerseits: Man muss vorsichtig bleiben, sonst startet man ins neue Schuljahr mit zu hohen Zahlen. Das scheint sich jetzt leider so zuzutragen. Wir haben derzeit 2 Probleme: Mit den Reiserückkehrern begannen vor 3 Wochen erste Anstiege in den Fallzahlen. Zudem hat die Zahl der Gemeinden mit positiven Fällen zugenommen. Wir hatten Spitzen mit bis zu 32 Gemeinden, an denen Neuinfektionen an einem Tag gemeldet wurden. Es passiert das, was wir schon 2020 hatten, damals aber erst im Oktober. Dies bedeutet: Genau zur Schulöffnung wird es relativ viel Infektionsgeschehen in jener Altersgruppe geben, die auch zur Schule muss – und dies sind die 10- bis 19-Jährigen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="674051_image" /></div> <BR /><b>Wie hoch ist der Anteil dieser Altersgruppe an den insgesamt Infizierten in Südtirol?</b><BR />Falk: Vergangene Woche machte diese Altersgruppe ein Drittel der Fälle aus. Man sieht aber auch schon leichte Tendenzen bei den oberen Kategorien: Bei den 40- bis 49-Jährigen hat es auch relativ deutliche Zuwächse gegeben. Das kann mit Reiserückkehrern zusammenhängen oder mit Folgeinfekten über Kinder, was auch immer. Tatsache ist: Die Infektionen wurden in die Gemeinden gesät und nun geht dort der Samen auf.<BR /><BR /><embed id="dtext86-50335331_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie hoch ist die Inzidenzrate bei den 10- bis 19-Jährigen?</b><BR />Falk: Diese liegt bei 200. Das heißt: Auf 100.000 10- bis 19-Jährige kommen pro Woche 200 Fälle dazu. Die Inzidenz ist bei dieser Altersgruppe also über dreimal so hoch wie die Gesamtinzidenz in Südtirol.<BR /><BR /><b>Südtirol ist aber derzeit wohl nicht das einzige Land, das zu Schulbeginn mit einer hohen Inzidenz starten muss, oder?</b><BR />Falk: Nein, in Schleswig-Holstein ist das vor 2 Wochen passiert: Die Leute kamen aus dem Urlaub zurück, die Schulen öffneten und die Fälle explodierten. In Florida und Israel passiert momentan das gleiche. Das heißt: Ohne vernünftige Strategie wird es in Südtirol schwierig für den Herbst. Das Problem sind nicht die positiven Fälle an sich – sondern wie viele Fälle in welcher Zeit auftreten. Die Frage ist: Wie viele Fälle lassen wir pro Zeiteinheit zu? Und das hängt allein von uns ab. Die Tests spielen dabei eine ganz wichtige Rolle.<BR /><BR /><b>Erst etwa ein Viertel der 12- bis 19-Jährigen sind in Südtirol geimpft. Muss man bei dieser Altersgruppe massiv impfen oder massiv testen?</b><BR />Falk: Über die Impfungen kann das Infektionsgeschehen in der Oberschule deutlich beeinflusst werden. Gleichwertig wie die Impfungen sind für mich die Tests. Sie bringen gleich viel. Das Problem aber ist: Die Tests verlangen unheimlich viel Disziplin und Disziplin ist nicht jedermanns Stärke. Bei den Impfungen ist man immer auf der sichereren Seite. Man kann jetzt kreativ sein und Tests ausgeben, damit sich die Leute zuhause selber testen können. Das einzige, was man jetzt nicht darf, ist blauäugig zu sein: Die Schulen zu öffnen bei diesen hohen Inzidenzen und zu hoffen, dass es gut geht, wird nicht funktionieren. Die Einstellung der Schüler und Eltern muss passen und wir müssen besonnen bleiben, denn sonst wird es für viele Familien zum Problem werden.<BR /><BR /><b>Was ändert sich heuer gegenüber dem Schulbeginn 2020 aufgrund der sich stark ausbreitenden Delta-Variante?</b><BR />Falk: Mit der Delta-Variante steigt der Anteil der symptomatischen Fälle. Bis zu 80 Prozent der Kinder berichten bei dieser Variante über Symptome. Das bedeutet: Diese Fälle werden relativ schnell bemerkt werden.<BR /><BR /><embed id="dtext86-50335333_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Manche Eltern denken sich: Auch wenn ein Schüler geimpft ist, so kann er sich ja trotzdem infizieren und das Virus auch übertragen..</b><BR />Falk: Das passiert im Vergleich zu nicht geimpften Schülern wesentlich weniger häufig. Das ist eine ganz andere Größenordnung. Die Geimpften lösen keine Welle aus.<BR /><BR /><b>Was würden Sie Politikern in dieser Situation raten?</b><BR />Falk: Es braucht ganz klare Vorgaben, was man haben will. Und das fehlt meines Erachtens in Südtirol. Jeder Staat und jede Region hat sich da gewisse Ziele gesetzt. Singapur setzt auf Impfung, Vorsicht und darauf, die Zahlen mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten niedrig zu halten. Dänemark hingegen sperrt ohne jede Zusatzmaßnahmen die Schule auf. Was aber macht Südtirol? Hier scheint mir wartet man darauf, was passiert, da mittlerweile fast alles von Rom vorgegeben wird, jedoch ohne klare Zielvorgabe. Siehe Privacy und das Zuschauen müssen. Meist wird man dann am falschen Fuß erwischt. Alle fragen sich: Wie soll es jetzt weitergehen?<BR /><BR /><b>Welches Infektionsgeschehen erwarten Sie in nächster Zeit?</b><BR />Falk: Es gibt 2 Möglichkeiten: Es kann moderat bleiben, da sich die Ausbrüche wieder legen, oder die Infektionszahlen ziehen deutlich an. Die Delta-Variante ist sehr schnell. Laut einem Szenario wären wir in Südtirol bei moderatem Wachstum Anfang Oktober bei einer Wocheninzidenz von 150. Derzeit scheint ein Szenario mit einem stärkeren Wachstum eher zuzutreffen und dann wären wir schon bei einer Inzidenz von 230 bis 250. Wenn die Situation in den Schulen explosiv wird, kann es auch sein, dass wir diese Zahlen schon wesentlich früher erreichen.<BR /><BR /><b>Bleiben Sie dabei: Es wird keinen weiteren Lockdown geben?</b><BR />Falk: Ja, die derzeitigen Maßnahmen sollten ausreichend sein. Aber: Noch dazunehmen sollte man eine weitere Maßnahme. Wenn in einer Gemeinde die Zahlen zu hoch werden, sollte es dort Ein- und Ausreise-Testungen geben. Auch Geimpfte sollten dabei getestet werden.<BR /><BR />