<BR />Dr. Josef Widmann: Bevor Sie mir Fragen stellen, lassen Sie mich noch einmal sagen, wie betroffen wir alle im Sanitätsbetrieb sind. Wir fühlen mit den Familien, insbesondere den Eltern. Es ist aber auch für die Mitarbeiter eine schwierige Situation. <BR /><BR /><b>Wie ist die Lage derzeit in der Abteilung?</b><BR />Dr. Widmann: Die Abteilung ist nach wie vor offen und es werden zehn Frühchen dort betreut. Sie sind alle wohlauf. Drei werdende Mütter mit Komplikationen, die zu Frühgeburten vor der 32. Schwangerschaftswoche führen können, wurden vorsorglich nach Trient, Verona und Padua verlegt. <BR /><BR /><b>Stimmt es, dass es weitere Infektionen bei den Frühchen gibt? Und auch noch ein zweiter Erreger gefunden wurde?</b><BR />Dr. Widmann: Vier der Frühchen wurden kolonisiert, nicht infiziert. Das ist ein Unterschied. Die Neugeborenen weisen keine Symptome auf. Es geht ihnen gut, sie sind stabil. Positiv ist auch, dass es sich laut ersten Analysen nicht um einen multiresistenten Keim handelt. Zum zweiten Punkt kann ich im Moment nichts sagen: Es sind noch nicht alle Laborergebnisse eingetroffen. Ich habe das nicht schwarz auf weiß. <BR /><BR /><b>Gibt es neue Erkenntnisse, wie es zur Infektion der Frühgeborenen kommen konnte?</b><BR />Dr. Widmann: Klar ist, Serratia marcescens steht in direktem Zusammenhang mit dem Tod der beiden Patienten. Wir haben den Aufarbeitungsprozess begonnen, und es gibt erste Hinweise, die aber erst noch bestätigt werden müssen. Auch in einer Intensivstation besteht prinzipiell das Risiko für Infektionen durch verschiedene Erreger. Verschiedene Maßnahmen im Hygienebereich minimieren dieses Risiko. In diesem speziellen Fall könnte Serratia marcescens in bestimmten Seifenreinigungsmitteln vorhanden gewesen sein, die in der Abteilung zur Anwendung kamen. Wir haben daher das entsprechende Produkt in einem Rundschreiben aus allen Krankenhäusern zurückgezogen. <BR /><BR /><b>Damit könnte die Quelle gefunden sein. Das erklärt aber nicht, wie der Erreger zu den Kindern kommen konnte?</b><BR />Dr. Widmann: Gerade bei der Intensiv-Neonatologie handelt es sich um eine hoch spezialisierte Abteilung mit großem Know-how und höchsten hygienischen Standards, die penibel befolgt werden. Diese Vorsichtsmaßnahmen sind in einem Hygieneprotokoll festgeschrieben und unerlässlich im Umgang mit derart fragilen Patienten, die derart gefährdet sind bei jedweder Infektion. Auch die Eltern werden eingewiesen und müssen die Hygienemaßnahmen strikt einhalten. Trotzdem kann es zu Ausbrüchen kommen. Die Ursachenforschung ist aufwendig und manchmal nicht schlüssig. Die Übertragung erfolgt jedenfalls über Kontakt, das ist Tatsache.<BR /><BR /><b>Welche Maßnahmen und Konsequenzen zieht man aus den Todesfällen?</b><BR />Dr. Widmann: Die erste Maßnahme war die angesprochene Verlegung der Gebärenden vor der 32. Schwangerschaftswoche. Auch nehmen wir keine weiteren Hochrisikopatientinnen dieser Art dieser Tage auf. In der kommenden Woche soll die gesamte Neugeborenen-Intensivstation vorübergehend in die ehemalige Intensivstation im alten Gebäude umziehen, für eine Komplett-Sanifizierung der eigentlichen Abteilung. Wie wir ansonsten unsere Hygienevorschriften und Vorsichtsmaßnahmen noch weiter verschärfen könnten, sehe ich nicht. Wir werden aber sicher in den kommenden Tagen und Wochen das Thema vertiefen. <h3> Der Erreger Serratia marcescens</h3>Das Bakterium Serratia marcescens kommt überall im Boden, Wasser, auf Tieren und Pflanzen vor und ist in der Regel ein harmloser Destruent biologischer Stoffe. Auch für einen gesunden Menschen stellt das Bakterium keine Gefahr dar. Dennoch ist es ein fakultativer Krankheitserreger und kann bei immungeschwächten Personen u.a. Harnwegsentzündungen, Sepsis, Pneumonie, Endokarditis und Meningitis verursachen. Weltweit sind zahlreiche Ausbrüche innerhalb von Gesundheitseinrichtungen bekannt, insbesondere auf Neugeborenen- und Kinderintensivstationen.