Im Interview mit s+ spricht er außerdem über eine mögliche neue Taktik der Wölfe. <BR /><BR /><b>Das Beispiel der Schweiz wird gerne angeführt, wenn es um funktionierenden Herdenschutz vor dem Wolf geht. Wie gut funktioniert das tatsächlich in der Schweiz?</b><BR />Marcel Züger: Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel aus der heurigen Almsaison, die bereits jetzt ausgesucht schlecht gestartet ist. Erst vor wenigen Tagen sind in Graubünden 70 Schafe über Felsen abgestürzt, 45 sind dabei verendet. Man weiß, dass sich in diesem Zeitraum in diesem Gebiet ein Wolfsrudel aufgehalten hat. Und es ist davon auszugehen, dass die Schafe von dem Rudel über den Felshang getrieben wurden. Es kann sein, dass die Schafe „nur“ erschreckt geflüchtet sind. Es kann sich aber auch um eine neue Taktik der Wölfe handeln. Dabei war die Herde – 1500 Tiere – von 6 Herdenschutzhunden bewacht. Nach dem Buchstaben waren sie also „geschützt“. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="784370_image" /></div> <BR /><BR /><b>Das klingt ja fast nach strategischem Vorgehen der Wölfe?</b>Züger: In der Schweiz sind diese abgestürzten Tiere der erste solche Fall. Aber in Frankreich kennt man dieses Vorgehen schon länger. Die Wölfe treiben dort die Schafe bewusst über Klippen – und haben dann einen reich gedeckten Tisch. <BR /><BR /><b>Eine intelligente Leistung...</b><BR />Züger: Das macht die Sache mit den Wölfen ja so schwierig. Sie sind sehr intelligente Tiere. Sie werden uns immer austricksen. Das ist ein stetes Hin und Her, es gibt nicht den einen Zustand, und so ist es dann. Eine Maßnahme zum Herdenschutz kann hier und jetzt funktionieren, doch früher oder später werden die Wölfe sie überwinden. Das führt zu einem Wettrüsten, die Herdenschutzmaßnahmen müssen aufwändiger werden: mehr Hunde, mehr und höhere Zäune. Doch der einzige wolfssichere Zaun war der Eiserne Vorhang zwischen West- und Ostdeutschland. Alles andere wird früher oder später überwunden. Doch die Intelligenz der Tiere hat auch ihren Vorteil: Man kann sie erziehen.<BR /><BR /><b>Sprechen Sie auf das Vergrämen an?</b><BR />Züger: Nein, da macht der Wolf ja gerade die unerwünschte Erfahrung, dass ihm nicht wirklich etwas passiert. Gummischrot schmerzt 30 Sekunden, aber danach hat er das Schaf. Das nimmt er mit der Zeit in Kauf. Das gleiche gilt für Elektrozäune, es schmerzt kurz und dann hat er das Schaf. Nein, Wölfe müssen ein-, zweimal wirklich schreckliche Erfahrungen machen. Dazu braucht es ein rigoroses Wolfsmanagement.<BR /><b><BR />Also Abschüsse?</b><BR />Züger: Ja. Wir müssen ihnen ihre Grenzen setzen, die roten Linien – räumlich –, die sie nicht überschreiten dürfen. Und wenn doch, werden sie gejagt. Das gehört zur Wolfslogik: „Du bist schwächer und langsamer als ich, dann bist du mein Futter. Ich bin schwächer und langsamer als du, dann bin ich dein Futter“. Wölfe sind Raubtiere, das liegt in der Natur ihres Wesens. Und wir müssen ihre Sprache sprechen – und wegkommen von der romantisch-verherrlichten Natursicht, die den Wolf zur Ikone macht. Auch weil auf lange Sicht nicht mehr nur ein paar gerissene Schafe die Folgen sein werden. <BR /><BR /><b>Wie meinen Sie das?</b><BR />Züger: Schon jetzt verlagert sich das Problem: Mittlerweile greifen Wölfe schon Jungrinder an. Und die Landwirte werden das nicht mehr lange mitansehen. Sie werden diese naturnaheste Nutztierhaltung auf den Almen früher oder später einstellen. Die intensive Landwirtschaft mit ausschließlich Stallhaltung hat keine Probleme mit dem Wolf. Es sind die kleinen Bauern, die am meisten für das Tierwohl unserer Nutztiere sorgen. Wolf-Befürworter schützen vergleichsweise wenige Wölfe, indem sie das Tierwohl Tausender Nutztiere einschränken. <BR /><BR /><b>„D“: Sehen Sie auch eine Gefahr für Menschen?</b><BR />Züger: Scheu zu sein, war für Wölfe über Jahrhunderte die richtige Überlebensstrategie – solange sie bejagt wurden. Heute gilt das Gegenteil: Den Frechen gehört die Welt! Die Wölfe merken, dass sie vom Menschen nichts zu befürchten haben und werden immer dreister. Je mehr er sich an den Menschen gewöhnt, desto mehr wird er sich in unserer unmittelbaren Nachbarschaft niederlassen. Für die Wölfe ist unsere Landschaft wie ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse. Der nächste Schritt ist absehbar. Wenn die Wölfe lernen, dass sie mit Aggressivität noch einfacher zum Ziel kommen, dann werden sie zu einer echten Gefahr für die Bevölkerung.