An Epidermolysis Bullosa (EB) leiden in Südtirol nur 30 Personen - im Alter von 0 bis 65 Jahren, in Italien sind es ungefähr 1000, in Österreich ca. 500 und europaweit 30.000. Je nach EB-Typus können sowohl Haut, Schleimhäute als auch innere Organe, wie Mund, Gaumen, Speiseröhre, der Magen-Darm-Trakt, der Urogenitaltrakt, die Atemwege oder die Lunge von der Erkrankung betroffen sein. Schon durch kleine Bewegungsreize können so Blasen und Wunden entstehen. Ausgelöst wird die unheilbare Krankheit durch einen Gendeffekt. Gehen, sitzen, essen, sich frei bewegen… all das ist für Schmetterlingskinder, Jugendliche und Erwachsene mit EB nur unter Schmerzen machbar. Die alltäglichsten Dinge werden zu großen Herausforderungen. Bei manchen Formen der EB ist auch die Lebenserwartung erheblich verkürzt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="740099_image" /></div> <BR /><BR />Auch Anna Faccin kam 1990 mit dieser Krankheit zur Welt. Ihre Mutter Isolde Mayr Faccin realisierte schnell, dass man damit ziemlich alleine da steht und gründete den <a href="https://www.debra.it/de/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Verein DEBRA Südtirol</a>. Mit Herzblut, Weitsicht, Willenskraft und unermüdlichem Einsatz vernetzte sie sich gemeinsam mit Unterstützern mit verschiedenen Organisationen, Medizinern und den anderen DEBRA-Vereinen etwa in Österreich, knüpfte wichtige Kontakte und schuf damit eine essentielle Anlaufstelle für Betroffene. Bis 2021 stand sie dem Verein als Präsidentin vor und war nicht nur Mutter ihres eigenen Schmetterlingkindes Anna, sondern gleichzeitig wie eine Mutter auch für all die anderen betroffenen Kinder und deren Familien. 2021 dann der unfassbare Schicksalsschlag. Isolde Faccin starb plötzlich und unerwartet im Alter von 58 Jahren an einem Herzinfarkt. Ein Schock, der immer noch tief sitzt. Und trotzdem musste und muss das Leben und der Einsatz für die Schmetterlingskinder weitergehen. Anna nahm alle Kraft zusammen und trat das Erbe ihrer Mutter an und übernahm die Präsidentschaft des Vereins. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="740102_image" /></div> <BR />Wie wir im Gespräch immer wieder heraushören: Annas Mutter ist immer noch sehr präsent und gleich wie auch Isolde es immer getan hat nimmt auch Anna sich zurück, auch ihr geht es nicht so sehr um ihr persönliches Schicksal, als vielmehr um das Große Ganze, um die gesamte Schmetterlingskinder-Community, um die Vernetzung, um die Forschung und um verbesserte Lebensqualität, mit dem Ziel die Krankheit irgendwann heilen zu können. <BR /><BR /><b>STOL: Wie kann man sich das Leben mit Epidermolysis Bullosa vorstellen? Wie meistern Sie Ihren Alltag?</b><BR />Diese Erkrankung verursacht bei geringster mechanischer Belastung schmerzhafte Blasen und Wunden am ganzen Körper.Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir uns nicht stoßen, dass wir unsere Schritte behutsam setzen, bei jeder Tätigkeit und bei jeder Bewegung. Trotz aller Vorsicht sind Verletzungen aber nicht zu vermeiden. Es ist es ein Alltag voller Wunden, die auch chronisch werden können. Es juckt, es schmerzt, es ist belastend. Diese Wunden sind vergleichbar mit Verbrennungen 3. oder 4. Grades. Häufig kommt es zu Handverwachsungen, oft ist eine Amputation der letzte Ausweg. Viele sind auf den Rollstuhl angewiesen. Einen guten Teil des Tages müssen wir außerdem für unsere Wundversorgung aufbringen, die Pflege ist sehr aufwändig und muss sorgfältig gemacht werden, denn wenn der Körper voller Wunden ist, ist das im Falle einer Infektion potentiell lebensgefährlich. Die Kosten für das spezielle Verbandsmaterial und Spezialsalben belaufen sich zwischen 8000 und 10.000 Euro im Monat, die die Krankenkasse zu 100 Prozent übernimmt. Aufgrund unserer Erkrankung müssen wir natürlich auch auf angemessenen Kleidung achten, die aus weichen Materialien bestehen muss, und auf das, was wir essen. Eine harte Jeans anzuziehen oder Chips zu futtern sind ein NO-GO. Vor allem Menschen, die unter einer schweren Form von EB leiden und bei denen die Speiseröhre betroffen ist, essen praktisch nur Püriertes. Es gibt Patienten, deren Speiseröhre so vernarbt ist, dass sie gar nicht mehr eigenständig schlucken können. <BR /><BR /><b>STOL: Mit welchen Beschwerden haben Betroffene außerdem zu kämpfen?</b><BR />Ganz vielen von uns fallen die Haare aus, weil auch die Kopfhaut stark verwundet ist und auch Zahnprobleme stehen auf der Tagesordnung. Da uns dieses Protein fehlt, haben wir keinen Zahnschmelz. Und natürlich ist auch die Haut im Mund äußerst empfindlich, sodass wir unsere Zähne nur mit sehr weichen Bürsten putzen können, in Härtefällen muss eine Mundspülung reichen. Für eine Zahnbehandlung müssen wir meist zu spezialisierten Ärzten außerhalb von Südtirol fahren, etwa in die Dentalschool in Turin. In der Pandemie machten uns die Masken zu schaffen, die die Haut sehr strapazierten. <BR /><BR /><b>STOL: Sie sagten, die Wunden sind vergleichbar mit starken Verbrennungen und vermutlich läuft auch die Wundversorgen teils nur unter Schmerzen ab. Wie gehen die Betroffenen um mit so viel Schmerz?</b><BR />Der Leidensdruck ist wie bei allen Dingen des Lebens eine sehr individuelle Sache und natürlich auch so zu respektieren. Viele von uns erleben den Schmerz ein Leben lang wie eine schwarze Wolke, andere können ihn recht gut in den Hintergrund schieben. Die individuelle Schmerztherapie ist deshalb bei EB ein sehr wichtiger Teil der Behandlung. Denn: Man kann den Schmerz positiv beeinflussen. <a href="https://www.debra.it/CustomerData/344/Files/Documents/infoblatt-schmerzmanagement.pdf" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">(Mehr zu Schmerztherapie erfahren Sie auf der Homepage von DEBRA)</a><BR /><BR /><b>STOL: Wie ist Ihre persönliche Strategie?</b><BR />Ich versuche meinem Leben unabhängig von der Krankheit einen Sinn zu geben. Ich bin berufstätig, arbeite als Inspektorin beim Sanitätsbetrieb, habe einen Mann, einen Sohn und bin im Verein sehr aktiv. Auch wenn meine Haut vielfach Entscheidungen beeinflusst, versuche ich alles mit einer gewissen Leichtigkeit zu nehmen. Natürlich erlebe auch ich nicht nur gute Tage. Sehr geholfen hat mir persönlich die Spoon Theory (Löffel Theorie), um meinen Tag bzw. meine Energie gut und sinnvoll einzuteilen. Die Löffel-Theorie ist in der Community der Menschen mit chronischen Erkrankungen oder behinderten Menschen inzwischen schon ziemlich verbreitet. Morgens hab ich 12 „Löffel“, also Vorrat an Energie, zur Verfügung, mit denen ich über den Tag auskommen muss. Deshalb ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein und entsprechend die Aktivitäten ressourcenschonend und sorgsam zu planen. Auch wenn ich es noch so gerne möchte, manchmal geht eben nicht all das, was eigentlich anstehen würde. Mit dem klaren Bewusstsein um die Endlichkeit dieser Ressourcen, lassen sich Aktivitäten und Termine daher letztendlich wesentlich entspannter planen. Außerdem hilft es mir dabei, Prioritäten zu setzen und manche Dinge vielleicht mal ganz ausfallen zu lassen. Das ist allerdings nicht so schlimm. Ich liebe das Leben trotz aller Widerstände und genieße es. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="740105_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Wie begegnen andere Menschen euch und was wünschen Sie sich von der Gesellschaft und Politik?</b><BR />Wie viele Menschen mit einer Krankheit oder Behinderung, haben auch wir immer wieder mit unterschiedlichsten Hürden, unangenehmen Kommentaren oder Blicken zu kämpfen. Von meiner Mama habe ich schon als Kind gelernt, dass Neugierde Teil der Menschen ist und ich verstehe, wenn Fragen in Bezug auf unsere Krankheit auftreten. Da bin ich sehr offen. Aber es gibt Grenzen und die stecke ich für mich auch ab. Wir möchten respektvoll behandelt werden, ganz normal, aber auch nicht bemitleidet. Wir sind nämlich keine Helden und auch keine Opfer. Ich bitte Politik und Gesellschaft um einen respektvolleren und offeneren Umgang mit unseren Zielen und Wünschen. Denn auch Menschen mit Behinderung und Erkrankungen sollte wie allen anderen ein Recht auf selbstbestimmtes Leben, Arbeit, Beruf, Berufung, auf Wohnen, auf Familiengründung und Partnerschaft zugestanden und durch verschiedenste Hilfen ermöglicht werden, anstatt uns Steine in den Weg zu legen. Denn wie schon meine Mutter immer sagte: „Nichts ist unmöglich, auch nicht für Menschen wie uns.“<BR /><BR /><embed id="dtext86-53072360_quote" /><BR /><BR /><b><BR />STOL: Wie hilft DEBRA den Betroffenen konkret?</b><BR />Anna Faccin: Dadurch, dass wir so wenige sind, zählt jeder Kontakt, jeder Austausch. Im deutschsprachigen Raum kennen wir uns eigentlich alle. Engen Kontakt pflegen wir seit über 30 Jahren etwa mit DEBRA Salzburg, die Vorreiter auf dem Gebiet waren und immer noch sind. Die Selbsthilfeoragnsiation DEBRA Südtirol betreut 35 Familien. Wir haben 3 Hauptaufgaben. An 1. Stelle stehen natürlich die Patienten und oberstes Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und sie bei all den Dingen zu unterstützen, die anfallen. Wir finanzieren unter anderem Perücken mit und auch Rollstühle. Der Sanitätsbetrieb übernimmt zwar die Kosten für eine Perücke alle 30 Monate und einen Rollstuhl alle 6 Jahre, das ist aber zu wenig. Zudem unterstützen wir die Familien beim Kauf der Grundausstattung für Babys und Betroffene, die ihre Träume und ein selbstbestimmtes Leben verwirklichen wollen. Wir haben hier in Südtirol einen jungen Mann, der den Beruf des Mechanikers ausübt. Ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Wir unterstützen ihn beim Kauf von speziellen, weichen Leder-Handschuhen, mit denen er den Beruf besser bewältigen kann. Zudem erfüllen und organisieren wir Herzenswünsche. Die 2. wichtige Aufgabe des Vereins ist es, Ärzte miteinander zu vernetzen und ihre Weiterbildung zu unterstützen. Die 3. Hauptaufgabe von DEBRA ist es, die Forschung voranzutreiben. Noch gibt es keine Medizin und Heilung für EB. Die Behandlung beschränkt sich momentan auf eine möglichst gute und tägliche Wundversorgung und periodische operative Eingriffe etwa bei zusammengewachsenen Fingern, zur Dehnung einer verengten Speiseröhre oder zur Zahnsanierung. Wissenschaftler rechnen mit der Entwicklung einer Heilungsmethode innerhalb der nächsten 10 Jahre. Dafür braucht es natürlich Geld. In Südtirol und Italien konnten, dank der finanziellen Förderung durch DEBRA, viel versprechende Forschungsprojekte gestartet und erste interessante Ergebnisse erzielt werden. Die Hoffnung auf Heilung und Therapie ist groß und berechtigt. <BR /><BR /><b>STOL: Frau Faccin, das wünschen wir Ihnen alle sehr! Was kann die Gesellschaft tun, um die Schmetterlingskinder zu unterstützen?</b><BR />Anna Faccin: Derzeit gibt es zwar noch keine Heilung für EB, aber mit Ihrer Hilfe, kann DEBRA den Schmetterlingskindern helfen! Sie können Mitglied von DEBRA Südtirol - Alto Adige werden oder spenden. Außerdem jährt sich am morgigen 28. Februar 2022 zum 15. Mal der Welttag der seltenen Krankheiten. Darum wird die Solidarität mit Menschen, die an einer seltenen Erkrankung leiden, zur Abwechslung eine süße Note erhalten: In sämtlichen Filialen der Bäckerei Mein Beck werden an diesem Tag „Schmetterlingskrapfen“ verkauft. Der Erlös geht an uns Schmetterlingskinder. „Wir sind tief berührt von der Hilfsbereitschaft, dem Einfühlungsvermögen und der Professionalität von Mein Beck“, so Anna Faccin, und fügt hinzu: „Wir sind sicher, dass sich viele Südtiroler am Kauf dieser schönen bunten Version ihrer beliebten Krapfen beteiligen werden.“<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="740108_image" /></div>