„Grundsätzlich gilt: Sexualisierte Gewalt kann allen Menschen jeglichen Alters oder Geschlechts in jeder sozialen Stellung widerfahren“, erklärt Projektleiterin Gundula Ludwig. An der Studie haben bisher Menschen teilgenommen, deren erste sexualisierte Gewalterfahrungen im Kleinkindalter begannen, und solche, die schon erwachsen waren. „Menschen, die schweren Missbrauch in der Kindheit erlebten und jene, denen Gewalt in der ersten intimen Beziehung widerfuhr“, führt Projektmitarbeiterin Laura Volgger aus. <h3> Täter meistens erwachsene Männer </h3>Die Gewalt sei von unterschiedlichen Personen ausgegangen, darunter Verwandte, Familienfreunde, die eigenen Eltern, Priester, Vereinsleiter, Kapellmeister, Anwälte oder Unbekannte. Dabei zeige sich eine vergeschlechtlichte Tendenz: Die Täter seien meistens erwachsene Männer, die Betroffenen weiblich. <BR /><BR />„Sexualisierte Gewalt beginnt nicht erst bei schwerem Missbrauch oder Vergewaltigung. Sie passiert oft sehr viel früher, subtiler, bahnt sich langsam an“, erläutert die Kollegin von Gundula Ludwig, Julia Ganterer. „Sie beginnt als sexistischer Witz, als vermeintlich zufälliges Begrapschen, das toleriert wird, wenn niemand reagiert und dadurch diese ,Normalität' der Gewalt nicht gebrochen wird“, ergänzt Gundula Ludwig. Dieses Wegschauen und Nicht-Reagieren begünstige das Gewalthandeln. <BR /><BR />Die 24 geführten Interviews verdeutlichen: Die Folgen sexualisierter Gewalt sind ungleich verteilt.<h3> In keinem Fall ist es zu einer Anzeige gekommen</h3>„Während das Gewalthandeln für Täterinnen und Täter in aller Regel keine Folgen mit sich bringt und sie ihr Leben meist ohne Konsequenzen unbeschwert weiterleben können, haben Betroffene mit zahlreichen Folgen – etwa der Verarbeitung des Gewalterlebens in unzähligen Therapiestunden oder der Arbeit im Falle einer Anzeige – zu kämpfen“, berichtet Laura Volgger. Das oft ein Leben lang. „Bislang haben wir bei den 24 Interviews allerdings kein einziges Mal erfahren, dass es zu einer Anzeige gekommen ist.“ <BR /><BR />Für die Betroffenen bedeutete die Teilnahme an der Studie oft eine große Erleichterung. „Sie konnten über das Erlebte in einem nicht-therapeutischen und anonymen Rahmen sprechen und das Erfahrene gewissermaßen loswerden oder teilen“, sagt Co-Projektleiterin Julia Ganterer. Für viele sei es seit Jahrzehnten das erste Mal gewesen, darüber zu sprechen – und zwar in der Rolle als Expertin oder Experte.<h3> Wie kann Aufarbeitung gelingen? </h3>Ziel der Studie ist es auch, einen Beitrag zu leisten, das Thema zu enttabuisieren und Wege der Aufarbeitung aufzuzeigen. Wie können sie aussehen? „Da wir uns gerade mitten in der Auswertungsphase befinden, haben wir dazu noch keine endgültigen Antworten“, sagt Gundula Ludwig. Aber grundsätzlich gelte: zuhören, hinschauen, auf Signale achten. Nicht davon ausgehen, Betroffene müssten gewisse Merkmale oder Eigenschaften aufweisen, müssten emotional aufgelöst sein. „Sexualisierte Gewalt kann alle treffen“, erklärt Julia Ganterer. <h3> „Sexismus beim Namen nennen“</h3>„Wenn wir mit dieser Normalisierung von Gewalt in unserer Gesellschaft brechen wollen: Sexismus – ob zu Hause, in der Verwandtschaft, am Familienesstisch, im Fitnessstudio, im Büro, im Bus oder auf offener Straße – beim Namen nennen und sich davon distanzieren“, rät sie. „Es braucht zudem viele Aufklärungskampagnen: in Kindergärten, Schulen, Vereinen, in der Öffentlichkeit. Und es braucht viel mehr Unterstützungsangebote, damit Betroffene eine gute und umfassende Unterstützung in der Aufarbeitung des Erlebten erfahren“, schließt Laura Volgger.