Im Vorjahr wurde ein startbereites Projekt zur Aufarbeitung der unrühmlichen kirchlichen Vergangenheit gestoppt. Im zweiten Anlauf setzt die Diözese auf die Zusammenarbeit mit dem Institut für Safeguarding in Rom, das vom weltweit bekannten Missbrauch-Experten P. Hans Zollner geleitet wird. <BR /><BR />„Als Bischof habe ich mich entschieden, dass wir uns der Wirklichkeit der Missbrauchsfälle in unseren eigenen Reihen stellen.“ Mit diesem Satz ließ Bischof Ivo Muser kürzlich beim Empfang für die Chefredakteure und die Journalistenvertretung aufhorchen. <BR /><BR />Also doch die Vorgangsweise, die viele andere Diözesen gewählt hatten und die ihnen negative Schlagzeilen, der Reihe nach Prozesse und Schadenersatzforderungen in horrenden Höhen einbringt? Dort wurden zuerst – meist von externen Fachleuten – mit der Hilfe von Betroffenen und Archivarbeit ausführliche Missbrauchsberichte erstellt, es folgten öffentliche Vergebungsbitten und die Aufarbeitung mit Opfern und vor Gericht. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58014806_quote" /><BR /><BR />Schon der Titel des Südtiroler Weges verrät, dass hier eine andere Richtung eingeschlagen wird, die Route aber führt an der Aufarbeitung des Vorgefallenen und Vertuschten nicht vorbei. Das Projekt „Mut zum Hinsehen“ starte nicht mit der Vergangenheit, sondern „mit der Zukunftsvision: die Kirche als sicherer Ort für Minderjährige und schutzbedürftige Personen“, betonte Bischof Muser.<BR /><BR />„Zu diesem Mut zum Hinsehen gehört auch, dass wir couragiert in die Vergangenheit schauen und sehen, dass die Kirche leider kein sicherer Ort für Minderjährige war“, erklärt der Priester und Psychologe Gottfried Ugolini, der seit 10 Jahren als Referent der Diözese für Prävention von sexuellem Missbrauch und Gewalt das unangenehme Thema in der Ortskirche voranbringt. Neben dem Blick zurück gehe es vor allem um Gegenwart und Zukunft – also um die Fragen, was Opfer brauchen und was verändert werden muss, damit solche Taten verhindert werden. Daher baut das Konzept auf 3 Arbeitsschritten auf: Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention.<BR /><BR />Und das sind voraussichtlich nicht einige kurze Schritte, sondern mehr ein Marsch, der Zeit und Ausdauer verlangt. Ugolini schätzt, dass der gesamte Prozess „2 bis 3 Jahre“ dauern werde. Den ersten Schritt setzt Bischof Muser, der das Vorhaben in den 4 zentralen Bereichen <b>Pastoral</b> (Seelsorge), <b>Bildung</b> (Schulen, Heime), <b>Caritas</b> und <b>Verwaltung</b> (Bischöfliches Ordinariat) in den kommenden Monaten vorstellt. Diese bilden jeweils eine Arbeitsgruppe, in der interne und externe Fachleute eingebunden sind. Diese führen in ihrem Bereich die 3 Arbeitsaufträge (Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention) durch. <BR /><BR /><Zwischentitel>Laufend die Öffentlichkeit informieren</Zwischentitel><BR /><BR />Über diesen 4 Arbeitsgruppen sorgt eine zentrale <b>Steuerungsgruppe</b> dafür, dass das Projekt vorankommt und die Arbeitsaufträge ausgeführt werden. Geleitet wird dieses Gremium von Gottfried Ugolini, dazu kommt eine oder ein Betroffener, ein Organisationsberater sowie jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter der Untergruppen. Ein Projektbeirat aus externen Fachleuten sorgt dafür, dass der gesamte Prozess auch mit sachlicher Nüchternheit von außen bewertet wird. <BR /><BR />Wichtig ist der Diözese bei diesem Vorhaben auch das Licht der Öffentlichkeit. Daher wird das Amt für Medien und Kommunikation auf der Homepage der Diözese laufend über die Arbeiten und Ergebnisse informieren. Dort wird eine eigene Plattform eingerichtet, um sich über das Projekt und dessen Umsetzung austauschen zu können. <BR /><BR />Alles zusammen klingt nach reichlich viel Sitzungen, Protokollen und Papier – besteht nicht die Gefahr, dass Untaten von diesem Nebel der Geschäftigkeit verdeckt werden und bleiben? „Im Gegenteil, denn durch die Einbeziehung möglichst vieler können Betroffene, Mitwissende und Verantwortliche zur Aufklärung der Missbrauchsfälle beitragen. Durch Aufrufe, Fragebögen und Gesprächskreise werden Informationen eingeholt, da die Archive unzuverlässig sind. Dabei soll auch aufgezeigt werden, wie die Verantwortlichen bei Meldungen und Aufdeckungen vorgegangen sowie wie sie mit Betroffenen und beschuldigten Tätern umgegangen sind“, sagt Ugolini. Archivarbeit allein genüge nicht. „Durch diese partizipative Vorgangsweise soll bereits ein Prozess der Veränderung angestoßen werden, damit die Kirche Südtirols ein sicherer Ort für Minderjährige ist.“<BR />