Damit Feuerwehrleute nicht einfach hilflos dastehen, wenn jemand im Kalterer See ertrinkt, wurde vor 50 Jahren Tauchergruppe der Freiwilligen Feuerwehren des Bezirks Bozen gegründet.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="716870_image" /></div> <BR /><BR /><b>Vor 50 Jahren wurde die Gruppe in St. Josef am See gegründet. Gab es ein traumatisches Ereignis, das dieser Gründung vorausging oder war es einfach eine Notwendigkeit?</b><BR />Wolfgang Sinn: Es gab immer wieder Unfälle am Kalterer See. Damals rückte bei Badeunfällen der Bademeister mit dem Schnorchel aus und versuchte sein Glück. Wenn er die Person nicht retten konnte, wurden die Carabinieri-Taucher aus Triest angefordert – das dauerte natürlich. Da haben 3 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr St. Josef am See beschlossen, dass man als Feuerwehr nicht einfach hilflos zusehen könne. Sie haben sich die Ausrüstung gekauft und einen Tauchkurs gemacht. So hat alles angefangen. 10 Jahre später kamen dann 2 Taucher in Montiggl dazu. <BR /><BR /><b>Wo waren die Feuerwehrtaucher dann im Einsatz?</b><BR />Sinn: Sie wurden eine Zeitlang aus dem ganzen Land angefordert. Die Berufsfeuerwehr hat in den 1990er-Jahren die ersten Taucher ausgebildet, die Wasserrettung wurde 1992 gegründet. Unser Haupteinsatzgebiet war und ist aber natürlich der Raum Überetsch. <BR /><BR /><b>Gab es denn vor 50 Jahren viel zu tun für die Taucher?</b><BR />Sinn: Badeunfälle gab es nur wenige, aber die verliefen meist tödlich. Die Aktivität hat im Laufe der Jahre deutlich zugenommen, auch, weil sich immer mehr Wassersportarten etabliert haben: Segeln, Surfen, Tretbootfahren, Fischen, Schwimmen und Eislaufen im Winter. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="716873_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wo wir schon bei den aktuellen Gefahren des Wassers wären. Es beginnt zu frieren, wann darf man sich auf die Eisfläche trauen?</b><BR />Sinn: Ein Risiko bleibt immer. Ideal sind natürlich 10 bis 12 Zentimeter Kerneis, also durchsichtiges Eis, das kompakt schmilzt. Da kann man sich recht sicher fühlen. Von oben sieht man das aber eben nicht immer: Es kann auch sein, dass das Eis „faul“ ist, also die Schichten nicht homogen sind und damit leichter brechen. <BR /><BR /><b>Aber eigentlich ist kaltes Wasser fürs Überleben nach einem Unfall besser als warmes, oder?</b><BR />Sinn: Ja, das kann man so sagen. Besonders Kinder haben gute Chancen: Sie haben einen verhältnismäßig großen Kopf, kühlen schnell aus und verlieren das Bewusstsein. So stellen die Organe ihre Funktion auf ein Minimum, nur die lebenswichtigen Organe arbeiten weiter – mit dem verbleibenden Sauerstoff. Es gibt Berichte von geretteten Kindern nach 40 Minuten unter Wasser. <BR /><BR /><b>Aber generell muss man wohl sagen, dass der Job der Rettungstaucher eher bergen als retten ist, oder?</b><BR />Sinn: Ja, leider endet es oft damit, dass wir Tote aus dem Wasser ziehen müssen. Aber das Konzept in Südtirol ist aufs Retten ausgerichtet. Wenn eine Chance besteht, es also keine deutlichen Hinweise z.B. auf Selbstmord gibt oder die Suche schon viele Tage läuft, wird immer die gesamte Rettungsmannschaft, auch der Notarzt, alarmiert. <BR /><BR /><b>Wasser ist nicht das Element von uns Menschen, vielen fällt auch die Orientierung schwer – Zeugen haben immer wieder Schwierigkeiten, den Rettern gute Anhaltspunkte zu geben.</b><BR />Sinn: Ja, das stimmt. Ideal sind natürlich GPS-Punkte. Ansonsten kann man sich auch von dem Punkt, wo man beispielsweise eine Person untergehen sieht, im Geiste ein 90-Grad-Dreieck zu Anhaltspunkten am Ufer zeichnen. Ein Schiff eignet sich definitiv nicht als Anhaltspunkt, es treibt ab.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-52054681_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Heutzutage reicht es nicht, einfach einen Tauchkurs zu belegen, um Rettungstaucher bei der Freiwilligen Feuerwehr zu werden. Was braucht jemand, um Teil Ihres Teams zu werden?</b><BR />Sinn: Jeder von uns ist Feuerwehrmann, hat die Grundausbildungskurse absolviert. Wir haben unsere Basis im Überetsch. Wir suchen Leute, die im Überetsch ihren Lebensmittelpunkt haben und auch einsatzbereit sind, wo also auch der Arbeitgeber einer Freistellung für Einsätze positiv gegenübersteht bzw. die Leute selbstständig sind. Die Taucher sollten den 2. Grad des Tauchscheins vorweisen können und bereit sein, alle Spezialisierungskurse zu belegen – Nachttauchen, Eistauchen, Wracktauchen, Strömungstauchen, Orientierungstauchen. Dazu kommen dann etwa 20 Pflichtübungen und 25 Einsätze im Jahr. Ein Jahr ist das Probejahr, da kommen die Anwärter mit zu den Einsätzen und beobachten und lernen, danach fällt die definitive Entscheidung. Heute sind wir 18 Taucher. <BR /><BR /><b>Gibt es dann fixe Bereitschaften, damit immer jemand da ist?</b><BR />Sinn: Nein, wir suchen die Leute ja vorher aus und haben deshalb kein Problem damit. Bei uns sind in der Regel immer mindestens 5 Leute innerhalb der vorgesehenen Zeit in der Halle, um zum Einsatz zu fahren. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="716876_image" /></div> <BR /><BR /><b>Im vergangenen Jahr gab es wenige Notfall-Einsätze. Anfang des Jahres haben die Taucher im Mordfall Neumair/ Perselli eine wichtige Rolle gespielt.</b><BR />Sinn: In der Tat. Wir hatten heuer gut 30 Einsätze, 16 davon im Fall Neumair/Perselli. Abgesehen davon, dass wir bei minus 5 Grad Außentemperatur ins kalte Wasser tauchen mussten, waren diese Einsätze auch aus psychologischer Sicht belastend. Wir wussten, es hängt von uns ab, ob im Fall etwas weitergeht oder nicht. Es gab nie ein Problem, die Leute zu finden, das rechne ich ihnen hoch an. Wir sind tagelang getaucht, haben alles abgesucht und haben nichts gefunden. Immer wieder ordnete die Staatsanwaltschaft an, dass wir denselben Flussabschnitt absuchen sollten. Fast einen Container voller Kleider haben wir aus der Etsch geholt, nichts gehörte den Eheleuten. Das war frustrierend, es schien uns aussichtslos. Schließlich haben 2 Deichwachen den Körper von Laura Perselli gefunden – an einer Senke, dort war Kehrwasser, wir hatten mit dem Boot am Tag zuvor sogar eine Rast dort eingelegt. Ich glaube aber nicht, dass sie da schon dort gelegen hat. An dem Tag wurde der Etschpegel abgesenkt, leider war die Sicht schlecht, weil es bewölkt war. Wir haben uns gesagt: Wenn wir sie heute nicht finden, geben wir auf. Und da kam der unerwartete Erfolg: Um 11 Uhr früh wurde der Leichnam der Frau gefunden. <BR /><BR /><b>Welches ist Ihr Geburtstagswunsch zum halben Jahrhundert?</b><BR />Sinn: Wir sind 50 Jahre alt geworden, ohne einen unserer Männer im Einsatz zu verlieren, es gab auch keine schweren Unfälle. Das alles dank des Verantwortungsbewusstseins aller, aber auch, weil wir regelmäßig üben. Ich wünsche uns, dass das auch weiterhin so bleibt, dass wir weiter alle gesund von den Einsätzen zurückkehren. <BR /><BR /><b>Braucht es in 50 Jahren noch Rettungstaucher oder macht dann alles die Technik?</b><BR />Sinn: Das ist eine gute Frage. Es gibt ja viele technische Neuerungen, wir haben Sonargeräte, Tauchroboter, Kameras. Wir haben ja selbst einen Roboter von der Berufsfeuerwehr geerbt. Aber ich sage – und das haben wir auch im Fall Neumair/Perselli/Neumair gesehen: Letztlich haben Menschen den Erfolg geliefert, die Geräte waren wochenlang im Einsatz und haben nichts gefunden. Die Geräte haben einen Scheuklappenblick, der Mensch kann den Kopf auch einmal drehen oder er kann tasten. Ich denke, das wird es immer brauchen. <BR /><BR /><BR />