<b>Frau Oksana K., Sie sind jetzt bald 2 Jahre mit ihrem kleinen Sohn in Südtirol – zuerst in Meran und jetzt in Lana. Haben Sie noch die Hoffnung, dass der Krieg bald endet?</b><BR />Oksana K.: Ja, die Hoffnung lebt. Ich will, dass dieser Krieg endet und zwar so schnell wie nur möglich. <BR /><BR /><b>Sie sind am 17. März 2022 mit einer Gruppe von ukrainischen Frauen und Kindern in Meran bei den Salvatorianerinnen angekommen. Wie lange waren Sie unterwegs und wie lange dachten Sie damals, würde Ihr „Exil“ dauern?</b><BR />Oksana K.: Wir waren 3 Tage unterwegs. Und ich dachte mir, das wird jetzt 2, 3 Wochen dauern und dann können wir zurück. Und jetzt sind es schon bald 2 Jahre. Wir wurden vom Krieg verschleppt. Ich bin wegen meines damals 4-jährigen Sohnes geflüchtet, ich wollte ihn in Sicherheit bringen.<BR /><BR /><b>Erinnert er sich überhaupt noch an sein Zuhause?</b><BR />Oksana K.: Ja, er erinnert sich an unser kleines Haus, er vermisst unseren Kater Murtschik, den wir nicht mitnehmen konnten. Sein Vater schickt ihm Fotos vom Haus und von unserem Kater. Mein kleiner Vladimir, der hier den deutschen Kindergarten besucht, möchte so gerne heimfahren.<BR /><BR /><embed id="dtext86-63588695_quote" /><BR /><BR /><b>Wie erklärt man seinem Kind, was Krieg ist?</b><BR />Oksana K.: Vladimir erinnert sich noch an die lauten Sirenen, wie wir uns verstecken mussten, bevor wir Richtung Westen geflohen sind. Er weiß noch alles ganz genau. Und wenn er weint und nach Hause will, dann erkläre ich ihm, dass wir dort nicht sicher sind, dass unser Leben in Gefahr ist. <BR /><BR /><b>Sie mussten Ihr kleines Haus und Ihren Kater zurücklassen. Steht das Haus noch? Wer kümmert sich darum?</b><BR />Oksana K.: Mein Freund, Vladimirs Vater, und Freunde von uns schauen immer wieder nach dem Rechten. Und meine 2 Brüder sind auch noch dort, aber die sind beim Militär. Das Haus ist in Ordnung und leer. Leere Häuser werden oft auch von unseren Soldaten besetzt. Unseres noch nicht, aber wenn sie es bräuchten, würde mir das nichts ausmachen, schließlich verteidigen sie unser Land, unser Daheim.<BR /><BR /><b>Wie weit von Ihrem Zuhause entfernt verläuft die Grenze?</b><BR />Oksana K.: Unser Dorf mit nur 3000 Seelen liegt weniger als 100 Kilometer von der Front entfernt. Den Namen möchte ich nicht nennen, um niemand in Gefahr zu bringen.<BR /><BR /><b>Ihre 2 Brüder dienen im ukrainischen Heer. Haben Sie zu ihnen Kontakt?</b><BR />Oksana K.: Ja, Gott sei Dank, können wir uns über Video-Telefonie ganz normal hören und nochmals Gott sei Dank geht es den beiden bisher gut, auch wenn die Lage schwierig ist. Aber kämen die Russen, wäre es 10 oder gar 100-Mal schwieriger.<BR /><BR /><b>Sind noch alle Frauen hier in Südtirol, die damals mit Ihnen geflüchtet sind?</b><BR />Oksana K.: Nein, meine Freundin ist bereits im Dezember 2022 in die Ukraine zurückgekehrt. Das Nicht-Daheim-Sein hatte ihr psychisch so zugesetzt, dass sie es nicht mehr aushalten konnte. Man muss schon einen starken Charakter haben, um nochmals neu anzufangen.<BR /><BR /><b>Wie leben Sie in Südtirol?</b><BR />Oksana K.: Ich lebe im Annaheim in Lana und habe in der vergangenen Saison im Gastgewerbe gearbeitet und jetzt arbeite ich in einer Küche. Mir geht es hier gut und ich bin sehr dankbar, auch wenn mich das Heimweh plagt.<BR /><BR /><b>Was fehlt Ihnen hier in Südtirol am meisten?</b><BR />Oksana K.: Unser Dorf,das Leben dort und das Essen. Aber wir Frauen haben ja uns und wir kochen auch das, was wir zu Hause essen wie beispielsweise Borschtsch (eine Suppe mit Rohnen und Weißkohl, Anm. d. Red.) – mindestens einmal in der Woche (lacht).<BR /><BR /><b>Wir wollen es nicht hoffen, aber was tun Sie, wenn Putin den Krieg gewinnt?</b><BR />Oksana K.: Wenn das passieren sollte, was ich inständig nicht hoffe, dann gehen wir nicht zurück. Auch wenn uns unser Zuhause, unsere Heimat, sehr fehlen, aber unser Leben ist mehr Wert als Besitz.