Mit der Veranstaltung will die Gemeinde Brixen einen Beitrag zur Suizidprävention leisten und dem Thema Raum in der Öffentlichkeit geben.In der Stadtbibliothek las Golli Marboe aus seinem Buch „Notizen an Tobias“. Im Buch sammelte er Notizen, die er nach dem Suizid seines Sohnes Tobias geschrieben hatte. Anschließend haben wir ihn zum Interview getroffen.<BR /><BR /><b>Warum haben Sie nach dem Tod von Tobias ein Buch geschrieben?</b><BR />Golli Marboe: Ich begann einige Tage nach der Katastrophe zu schreiben, die Notizen waren an Tobias gerichtet. Es war also zunächst ein selbsttherapeutischer Grund. Bis heute passiert es außerdem häufig, dass Menschen mit Vertrauensbekundungen auf mich zukommen und mir anvertrauen, dass auch sie jemanden verloren haben oder eine bestimmte Krankheit ertragen müssen – immer gefolgt von dem Satz: „Bitte sag’s niemandem.“ Nach dem Suizid von Tobias empfand ich enorme Kraftlosigkeit, ich konnte absolut nicht nachvollziehen, warum man die wenige Kraft dafür aufwenden sollte, etwas zu verschweigen, was sich sowieso nicht verschweigen lässt. Nicht zuletzt bin ich überzeugt, dass das Thema einen öffentlichen Diskurs benötigt und uns alle beschäftigen sollte. Über Medien erreichen wir Menschen, die sich zurückziehen. Durch angemessene, achtsame und fundierte Information können Menschenleben gerettet werden. <BR /><BR /><b>Welche Gedanken beschäftigten Sie als Elternteil?</b><BR />Marboe: Ich gebe mir nicht die Schuld, wohl aber eine Mitverantwortung. Ich hadere etwa damit, dass ich über die psychische Gesundheit wenig wusste. Mit einem entsprechenden Wissen hätte ich vielleicht Tobias' Zustand besser einschätzen können. Wenn ein Kind sich ein Bein bricht, bringen wir es zum Facharzt. Aber bei psychischen Erkrankungen meinen wir, dass wir die Personen durch beruhigendes Zureden wieder aufrichten können. Wie kann das sein? Ich möchte deshalb mit dem Buch und meiner Arbeit einen Beitrag leisten, damit die Hinterbliebenen nicht allein gelassen werden. Das Thema soll enttabuisiert und die Betroffenen nicht mehr stigmatisiert werden. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56370068_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie hat Ihr soziales Umfeld auf den Suizid reagiert?</b><BR />Marboe: Es waren durchwegs liebevolle und hilfsbereite Gesten. Das Kondolieren empfand ich als sehr wichtig. Ob es ein Brief, eine SMS oder eine Suppe vor der Tür ist – die Geste zählt und die Botschaft, dass man an die Person denkt. Nach einigen Monaten gibt es von gesellschaftlicher Seite die Erwartung, die Trauer langsam ‚abzulegen‘. Aber wie soll ich das machen? Die Trauer um meinen Sohn wird mich ein Leben lang begleiten.<BR /><BR /><b>Was bleibt von Tobias?</b><BR />Marboe: Ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass Tobias uns von seiner Kunst und seiner Musik Vieles hinterlassen hat. Einige seiner Kunstwerke haben wir auf Karten drucken lassen. Wir behalten Tobias in guter Erinnerung und denken an die vielen schönen Momente zurück. Ich möchte Hinterbliebene in der Hoffnung bestärken, dass ein Wiedersehen mit den Verstorbenen möglich sein kann. <BR />