Die Geschichte ist so spektakulär wie – mit den heutigen Mitteln – unvorstellbar. Internet verbindet die Welt – im Guten wie im Schlechten. Heutzutage wäre das Foto einer vermissten Frau binnen weniger Stunden um die Welt gegangen, damals gab es nur das Fernsehen – und den guten oder weniger guten Willen und Enthusiasmus der ermittelnden Behörden.<BR /><BR />Drehen wir das Rad aber auf den 3. September 1990 zurück. Die letzte Spur, die der Familie von Evi Rauter blieb, war ein handgeschriebener Zettel in der Studentenwohnung ihrer Schwester Christine in Florenz. Am 3. September 1990 um etwa 8 Uhr früh verließ Evi Rauter die Wohnung und hinterließ folgende Nachricht: „Bin nach Siena gefahren, komme heute Abend zurück.“ <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="769448_image" /></div> <BR /><BR />Im Sommer hatte die junge Frau maturiert, zwei Auslandsaufenthalte gemacht und war dann noch zu ihrer Schwester in die Toskana gefahren – am 10. September sollte sie eine Arbeitsstelle in Bozen antreten. Dazu kam es aber nie. <BR /><BR />Wie bekannt wurde, hatte das junge Mädchen 60.000 Lire eingesteckt, den Personalausweis in der Handtasche verstaut und dann die Wohnung der Schwester mit unbekanntem Ziel verlassen. Jetzt weiß man: Sie fuhr in Richtung Spanien, wahrscheinlich mit dem Zug. Von Florenz aus konnte man in jener Zeit Portbou in 12 Stunden erreichen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="769451_image" /></div> <BR /><BR />Einige Pathologen und Gerichtsmediziner, Polizisten und Ärzte hat der Fall nicht losgelassen – der spanische Journalist Carles Porta hat viele Fakten zusammengetragen und immer wieder darüber berichtet. <BR /><BR />Auch ATV wurde auf die Geschichte aufmerksam und sammelte für die Sendung „Ungelöst – Cold Case Austria“ neue Fakten, die vor 3 Wochen, am 23. April, ausgestrahlt wurden. Diese Sendung sah eine Südtirolerin, die damals in Österreich war – sie erkannte Evi Rauter wieder und gab den entscheidenden Hinweis. Wie ATV und die Grazer „Kleine Zeitung“ heute berichten, haben die Eltern Hermann und Karolina und Schwester Christine Evi Rauter anhand der Bilder der Toten, ihrer Kleidung, Schuhe und der Uhr identifiziert. Jetzt haben sie die reale Gewissheit dessen, was juridisch seit 2011 eine Tatsache war: Evi Rauter ist tot. Damals hatte die Familie die Todeserklärung bei Gericht beantragt und erhalten. <BR /><BR />Evi Rauter hat nach ihrem Verschwinden keine 24 Stunden mehr gelebt. Bereits am 4. September 1990 wurde sie in den Morgenstunden gefunden – erhängt an einer Pinie zwischen Rathaus und Friedhofskapelle in Portbou an der Spanisch-Französischen Grenze. Damals wie heute zweifeln Experten daran, dass sich die junge Frau erhängt hat: „So erhängt sich niemand“, meinen sie unisono. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="769526_image" /></div> <BR /><BR />Fakt ist ebenso – und dieses Detail erklärt das Interesse des Österreichischen Senders an der Sache – dass 50 Meter neben dem Fundort der Leiche 5 junge Männer und eine junge Frau aus Österreich in Zelten schliefen. Sie waren damals zwischen 18 und 24 Jahre alt. Sie wurden von der Polizei befragt, allerdings – und das wird heute eingeräumt – war die Kommunikation auf Englisch damals recht dürftig und somit auch die Aussagen der jungen Österreicher. Sie hätten nichts mit der Sache zu tun und sie hätten auch nichts mitbekommen, erklärten sie im Polizeibericht. ATV machte die Adressen von 3 der damals Beteiligten ausfindig und kontaktierte einen von ihnen telefonisch. Der winkte ab: „Wir können und wollen nichts sagen – tut mir Leid“. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="769457_image" /></div> <BR /><BR />Der spanischen Polizei war es unmittelbar nach dem Auffinden des unbekannten Leichnams nicht gelungen, die letzten Stunden der jungen Frau zu rekonstruieren. Ebenfalls nicht gefunden wurde die Handtasche samt Inhalt, mit der sie verschwand. Sie trug nur ihre Kleider am Körper – ein türkises T-Shirt und eine Trägerjeans, zudem eine Armbanduhr. In Spanien hatte sie (noch) keine Unterkunft, auch Restaurant dürfte sie keines besucht haben. Vielleicht, weil sie eben in Begleitung von anderen war.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="769529_image" /></div> <BR /><BR />Die Kleidung , die Evi Rauter bei ihrem Auffinden trug, wurde damals in Spanien nicht verkauft, deshalb lag für die Polizei lediglich die Vermutung nahe, sie müsse aus einem anderen europäischen Nachbarland kommen. Es gab Bemühungen, Plakate in vielen italienischen Städten, 2 Auftritte bei „Chi l ha visto?“. <BR /><BR />Endlich, 32 Jahre später, hat die unbekannte Frauenleiche einen Namen. Forensisch wird der Identitäts-Nachweis aber wohl nicht mehr zu erbringen sein. Der Leichnam der bis vor wenigen Wochen unbekannten Frau war bis 5. Dezember 1990 in der Gerichtsmedizin aufbewahrt worden, an dem Tag wurde sie einbalsamiert und in einem Grab auf dem Friedhof von Figueres als „unbekannte Frau“ beerdigt. Nach 10 Jahren wurde das Grab geräumt und die verbliebenen Überreste in ein Massengrab gelegt. Was für die Angehörigen wohl weit schlimmer ist, ist dass es wohl auch kaum möglich sein wird, die sterblichen Überreste von Evi heimzuholen und in Lana zu beerdigen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="769493_image" /></div> <BR /><BR />Von der Frau liegen Fingerabdrücke vor, aber keine DNS. 2001 wurde die Genetik erstmals bei Ermittlungen zu Kriminalfällen in Spanien eingesetzt – schon damals wollte man den „Cold Case“ wieder aufnehmen. Da aber kein Material für die Analyse bereitstand, wurde der Fall als Selbstmord bei den Akten gelassen – als „Hanged unknown girl“ (erhängtes unbekanntes Mädchen). <BR /><BR />Spanien wird den Fall nicht mehr aufrollen: Mord verjährt dort nach 30 Jahren. Aufgrund des Weltrechtsprinzips könnte nun die Österreichische Justiz auf den Plan treten und Ermittlungen einleiten – weil Österreichische Staatsbürger involviert sein könnten. Auch könnte die italienische Polizei Ermittlungen einleiten, weil das Opfer italienische Staatsbürgerin ist. <BR /><BR /><b>Seil-Details Basis für Mordermittlung</b><BR /><BR />Der Fall „Totes erhängtes Mädchen“ aus dem Jahr 1990 geht in die spanische Justizgeschichte als Selbstmord ein. Allerdings haben auch spanische Pathologen, Gerichtsmediziner, Polizisten und Journalisten Zweifel an dieser Todesursache. Gerichtsmediziner Rogelio Lacaci mutmaßt gar, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Todesursache Fremdverschulden vorliegt“. In Spanien wird der Fall nicht mehr aufgerollt. Aufgrund des Weltrechtsprinzips könnte die österreichische Justiz die Sache in die Hand nehmen – naheliegender wäre, dass italienische Behörden versuchen, den Tod ihrer Staatsbürgerin Evi Rauter auch 32 Jahre nach ihrem Verschwinden und Ableben aufzuklären – jetzt, wo die beiden mysteriösen Fälle zusammengeführt wurden. <BR /><BR />In der ATV-Dokumentation „Ungelöst – Cold Case Austria“ erklären der spanische Pathologe Narcis Bardalet und der Wiener Pathologe Christian Reiter übereinstimmend, dass sich „so niemand aufhängen würde“. <BR /><BR />Auch Rogelio Lacaci fand es „auffällig, wie die Leiche in der Schlinge hing“ – das Gesicht war zum Baum gewandt, die nackten Füße pendeln gut 40 Zentimeter über dem Boden. Auffällig fanden es die Experten unisono, dass der Strick, an dem das junge Mädchen hin, kurz war und der Knoten ein professioneller Seemannsknoten. Die Pinie stand im Hang, daneben wuchsen Feigenkaktus-Pflanzen. <BR /><BR />Im Beitrag von ATV versuchen, die Experten einen Selbstmord an dieser Stelle zu hypotisieren. Die Wege in der Gegend sind staubig und steinig: Bei der Autopsie wurden nicht einmal Spuren, die Barfußlaufen an den Fußsohlen hinterlassen würde, entdeckt. Auch keine Abschürfungen oder Spuren der Rinde der Pinie an Unterarmen oder Beinen wurden gesehen – die Experten zweifeln nicht daran, dass diese zu sehen wären, wäre Evi Rauter wirklich auf diesen Baum geklettert, um das Seil dort anzubinden, sich die knappe Schlinge um den Hals zu legen und sich hineinfallen zu lassen. All das sind Hinweise, dass der Selbstmord nur vorgetäuscht sei und in Wirklichkeit Mord oder zumindest Körperverletzung mit Todesfolge vorliegt. Der Gewalthypothese Auftrieb gibt ein weiteres Detail, das die Autopsie ans Licht brachte: Um den Mund sind Male zu erkennen. Aus der Sicht der Pathologe dürfte diese Gegend „manipuliert“ worden sein. Im Klartext: Jemand könnte Evi Rauter den Mund zugehalten haben oder es sind Spuren einer erfolglosen Reanimation.<Rechte_Alle_Rechte_vorbehalten></Rechte_Alle_Rechte_vorbehalten>