Gleich zwei psychiatrische Gutachten gibt es zu Stefan Kiems Zustand am Abend des 31. Oktober 2010, als sich im Haus der Familie in Nordheim im Sarntal die Bluttat ereignet hat. Sowohl der Gerichtssachverständige als auch der Parteiengutachter kamen zum Schluss, dass Kiem damals nicht wusste, was er tat und auch nicht als gemeingefährlich einzustufen sei. Den Expertisen hatte Richter Walter Pelino auch Rechnung getragen, als er Kiem im April den Hausarrest zugestand. Seit Mai kann er auch arbeiten gehen. Für Rechtsanwalt Flavio Moccia, der Kiem zusammen mit seinen Kollegen Giovanna Cipolla und Umberto Musto verteidigt, sprechen die Gutachten eine unmissverständliche Sprache: Stefan Kiem war zum Tatzeitpunkt nicht einsichts- und willensfähig und kann damit auch nicht belangt werden. Bei der Vorverhandlung, die Richter Carlo Busato jetzt auf den 13. September festgesetzt hat, wird Moccia deshalb die Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten beantragen. Sollte dem Ansuchen nicht stattgegeben werden, erwägt der Verteidiger, ein verkürztes Verfahren zu beantragen. Ganz anders sieht die Sachlage der ermittelnde Staatsanwalt Markus Mayr. Er hatte sich auch gegen Stefan Kiems Enthaftung ausgesprochen. Mayr wird bei der Vorverhandlung die Einleitung des Hauptverfahrens wegen Mordes beantragen, da er überzeugt ist, dass Kiem zum Tatzeitpunkt durchaus im Besitz seiner geistigen Fähigkeiten war. Auch dürfte sich der Staatsanwalt, der bisher keinen eigenen Gutachter ernannt hat, für eine Ergänzung der bisherigen Expertisen oder möglicherweise sogar ein „Supergutachten“ – erstellt von drei Experten – aussprechen. Wie berichtet, hatte sich Kiem am Tag nach der Tat den Carabinieri gestellt und erklärt, er könne sich nur daran erinnern, Reparaturen in der Wohnung seiner Schwiegermutter durchgeführt zu haben. Es soll Sticheleien gegeben haben. In der Folge soll Kiem mit dem Hammer auf die 75-Jährige eingeschlagen haben – laut Autopsie etwa ein Dutzend Mal. Bis auf einen Schlag war jeder einzelne tödlich. Kiem hat stets erklärt, einen „Filmriss“ gehabt zu haben.rc/D