<b>STOL: Herr Siegel, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen solchen Roadtrip zu unternehmen?</b><BR /><BR />Stefan Siegel: Auf diese Idee kam ich während des Lockdowns. Hier in Kalifornien war die Lage nicht anders als in Südtirol und ich wusste, dass zuhause herumzusitzen für mich keine Option darstellt. Aus diesem Grund entschloss ich mich dazu, einen amerikanischen Roadtrip zu unternehmen, denn davon habe ich schon früher ein mal geträumt. Mir waren die USA zwar in Sachen Stadtleben einigermaßen bekannt, jedoch wollte ich die ländliche Gegend unbedingt besser kennenlernen. Um dieses Vorhaben schließlich in die Tat umsetzen zu können, bin ich mit der US-Wohnwagenfirma „Airstream“ eine Partnerschaft eingegangen. Im Zuge dieser Partnerschaft habe ich mir einen ihrer Wohnwagen, einen sogenannten „Airstream“, zugelegt, um mich mit diesem auf die Reise zu begehen. Im Jänner ging der Trip für mich und meinen Hund Ranger los und im Grunde genommen wollte ich zuerst nur bis Texas fahren um dort zu reiten, da dies ein großes Hobby von mir ist. Allerdings wurde daraus schlussendlich ein rund 40.000 kilometerlanges Projekt, bei dem ich mir noch weitere 11 Monate meinen Weg durch insgesamt 28 US-Staaten bahnte. Mein Wohnwagen war mit einer riesigen Antenne ausgestattet, dank der ich stets die Möglichkeit hatte, auf das Internet zuzugreifen und somit konnte ich auch arbeitstechnisch weiterhin vorankommen. Daher sah ich keinen Sinn darin, nach Los Angeles zurückzukehren, ich wollte lieber in der Wildnis bleiben.<BR /><BR /><embed id="dtext86-52274941_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Was waren die größten Herausforderungen?</b><BR /><BR />Siegel: Wenn man mit so einem Wohnwagen monatelang offroad durch die Gegend fährt, dann hinterlässt das natürlich Spuren. Daher war die wohl größte Herausforderung die ständigen Reparaturen, die ich an dem „Airstream“ durchführen musste, damit dieser auch funktionsfähig blieb. Hinzu kam noch, dass sich die amerikanische Wildnis komplett von der freien Wildbahn in Südtirol unterscheidet und man in den USA diesbezüglich ganz andere Dimensionen vorfindet. Es gab Tage, an denen ich mich in Ortschaften aufhielt, wo das nächste Krankenhaus mehr als 3 Stunden entfernt war. Auch die Nächte waren nicht immer einfach, denn oftmals haben sich mehrere Wildtiere wie Bären, Schlangen oder Pumas rund um meinen Wohnwagen aufgehalten. Für mich war es daher von essenzieller Bedeutung, immer wieder diverse Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen und vorsichtig zu agieren.<BR /><BR /><b>STOL: Was waren die schönsten Momente auf Ihrem Trip durch die USA?</b><BR /><BR />Siegel: Für mich war es ein außergewöhnliches Gefühl, immer mehr in die Wildnis einzudringen und dabei meine Ruhe zu finden. Die Natur täglich in ihrer vollen Schönheit zu erleben, vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, mit dem Wissen im Hinterkopf, dass sich im Umkreis von 100 Kilometern kein anderer Mensch aufhält. Es war das Erleben einer Ruhe, die es heutzutage so eigentlich nicht einmal mehr gibt. Diese Momente begleiteten mich die ganze Reise über, denn egal ob ich mich gerade in den Sandsteingebirgen von Utah, in den Bergen von Colorado oder am Meer von Kanada befand - die Wildnis war überall atemberaubend.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="723068_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Was haben Sie durch dieses Projekt dazugelernt?</b><BR /><BR />Siegel: Was mir definitiv im Laufe des Projekts klar geworden ist, ist wie abhängig wir Menschen von der Gesellschaft sind und wie wenig überlebensfähig die Menschheit mittlerweile geworden ist. Wir bekommen alles mit geringstem Aufwand - das Wasser kommt aus dem Wasserhahn, Essen gibt es an jeder Ecke und Strom haben wir auf Knopfdruck parat. Während meiner Reise musste ich mir die nötigen Rohstoffe immer wieder selbst beschaffen. Mein Wohnwagen verfügte zwar über Solarzellen, jedoch war es oft bewölkt und daher musste ich zur Stromerzeugung auf einen Generator zurückgreifen. Wasser hatte ich auch nur für eine Woche, deswegen musste ich schon im Voraus einen strukturierten Plan entwerfen, damit ich weiß, von wo ich meine Rohstoffe während der Reise beziehen kann. Unsere Gesellschaft bekommt alles angeboten, doch vielleicht kommen ja Zeiten, in denen Rohstoffe nicht konstant zur Verfügung gestellt werden können. Das ist dann schon ein sehr spannender Aspekt, da mir beispielsweise beim Geschirrspülen klar wurde, wie viel Wasser man nur alleine zum Säubern von Küchenutensilien benötigt.<BR /><BR /><b>STOL: Was war Ihr persönliches Highlight?</b><BR /><BR />Siegel: Ein persönliches Highlight kann ich so nicht einmal nennen, denn es gab mehrere richtig besondere Momente. In Colorado hielt sich zum Beispiel ein Bär täglich in unserer Nähe auf und ich war mir nie sicher, ob er uns attackieren wird, oder einfach nur neugierig ist. In Texas kam ich blöderweise in einen Tornado, der das ganze Dach meines Wohnwagens zerstörte. Interessant zu sehen war auch, was mein Hund Ranger in der Wildnis alles so gejagt hat und wer ihn alles so gejagt hat, denn von Büffeln über Schlangen bis hin zu Stacheltieren war wirklich alles dabei.<BR /><BR /><b>STOL: Würden Sie so etwas noch einmal machen?</b><BR /><BR />Siegel: Ja, auf jeden Fall. Ich bin erst seit kurzem wieder zuhause und habe jetzt schon das Verlangen, einfach wieder loszufahren. Ich wurde allerdings auch davor gewarnt, dass es nach so einem Trip zu einem ständigen Gefühl von Fernweh kommen könnte. Für mich war es einfach die pure Genugtuung, jede Woche aufs Neue einen weiteren Horizont, einen anderen Sonnenuntergang und neue Teile der Wildnis zu sehen. Mein Projekt hat mit Camping an sich eigentlich wenig zu tun, denn das ist schon ziemlicher Luxus, wenn man im Wohnmobil 2 Fernseher stehen hat und einfach mal Netflix schauen kann. Hinzu kommen noch eine Küche, ein Doppelbett und ein Badezimmer mit Dusche – so luxuriös durch die Wildnis zu fahren ist schon äußerst speziell und ich bin extrem dankbar, so etwas erlebt haben zu dürfen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-52272584_gallery" />