Die Abhängigkeit eines Familienmitglieds erschüttert die emotionale Balance, belastet Beziehungen und kann Angehörige selbst krank machen. HANDS begleitet seit 43 Jahren Menschen mit Konsum-problemen in ganz Südtirol, jährlich rund 1.500 Personen. Ebenso wichtig wie die Hilfe für Betroffene ist die Unterstützung ihrer Familien.<BR /><BR />Sucht macht das Leben aller Beteiligten unberechenbar. Während Betroffene schleichend in die Abhän-gigkeit geraten, entwickeln Angehörige oft eine sogenannte Co-Abhängigkeit: Sie entschuldigen das Ve-rhalten, räumen Hindernisse aus dem Weg oder übernehmen Verantwortung, die nicht die ihre ist. <BR /><BR />Typisch ist der Glaube, ohne ihre Hilfe könne der oder die Süchtige nicht überleben. Der Wunsch, das Suchtmittel zu „entfernen“, kollidiert jedoch mit der Realität – Veränderung kann nur aus der betroffenen Person sel-bst kommen, betont Maria Lintner von HANDS. Es entstehen Kreisläufe aus Kontrolle, Schuldgefühlen, Vorwürfen und Rückzug – ein Wechselspiel zwischen Hoffnung und Ohnmacht.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1165083_image" /></div> <BR />Ein Beispiel: Alexandra (Name geändert) wendet sich regelmäßig an HANDS. Ihr Bruder Martin leidet seit Jahren an einer Alkoholkonsumstörung, Phasen der Abstinenz wechseln sich mit Rückfällen ab. In ihrer Sorge übernimmt sie Verantwortung über seine Grenzen hinweg: Sie möchte ihn kontrollieren, bei sich aufnehmen, zur Therapie drängen, obwohl sie selbst Mutter zweier kleiner Kinder ist. Doch solche Muster helfen nicht weiter. Martin muss selbst bereit sein, Hilfe anzunehmen. Externe Begleitung für Angehörige wird in solchen Situationen essenziell.<h3> Hilfe für Angehörige: raus aus der Co-Abhängigkeit</h3>Ein erster Schritt zur Veränderung ist das Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit gegenüber der Sucht. Diese „Kapitulation“ sei kein Aufgeben, sondern ein aktiver Befreiungsschritt, erklärt Stefania Sepp von HANDS: „Wer erkennt, dass er oder sie das Verhalten anderer nicht kontrollieren kann, gewinnt Autono-mie zurück.“ Angehörige lernen in Therapie oder Selbsthilfegruppen, ihre eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen, gesunde Grenzen zu setzen und sich von überhöhtem Verantwortungsgefühl zu lösen.<BR /><BR />Auch wenn ein Ausstieg aus der Sucht gelingt, was keineswegs selbstverständlich ist, bleibt nichts wie zuvor. Beziehungen müssen neu gestaltet, Erwartungen überdacht und Rollen verändert werden. Nur wenn alle Beteiligten offen für Entwicklung sind, kann familiäre Heilung gelingen.<h3> Therapie wirkt besser mit familiärer Einbindung</h3>Die Erfahrung von HANDS zeigt deutlich: Ist die Familie in den therapeutischen Prozess eingebunden, steigt die Erfolgsquote deutlich. In Familiengruppen, Paargesprächen oder Einzelberatungen kann ein ge-meinsames Verstehen entstehen; das ist die Grundlage für Veränderung.<BR /><BR />Ein Beispiel: Ein älterer pensionierter Mann mit Glücksspielproblematik wurde über Monate hinweg von seiner Familie unterstützt, zur Schuldnerberatung begleitet, zu Therapieterminen ermutigt. Heute lebt er abstinent, hat einen realistischen Schuldenplan und neue Zuversicht. Anders verhält es sich bei einem gleichaltrigen Mann, dessen Familie sich völlig zurückgezogen hat. Hier sind Rückfälle an der Tagesord-nung. Seine Angehörigen haben nie ein Gespräch begleitet, er kämpft weiterhin alleine.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1165086_image" /></div> <BR />Zugehörigkeit ist ein menschliches Grundbedürfnis. Dennoch falle es vielen Angehörigen schwer, ein Pro-blem zuzulassen, das scheinbar nicht sie betrifft, sagt Stefania Sepp. Aussagen wie „Das ist sein oder ihr Problem – nicht meins“ sind verständlich, aber sie greifen zu kurz. „In einem Familiensystem betrifft eine Konsumstörung immer alle“, unterstreicht Maria Lintner. Veränderung kann dann vieles bedeuten: sich zurücknehmen, Dynamiken besser verstehen, den eigenen Umgang mit dem Thema reflektieren oder das Schweigen brechen.<BR /><BR />Stefania Sepp und Maria Lintner raten Angehörigen dringend, sich Hilfe von außen zu holen. In Therapie oder Selbsthilfegruppen können sie lernen, sich von überhöhten Verantwortungsgefühlen zu befreien, ein eigenständiges Leben zu führen und dabei auf ihre eigenen Bedürfnisse, Interessen und auf ihr Wohlbefin-den zu achten.