Kommt bald die 4. Impfung? „Wir wissen noch nicht, wie lange die Booster-Impfung wirksam ist“, sagt Dr. Patrick Franzoni.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="719687_image" /></div> <BR /><b>Herr Dr. Franzoni, vor einem Jahr wurde in Südtirol der erste Piks gesetzt, jetzt nähern wir uns langsam der Million. Mit welchem Gefühl sind Sie an die Impfkampagne gegangen?</b><BR />Dr. Patrick Franzoni: Es war sehr viel Euphorie dabei. Endlich war die Zeit der vielen Studien vorbei, und der Impfstoff von Pfizer-BioNTech war auf dem Markt. Es war wichtig, dass sich damals alle, die an der Corona-Front waren, gleich impfen ließen. Das war ein wichtiges Signal an die Bevölkerung: Wir vertrauen der Wissenschaft. Am Anfang haben die Leute darum gekämpft, einen Impftermin zu kriegen, der Impfstoff war knapp...<BR /><BR /><b>...da gab es dann auch die Drängler und Schlauen, die sich vorgedrängt haben...</b><BR />Dr. Franzoni: Ja, auch die gab es. Damals schaute man vielleicht anders auf sie, heute sage ich, sie haben eben von Anfang an an die Wissenschaft geglaubt. Wir hatten leider nicht ausreichend Impfstoff, sonst hätten wir damals schon einen Impfmarathon gemacht, so wie heuer Anfang Dezember. <BR /><BR /><b>Wäre das im Sinne der Impfrate vielleicht sogar sinnvoll gewesen? Da hätte es nicht so viele Diskussionen auf nicht wissenschaftlicher Basis um die Wirkstoffe gegeben...</b><BR />Dr. Franzoni: Ich glaube nicht, dass wir heute recht viel mehr Geimpfte hätten. Sicherlich hätten wir einige heute Unentschlossene damals mitreißen können, das mag sein. <BR /><BR /><embed id="dtext86-52148336_quote" /><BR /><BR /><b>Richtig Gas gegeben wurde mit Impfen im Mai.</b><BR />Dr. Franzoni: Ja, wir haben mit den Sanitätsmitarbeitern, den Bewohnern der Altersheime, den über 85-Jährigen angefangen, es folgten Lehrer und Behörden. Ab Mai konnten wir nach und nach für alle Altersgruppen öffnen. Wir waren damit die erste Region Italiens. Damals gab es die Alpha- und Beta-Variante, wir haben parallel zur Impfung eine starke Teststrategie gefahren. Das oberste Motto lautete: Impfen, impfen, impfen. Wir haben es den Bürgern so einfach wie möglich gemacht mit Open Days, ab 6. Juli waren die Impfbusse im Einsatz, seit Ende Oktober läuft „Mobyvax“ mit den Containern. Bei diesen niederschwelligen Angeboten war die Mitarbeit von Weißem und Rotem Kreuz, den Freiwilligen Feuerwehren und nicht zuletzt den Gemeinden fundamental, auch die SASA, welche uns die Busse zur Verfügung gestellt hat, hatte eine wichtige Rolle. In den Impfbussen haben wir fast 50.000 Impfungen gemacht. Und seit November setzen wir viel Energie für die Boosterimpfungen ein. <BR /><BR /><b>Thema Booster-Impfungen: Für viele, die an der Corona-Front arbeiten, kam diese Impfung doch recht spät – 5 Monate sind längst vergangen. Hatte das Konsequenzen, gab es viele Infizierte in den Krankenhäusern?</b><BR />Dr. Franzoni: Nein, das kann man eigentlich nicht so sagen. Aber das war keine Absicht, jemanden dem Virus auszusetzen. Corona ist ja eine völlig neue Geschichte, es gibt unzählige Mutationen. Sobald die AIFA die Boosterimpfung freigegeben hat, sind wir gestartet. Und ich muss sagen: Alle, die geboostert sind – egal, mit welchen Impfstoffen sie geimpft wurden – können sich sicher fühlen. Sie können Corona zwar, wie wir wissen, doch bekommen, aber es gibt so gut wie sicher keinen schweren Verlauf. <BR /><BR /><b>Sie sagen, man kann sich sicher fühlen. Dennoch sollen Geimpfte doch auch die Grundregeln – Maske, Handdesinfektion, Abstand – einhalten, sogar zusätzliche Tests werden in Erwägung gezogen. Wie passt das zusammen?</b><BR />Dr. Franzoni: Omikron ist gleich wie Delta eine höchst ansteckende Variante. Die Wissenschaft ist sich einig, dass Impfung allein nicht vor einer Ansteckung schützt. In geschlossenen Räumen sollten sich nur Geimpfte, noch besser, nur Geboosterte zusammen aufhalten, der Sicherheitsabstand sollte eingehalten werden, regelmäßiges Lüften ist Programm. Mit ungeimpften Kindern in geschlossene Räume gehen, davon würde ich derzeit auch abraten. <BR /><BR /><embed id="dtext86-52148337_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Sollen Kinder geimpft werden?</b><BR />Dr. Franzoni: Ja. Auch Kinder können beispielsweise Long Covid bekommen. Zu sagen ist, dass es für Familien besonders wichtig ist, Kinder über 5 Jahren zu impfen, wenn noch kleinere Geschwister da sind. Ist die Familie geimpft, wird ein Schutzschild um das Kleine gebildet. Das ist vorbildlich. <BR /><BR /><b>Sie waren auch beim Ski-Weltcup im Einsatz. Wie waren die Erfahrungen?</b><BR />Dr. Franzoni: Ich nehme die ersten 2 Renntage her. Die FIS schreibt vor, dass alle, die mit den Athleten zu tun haben, alle 72 Stunden einen PCR-Test machen müssen – zusätzlich zur Impfung, im Skizirkus gilt 2G. Wir haben nicht einen Positiven herausgefischt. <BR /><BR /><b>Jetzt sind wir bei der 3. Impfung, Wissenschaftler sagen schon, eine 4. wird nötig sein, auch eine Auffrischimpfung jedes Jahr steht im Raum. Worauf müssen wir uns einstellen?</b><BR />Dr. Franzoni: Wir müssen wachsam sein, wir kennen das Virus noch nicht in all seinen Varianten. Wir brauchen Daten, vorerst ist das, worüber geredet wird, nur gebackene Luft. Wir wissen noch nicht, wie lange die Boosterimpfung effizient ist. Breitet sich das Virus weiter aus, riskieren wir, dass die Gesellschaft zusammenbricht. Es heißt, wenn in einer Firma 30 Prozent der Mitarbeiter zugleich krank sind, wird es schwierig, weiterzuarbeiten. Das gilt wohl auch für eine funktionierende Gesellschaft. Das müssen wir uns vor Augen halten. Warten wir ab und vertrauen wir der Wissenschaft. Die Wissenschaft ist komplex, die Gegner sind einfach gestrickt. Leider sieht man auch im Fernsehen oder bei Diskussionen immer nur 2 Menschen stehen – ohne deutlich zu sehen, wie viele Menschen jeweils hinter den beiden Personen stehen. <BR /><BR /><b>Welches war das schönste Erlebnis im abgelaufenen Impfjahr, gibt es Anekdoten?</b><BR />Dr. Franzoni: Ich bin so stolz auf den Erfolg des Impfbusses. Alle haben an einem Strang gezogen und das hat letztlich zum Erfolg geführt. 50.000 Impfungen, das ist viel. Wir haben auch gelacht. Es ist immer wieder vorgekommen, dass Leute heimlich aus der entgegengesetzten Ecke des Landes gekommen sind, um sich impfen zu lassen, dass es der Ehemann oder die Frau oder die Leute im Dorf nicht wissen. „Bitte kein Pflasterle draufkleben“, hieß es dann. <BR /><BR /><b>Und wurde auch hier in Südtirol geschwindelt?</b><BR />Dr. Franzoni: Ich kenne nur einen Vorfall, der ist in der Messe Bozen passiert. Da hat eine Frau versucht, die Krankenpflegerin zu bestechen. Sie hat 700 Euro auf den Tisch gelegt und die Pflegerin aufgefordert, das Serum nicht in ihren Arm zu spritzen. Als der Alpino dazukam, hat sie weitere 300 Euro Bargeld auf den Tisch gelegt. Dieser Versuch hat natürlich nicht geklappt. Wohl aus Angst hat sich die Frau dann sofort impfen lassen. <BR /><BR />