Das Südtiroler Team untersuchte Ägyptisch Blau in Form von Pigmentkugeln und Wandmalereifragmenten aus den Römersiedlungen Augusta Raurica und Aventicum in der heutigen Schweiz. Im Interview berichten sie auch darüber, welch wichtige Rolle St. Peter in Dorf Tirol bei der Erforschung gespielt hat.<BR /><BR /><b>Herr Schmid, was ist Ägyptisch Blau?</b><BR />Thomas Schmid: Ägyptisch Blau ist ein seit dem Altertum künstlich hergestelltes Blaupigment. Das synthetische Kalziumkupfersilikat entspricht dem seltenen, natürlichen Mineral Cuprorivait.<BR /><BR /><b>Frau Dariz, wer hat dieses Pigment erfunden und aus was besteht es?</b><BR />Petra Dariz: Vermutlich wurde Ägyptisch Blau in Ägypten und auch in Mesopotamien erfunden. Altägyptische, kunsttechnologische Schriften sind aber nicht erhalten. In modernen Laborexperimenten werden Quarzsand, Kalkstein und auch Kupfererz mit einem schmelzpunktsenkenden Flussmittel bei zwischen 850 und 1000 Grad Celsius gesintert, um Ägyptisch Blau herzustellen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="838241_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie sind Sie als Südtiroler Team eigentlich dazu gekommen, Ägyptisch Blau zu erforschen?</b><BR />Schmid: Wir haben im Rahmen eines Forschungsprojekts der Südtiroler Landesmuseen zu den Gipsstuckfragmenten aus der Kirche St. Peter oberhalb von Gratsch in der Gemeinde Tirol ein Ägyptisch Blaues Wandmalereifragment bearbeitet.<BR /><BR /><b>Kam das Blaupigment direkt aus Ägypten?</b><BR />Dariz: Im alten Ägypten wurde Ägyptisch Blau von der vierten/fünften Dynastie des alten Reiches bis in die griechisch-römische Zeit verwendet. Es bestehen keine Verbindungen zwischen spätantiken Produktionsstätten in Ägypten und dem Blaupigment in den frühmittelalterlichen Wandmalereien in der Kirche St. Peter in Dorf Tirol.<BR /><BR /><b>Wurde Ägyptisch Blau auch in Europa produziert?</b><BR />Schmid: Der römische Architekt, Ingenieur und Architekturtheoretiker Vitruv berichtet im ersten Jahrhundert vor Christi Geburt in seinem architekturtheoretischen Handbuch „De architectura libri decem“, dass ein gewisser Vestorius Ägyptisch Blau in Pozzuoli bei Neapel hergestellt habe. Im Zuge unserer Analysen des Blaupigments aus St. Peter konnten wir tatsächlich ortstypische Spurenminerale von Rohstoffen aus den Phlegräischen Feldern am Golf von Neapel nachweisen. Entsprechende Untersuchungen an römisch-kaiserzeitlichen Pigmentkugeln aus Avenches und Kaiseraugst in der Schweiz haben aufgrund der übereinstimmenden Zusammensetzung diese Hypothese nun bestätigt. Das spricht klar und deutlich für ein Fortbestehen des Produktions- und Handelsmonopols in Pozzuoli über den Untergang des weströmischen Reiches hinaus. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="838244_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wurde das Pigment Ägyptisch Blau anno dazumal auch bei anderen Wandmalereien in Südtirol verarbeitet oder nur in St. Peter in Dorf Tirol? Wird es heute eigentlich noch verwendet bzw. erzeugt? Ist es lichtecht?</b><BR />Dariz: Ägyptisch Blau ist das klassische Blaupigment der Kunst des Römischen Reiches und des Frühmittelalters. Naturwissenschaftliche Belege fehlen, aber auch von einer Verwendung in anderen Wandmalereien in Südtirol ist mit Sicherheit auszugehen. Nachdem sich seine Spur im Hochmittelalter verliert, wird Ägyptisch Blau erst Anfang des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt. Heute wird es weniger in der bildenden Kunst, sondern eher im Bereich der Restaurierung und in der Forschung eingesetzt. Produziert wird Ägyptisch Blau durch die auf die Herstellung historischer Pigmente spezialisierte Farbmühle Kremer in Aichstetten in Baden-Württemberg. Ägyptisch Blau ist lichtecht, chemisch sehr beständig und kann deshalb auch in allen Bindemittelsystemen eingesetzt werden.<BR /><BR />