Jeder Sammler träumt davon, einmal eine besonders seltene Briefmarke zu finden oder gar eine philatelistische Rarität zu entdecken. Leider wird dies so gut wie nie Wirklichkeit, und der Traum muss unerfüllt weitergehen. Aber: Die Ausnahme bestätigt die Regel, und so geschah es im Frühjahr 2022, dass in Südtirol eine neue Weltrarität entdeckt wurde.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="823262_image" /></div> <BR />Die Geschichte klingt beinahe fantastisch, ist aber wirklich so passiert. Die Sars-COVID-19 Pandemie hat ja viele Briefmarkensammler in die Lage versetzt, sich mit mehr Muße und Zeit ihren Sammlungen und Forschungen zu widmen. Nun geschah genau dies auch in Südtirol: Ein Philatelist besann sich älterer Bestände, die aufgrund von Zeitmangel und nicht unbedingt dringendem Handlungsbedarf immer auf sich warten ließen.<BR /><BR />Es handelte sich dabei um einen Brief mit einer an sich simplen Frankatur, den er vor vielen Jahren erworben hatte, aber nie einer intensiveren Überprüfung unterzogen hatte. Dies lag auch vor allem daran, dass der Brief nicht unbedingt in sein engeres Sammelgebiet passte. <h3> In der Kiste „Kuriositäten“</h3>Aber der erfahrene Sammler hatte diesen Brief wegen eines kuriosen Beilage-Zettels erworben, der an der Innenseite des Briefes klebte. Und so landete er in einer Kiste „Kuriositäten“, die der Sammler im Laufe der Jahrzehnte anlegte, jedoch nie mehr so genau unter die Lupe nahm. Auch weil er genau solch ein Exemplar später nie mehr gesehen hatte.<BR /><BR />Es handelte sich um einen Brief aus der Korrespondenz zweier Handelshäuser in Wien und Triest, frankiert mit einer österreichischen 5-Kreuzer-Marke der Ausgabe 1867. Die Wertstufe zu 5 Kreuzer ist eine sehr häufige Briefmarke und dementsprechend auch günstig zu haben. Der Sammler kann sich gar nicht mehr erinnern, wann er den Brief erstanden hatte und was er dafür bezahlt hatte, jedoch muss es seiner heutigen Erinnerung nach ein sehr bescheidener Betrag gewesen sein. Aber er dachte damals, vielleicht finde ich irgendwann mal einen ähnlichen Brief.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="823265_image" /></div> <BR />Nun nach vielen Jahren, während des Ausgangsverbots der Covid-Pandemie, wurde diese Kuriositäten-Schachtel halt doch einmal genauer angesehen. Und ergab die nun vorliegende Sensation: ein neues Exemplar des berühmten Farbfehldrucks 3 Kr 1867 rot statt grün.<BR /><BR />Der Sammler traute zunächst seinen eigenen Augen nicht, er war ganz einfach schockiert über den eigenen Fund. So blieb er zunächst eine Weile liegen, bis er sich von diesem Ereignis etwas erholt hatte. Dann kontaktierte er mich und bat mich um meine Einschätzung als Experte. Die Vorsichtigkeit des Sammlerfreundes bot mir zunächst nur die Möglichkeit eine Schwarz-Weiß-Fotokopie des Briefes zu sehen, der mich natürlich sofort fasziniert hatte.<h3> Attest bestätigt Echtheit</h3>Nach einer umfangreichen Recherche in der Literatur konnte ich dann bald auch das Original in Augenschein nehmen und mir war dann sofort bewusst, dass wir es wirklich mit einem Sensationsfund zu tun hatten, da ich das Stück für echt hielt. In der Folge empfahl ich dem Sammlerfreund ein Attest bei Prof. Ulrich Ferchenbauer in Wien einzuholen, dem weltweit führenden Experten für klassische österreichische Briefmarken und Mitglied der AIEP. Und auch sein Ergebnis bestätigte die Echtheit des Briefes.<BR /><BR />Schauen wir uns also die Neuentdeckung genauer an:<BR /><BR />Zunächst eine kurze Analyse des Gegenstands.<BR /><BR /><b>1. Fehldrucke</b><BR /><BR />Fehldrucke entstehen, wenn eines der wesentlichen Elemente einer Briefmarke von der Post selbst falsch zusammengesetzt wird. Es kann zu Fehlern im Druck der Briefmarke, der Zähnung, der Gummierung oder der Farbe kommen. Dabei ist der Druck der Briefmarken in einer falschen Farbe der offensichtlichste und daher eklatanteste Fehler, der auch bei Sammlern als wichtigster und Sammelns wertester zählt.<BR /><BR />Technische Defekte oder eine fehlerhafte Bedienung einer Druckmaschine ergeben sogenannte Abklatsche; in der Philatelie bezeichnet man damit jenen Fall, wenn das Briefmarkenbild auf der Rückseite seitenverkehrt aufgedruckt wird, oder auf dem Kopf stehend oder verschoben abgebildet wird.<BR /><BR />Weiters können Fehldrucke dann entstehen, wenn Aufdrucke ganz oder teilweise fehlen oder umgekehrt doppelt oder mehrfach erfolgen.<BR />Von Farbfehldrucken zu unterscheiden sind Farbproben („proofs“) zu unterscheiden, bei welchen die Post versuchsweise eine Briefmarke in unterschiedlichen Farben druckt, bevor noch entschieden wird, welche Farbe dann effektiv zum Druck gewählt wird. Diese Proben werden aber von der Post ausgeschieden und gelangen nicht zur Verwendung.<BR /><BR />Farbfehldrucke entstehen normalerweise, wenn in eine Druckplatte mit verschiedenen Klischees ein Druckstock (oder sog. „Druckstöckel“) mit einem falschen Wert eingesetzt wurde. Es ergibt sich also der Druck einer Marke in einer falschen Farbe.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="823268_image" /></div> <BR /><BR /><b>2. Die Ausgabe 1867</b><BR /><BR />Nach der Schlacht bei Königgrätz 1866 schied der Kaiserstaat Österreich aus dem Deutschen Bund aus, 1867 gab es den Ausgleich mit Ungarn und die Zweiteilung der Monarchie. Der neue Staat „Königreich Ungarn“ erhielt sein eigenes Postwesen und verlangte nach neutralen Markenbildern.<BR /><BR />Die Briefmarken von 1863/64 mit dem Doppeladler waren für Ungarn nicht mehr tragbar und verloren ab 15.6.1867 ihre Gültigkeit. Als Übergangslösung musste eine gemeinsame Ausgabe geschaffen werden, die von beiden Postverwaltungen (die k.k. österreichische und die k. ungarische) zugleich verwendet werden konnten: ohne Wappen und ohne Landesbezeichnung. Diese wurde am 1. Juni 1867 herausgegeben, mit 5 Wertstufen zu 2, 3, 5, 10 und 15 Kreuzer (wie bereits in der vorherigen Ausgabe).<BR /><BR />Die neuen Werte von 25 und 50 Kreuzer erschienen am 1. September 1867. Das Motiv der Briefmarken ist der Kopf des Kaisers (in Österreich) bzw. des Königs (in Ungarn) Franz Joseph I.: weiß im farbigen Feld, mit Lorbeerkranz und dem charakteristischen Backenbart. Der anfängliche „grobe Druck“ (Buchdruck) auf weicher Filzunterlage ließ den Bart jedoch manchmal zum „Gestrüpp“ verkommen. Der Wert „kr“ wurde bewusst klein und abgekürzt geschrieben, um sowohl „kreuzer“ als „krajczer“ lesen zu können. Das reiche, geschmackvolle Rankenwerk, der plastische Kaiserkopf im elegant-dezenten Perlenkreis machen diese Ausgabe zu einem Juwel der Briefmarkenkunst.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="823271_image" /></div> <BR /><BR /><b>3. Der Farbfehldruck der 3 Kr</b><BR /><BR />So geschah es auch mit dem Farbfehldruck der sog. 6. Freimarkenausgabe des Kaisertums Österreich von 1867, die normalerweise grün, aber im Fehler rosakarmin gedruckt wurde.<BR /><BR />In einer der ersten Druckplatten des 5-Kreuzer-Wertes (die Kataloge führen diese unter der Type Ia) musste für kurze Zeit (entweder bereits bei der ursprünglichen Plattenzusammenstellung oder bei einem Austausch eines Stöckels) irrtümlich ein Druckstöckel mit der Wertangabe 3 kr eingefügt worden sein, wodurch dieser Fehldruck 3 kr rot entstanden ist.<BR /><BR />Einige Stücke davon sind von der Post nicht entdeckt worden, an Postämter ausgeliefert worden und dann auch zur Verwendung gelangt. In der Tat sind bisher keine ungebrauchten Fehldrucke oder Fehldrucke mit einer normalen 5 Kr Marke zusammenhängend gesehen worden.<BR />Bis zu diesem Neufund waren alle 6 bisher bekannten Fehldrucke in Südungarn verwendet worden, auch deswegen ist das vorliegende Stück so bedeutsam, da es erstmals beweist, dass auch auf österreichischem Staatsgebiet Auslieferungen erfolgten. <BR /><BR />Mit anderen Worten: Was vorher nur vage vermutet wurde und theoretisch nicht ausgeschlossen wurde, ist Wirklichkeit, auch in Wien wurde der Farbfehldruck verwendet. Dies bedeutet aber auch, dass weitere Stücke auftauchen könnten. <BR /><BR />Dabei war das Ganze nicht immer so eindeutig. Im KOHL-Handbuch (10. Auflage 1915, S. 934) wird zum Fehldruck vermerkt: „Den sogenannten Fehldruck 3 K. rot halte ich für eine Fälschung, hergestellt aus der echten 5 K. rot.“ Auch die Gebrüder Senf nahmen den Fehldruck bis 1913 nicht in ihren Katalog auf, ebenso wenig der Katalog Yvvert & Tellier.<BR />Auch Stanley Gibbons hat zumindest in der mir vorliegenden Katalogausgabe von 1928 den Fehldruck noch nicht in den Katalog aufgenommen.⁴<BR /><BR />Ing. Edwin Müller kennt 1927 noch keine Briefe und lediglich lose Marke und auf Fragment, einschließlich des Kecskemet-Fehlers. A. Jerger (a.a.O., S. 253) war der Ansicht, dass die bei H. Kropf (1908) angeführten Verwendungen Kecskemet 1.10. und 2.10. ein Irrtum waren, welcher sich „leider bis heute durch die gesamte einschlägige Literatur zieht. Mit diesen Daten gibt es nur die Abstempelung aus Gr. Becskerek 1.10. und 2.10. (…). Seinerzeit wurden die Poststempel schlecht abgelesen, was zu einer Verwechslung führte. Es kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass auch aus Kecskemet zwei Fehldrucke mit identen Daten vom 1.10. und 2.10. existieren.“<BR /><BR />Heute ist jedoch die Meinung aller Experten gleichlautend und die Marke wird auch in allen wichtigen Katalogen als Farbfehldruck geführt (Ferchenbauer, Band IV, S. 7 ff.⁶, Austria-Netto-Katalog Nr. 36 I F, Michel Nr. 36F, Scott Nr. 29 c, Stanley Gibbons Nr. AH 51 a). <BR /><BR /><b>4. Der bisherige Bestand</b><BR /><BR />Vor diesem Neufund aus dem Jahr 1870 kannte man 6 Exemplare, alle in Südungarn im Jahr 1867 verwendet: zwei Briefe, ein Fragment und 3 lose gestempelte Briefmarken. <BR />In der Folge die chronologische Auflistung der Exemplare:<BR /><BR />Die zwei Briefe stammen aus der sog. „Pfeiffer“-Korrespondenz, benannt nach dem Adressaten der Briefe, dem Handelshaus J. Pfeiffer in Wien, Landstraße. Der Fund geht auf eine Dachboden-Räumung während des 2. Weltkriegs zurück (Corinphila S. 92), die von dem pensionierten Bankbeamten Istvan Gáal erworben und entdeckt worden sind. Der erste Brief wurde am 25. August 1867 in Koebanya entwertet (1997 bei Hungarofil um 210.000 USD versteigert, heute im ungarischen Briefmarkenmuseum), der 2. Brief am 8. September 1867 (ex Sammlung Dr. Jaeger, ex Sammlung Dr. Jerger, 2005 bei Corinphila um 590.000 CHF versteigert).<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="823274_image" /></div> <BR /><BR />Die drei losen gestempelten Briefmarken stammen alle vom September und Oktober 1867: 24. September in Brukenau gestempelt (ex Sammlung König Carol II. von Rumänien, mit Attesten von Rudolf Friedl und Herbert J. Bloch, bei C. Gärtner⁷ 2013 versteigert), 1. Oktober 1867 (ex Sammlung Ferrary⁸ , ex Sammlung G. Ryan, 1997 bei Christies in Zürich versteigert, Los 2232) und 2. Oktober 1867 in Gr. Becskerek (im Jahr 2000 versteigert).<BR />Das einzige bekannte Fragment wurde am 4. Oktober 1867 in Detta entwertet (ex Sammlung P. Zgonc).<BR /><BR /><b>5. Die Beschreibung des Neufundes</b><BR /><BR />Es handelt sich um einen Faltbrief mit einer gedruckten Rechnungsvorlage des Handelshauses Anton Himmelbauer & Co. an die Firma C. L. Chiozza e figli in Triest und wurde am 21. März 1870 verfasst.<BR /><BR />Der Brief wurde mit dem Fehldruck von 3 Kr frankiert, aber von der Post, da die Marke ja rot war, als 5 Kr Marke gehalten; dies entsprach der Einheitsgebühr von 5 Kr (Tarif 1865, in Kraft seit 1.1.1866) für die Versendung von Briefen der 1. Gewichtsstufe für das gesamte österreichische Staatsgebiet.<BR /><BR />Er wurde mit dem blauen Einkreis-Stempel WIEN FILIALE 22 / 3, A, 70 entwertet (Mueller 4094 d, Klein 5844 c). Auf dem Brief wurde eine österreichische Stempelmarke von 5 Kreuzer aufgeklebt (mit handschriftlicher Entwertung) und ein „Wagzettel“ für eine Fracht (Frachtbrief Nr. 8) von Stockerau nach Triest.<BR /><BR />Rückseitig ist der Ankunftsstempel TRIEST 23 / 3 / V. E. abgeschlagen.<BR />Auf einer inneren Briefklappe ist folgender Vermerk des Empfängers zu lesen: „1870 / Himmelbauer Anton & Co / Wien 22 März // ric.(evuta) 24 März / 2. Aprile“<BR /><BR />Der vorliegende Neufund ist aus 3 Gründen besonders wichtig:<BR /><BR />1. es ist die erste bekannte Verwendung auf österreichischer Reichshälfte;<BR /><BR />2. das Attest von Dr. Ferchenbauer klassifiziert die auf dem Brief verwendete Marke als von einem anderen Stöckel kommend als die in Ungarn verwendeten;<BR /><BR />3. der Brief dokumentiert eine Verwendung 2 ½ Jahre nach jenen von Ungarn.<BR /><BR />Es bleibt also spannend, ob und wann ein weiterer Fund dieser sehr seltenen Briefmarke auftauchen wird.<BR /><BR /><b>Zweifellos zählt der Farbfehldruck Österreich 1867 zu den seltensten Briefmarken der Welt, wenn man bedenkt, dass von der berühmtesten Marke der Welt, der blauen und roten Mauritius Post Office von 1847 immerhin 27 Exemplare erhalten geblieben sind.</b>⁹ <BR /><BR />