Der Experte zu den Schwerpunkten internationales Handels- und Technologierecht geht auch auf die Frage ein, ob urheberrechtlich geschütztes Material – etwa Zeitungsartikel oder Profifotos – zum Training von KI verwendet werden dürfen. <BR /><BR /><b>Wie sieht es mit den Trainingsdaten aus?</b><BR />Christian Notdurfter: Generative KI benötigt große Mengen an Trainingsdaten, um qualitativ hochwertige Ergebnisse in Form von Texten, Bildern, Musik oder Computercodes zu erzeugen. In den USA hat die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material bereits zu mehreren Klagen geführt – unter anderem von bekannten Persönlichkeiten und Rechteinhabern wie dem Game-of-Thrones-Autor George R.R. Martin, der Bildagentur Getty Images und dem Verlag der New York Times. Die Klage der New York Times gegen OpenAI und Microsoft hat hohe mediale Wellen geschlagen.<BR /><BR /><b>Warum hat die New York Times geklagt?</b><BR />Notdurfter: Die New York Times klagte insbesondere wegen der ungefragten Nutzung ihrer journalistischen Beiträge und anderer Inhalte und machte in der 70-seitigen Klageschrift verschiedene Urheberrechtsverletzungen, unlauteren Wettbewerb und Markenrechtsverletzungen geltend. Interessant vielleicht: Die New York Times argumentiert unter anderem auch, dass sie sehr hohe Investitionen tätige, um Qualitätsjournalismus anbieten zu können. Wenn sie ihre Inhalte insofern nicht mehr kontrollieren könne, als Dritte diese einfach ungefragt und unentgeltlich für eigene kommerzielle Zwecke nutzen könnten, werde ihre Fähigkeit beeinträchtigt, ihre Inhalte selbstbestimmt zu vermarkten. Wenn dadurch weniger Einnahmen erzielt würden, könnten weniger Journalisten in der Lage sein, in Qualität zu investieren und gute Arbeit zu leisten, was erhebliche Kosten für die Gesellschaft mit sich bringe. Zudem „halluziniere“ die KI teilweise und schreibe der New York Times plausibel klingende, aber teilweise frei erfundene Beiträge zu, was der Marke schade.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="994210_image" /></div> <BR /><BR /><b>Hat die New York Times Aussicht auf Erfolg?</b><BR />Notdurfter: Die Klage richtet sich, was manchmal vergessen wird, nach US-amerikanischem Recht. Im vorliegenden Fall stellt sich in urheberrechtlicher Hinsicht insbesondere die Frage, ob die Nutzung der Beiträge für das KI-Training einen sog. „Fair Use“ darstellt. „Fair Use“ ist eine der wichtigsten Ausnahmen im US Copyright Act von 1976, die es Personen, die nicht Rechteinhaber oder Lizenznehmer sind, erlaubt, urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis zu nutzen. Diese Ausnahme unterliegt jedoch keinen konkreten Kriterien und birgt daher einen großen Interpretationsspielraum und somit auch Rechtsunsicherheit. Der Ausgang ist daher ungewiss. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich die Parteien außergerichtlich einigen, bevor es überhaupt zu einem Urteil kommt. In der EU wäre die Rechtslage – zumindest für Trainingsdaten – jedenfalls klarer.<BR /><BR /><b>Was ist in der EU anders?</b><BR />Notdurfter: In der EU gibt es seit 2021 eine Möglichkeit zur Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material zur Verwendung als Trainingsdaten auch ohne Zustimmung: die sog. Ausnahme für „Text und Data Mining“. Allerdings kann der Rechteinhaber einer solchen Nutzung widersprechen und sie von der Zahlung einer Vergütung oder anderer Vorteile abhängig machen. Diese relative Rechtssicherheit in der EU könnte ein Grund dafür sein, warum OpenAI in Europa etwa bereits eine geregelte Partnerschaft mit Axel Springer, einer Verlagsgruppe mit Marken wie Bild oder Die Welt eingegangen ist.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="994213_image" /></div> <BR /><BR /><b>Eine andere wichtige Frage ist: Wem gehören die Inhalte, die von der KI generiert werden?</b><BR />Notdurfter: In den meisten Rechtsordnungen, darunter auch der EU und der USA, kann derzeit nur ein Mensch Urheber eines Werks sein. Das Werk muss das Ergebnis menschlicher geistiger Schöpfung sein. Computergenerierte Inhalte ohne wesentlichen kreativen Beitrag eines Menschen sind daher – zumindest in der EU und den USA – urheberrechtlich nicht geschützt.<BR /><BR /><b>Welchen kreativen Beitrag müsste ein Mensch leisten?</b><BR />Notdurfter: Ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert kann zum Verständnis beitragen, als eine damals neue Technologie, die Fotografie, eine ähnliche Frage aufwarf: Kann eine Fotografie, die ja von einer Kamera erzeugt wird, das kreative Werk eines Menschen und damit urheberrechtlich geschützt sein kann? Der Oberste Gerichtshof der USA bejahrte dies im Jahr 1884 im Fall Burrow-Giles v. Sarony, in dem es um eine Fotografie des Schriftstellers Oscar Wilde ging. Das Gericht hatte unter anderem festgestellt, dass der Fotograf Herrn Wilde vor der Kamera in Pose gebracht, das Kostüm und andere Requisiten für die Aufnahme ausgewählt und arrangiert, Licht und Schatten in Szene gesetzt und damit das charakteristische Bild geschaffen hatte. Gerade diese Kontrolle des Fotografen über das Ergebnis rechtfertige es, der Fotografie den Schutz des Urheberrechts zuzuerkennen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-63385903_quote" /><BR /><BR /><b>Wenn ich zum Beispiel bei ChatGPT oder Midjourney einen Prompt, also einen Befehl mit Hinweisen zur Generierung von Text oder Bild eingebe. Was ist da anders?</b><BR />Notdurfter: Wenn ich zum Beispiel einen Prompt in ChatGPT eingebe, weiß ich normalerweise nicht genau, wie das Ergebnis aussehen wird. Ich kontrolliere zwar den Prompt, aber ich habe keine wirkliche Kontrolle über das konkrete Ergebnis, das der Prompt hervorbringen wird. Daher kann das Ergebnis in der Regel auch nicht meine persönliche kreative Leistung sein: das konkrete Ergebnis hängt letztlich allein von der KI ab. Hierin liegt dann auch der Unterschied zwischen einem KI-generierten Ergebnis, das zumindest in der EU und den USA urheberrechtlich nicht schutzfähig ist, und einem lediglich KI-assistierten Werk, bei dem die KI nur einen vernachlässigbaren Beitrag zum schöpferischen Ergebnis leistet. Darüber hinaus kann es einen Urheberrechtsschutz auch für sog. „hybride Werke“ geben.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="994216_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was sind hybride Werke?</b><BR />Notdurfter: Das sind Werke, bei denen KI-generierte Inhalte mit menschlicher Kreativität kombiniert werden. Ein relativ aktuelles Beispiel stammt wiederum aus den USA: Das US Copyright Office, bei dem urheberrechtlich geschütztes Materialregistriert werden kann, hatte im vergangenen Jahr nämlich die <a href="https://patentlyo.com/patent/2023/01/copyright-zarya-dawn.html" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Registrierung eines Comics mit dem Titel „Zarya of the Dawn“</a> zu prüfen. Dieser bestand aus KI-generierten Bildern, die von einem Menschen zu einem Buch zusammengestellt und mit Texten versehen worden waren. Das Amt entschied, dass der Comic als Gesamtwerk und die Texte urheberrechtsfähig sind, die einzelnen Bilder jedoch nicht, da sie von einer KI generiert wurden.<BR /><BR /><b>Was sagt der europäische AI-Act zum Urheberrecht?</b><BR />Notdurfter: Der aktuelle Entwurf des AI-Acts sieht vor, dass Betreiber von Systemen wie ChatGPT eine Policy zur Einhaltung des europäischen Urheberrechts einzuführen haben. Dabei müssen sie das erwähnte Recht der Rechteinhaber, sich die Nutzung fremder Inhalte zu Trainingszwecken vorzubehalten, angemessen berücksichtigen. Außerdem müssen sie eine hinreichend detaillierte Zusammenfassung der Trainingsdaten veröffentlichen. Alle weiteren Fragen sind derzeit – bis auf weitere nicht auszuschließende gesetzgeberische Initiativen – nach dem geltenden europäischen Urheberrecht zu beantworten.<BR /><BR /><BR /><BR />