„Sie messen dich, an dem was du kannst“, sagt Tila Mair im Laufe des Gesprächs – ein vielsagender Satz, der wohl am besten ihre vielen Jahre im Dienste der Gewerkschaften in unterschiedlichen Funktionen erklärt. Das „Sie“ bezieht sich auf Arbeitnehmer und vor allem Bauarbeiter, denn schließlich begann Tila Mairs Gewerkschafter-Karriere vor 48 Jahren im Bausektor. <BR /><BR />„Ich habe mir Baustellen angesehen und darauf geachtet, ob die Verträge und die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden, außerdem galt es zu informieren und Mitglieder anzuwerben“, blickt sie zurück und muss schmunzeln. So manchen dummen Spruch von Bauarbeitern musste sie sich in jungen Jahren zwar anhören, denn Frauen waren in diesem Metier ein „absolutes Novum“, aber sie wusste sich schnell Respekt zu verschaffen. <BR /><BR />Mit ihrer selbstbewussten, offenen Art und ihrem Pragmatismus. Zur Gewerkschaft kam sie im Jahre 1975 durch einen Mitarbeiter, sie ließ sich von ihrer Arbeit bei einer Fabrik dafür unter der Bedingung freistellen, dass sie „nicht bloß zu Sekretariatsarbeiten verdonnert“ wird. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="953002_image" /></div> <BR /><BR />Die taffe Boznerin wollte selbst etwas bewirken, kämpfte in ihrem Wirkungskreis stets für faire Bedingungen, gerechte Löhne und partnerschaftliche Beziehungen. Wenn notwendig, auch mit harten Bandagen, aber in der Regel setzte sie eher auf die Kraft der Argumente und ihr Verhandlungsgeschick. <BR /><BR />„Ganz gleich, mit welchem Gremium oder Arbeitgebervertretung zu verhandeln war, ich habe immer versucht, eine vertrauensvolle persönliche Basis zu schaffen“, umreißt sie ihre Strategie. Somit überrascht es nicht, dass sie noch heute über ein großes Netzwerk verfügt und zu vielen Veranstaltungen eingeladen wird. <h3> 20 Jahre pendeln zwischen Bozen und Florenz</h3>Ein besonderer Abschnitt ihres Lebens fiel mit der Berufung in die Toskana zwischen 1981 und 1999 zusammen. Die nationale Fachgewerkschaft der Bauarbeiter hatte ihr das Angebot unterbreitet, am Neuaufbau der dortigen Strukturen mitzuwirken. <BR /><BR />Tila Mair nahm die Herausforderung an, weil sie „schon immer ein neugieriges Mädchen“ gewesen sei, obwohl die Ortswechsel wöchentliches Pendeln mit dem Zug zwischen Bozen und Florenz mit sich brachten. Aber sie bekam große Verantwortung für die Gewerkschaftsstrukturen in 11 Provinzen der Toskana übertragen, für die Boznerin eröffneten sich völlig neuartige Welten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="953005_image" /></div> <BR /><BR /><BR />Berührungsängste mit einer anderen Mentalität, Kultur oder Sprache hatte sie keineswegs, schließlich war sie bereits mit ihrem Pino verheiratet, seines Zeichens ebenfalls Gewerkschafter, der sich vor allem um die Rechte der Metallarbeiter verdient gemacht hatte. <BR /><BR />„Damals gab es in Südtirol noch große Vorurteile zwischen der deutsch- und italienischsprachigen Bevölkerung, obwohl ich ein Kind von Optanten war, gehörte ich zu den ersten Frauen, die die netten jungen italienischen Männer entdeckten“, erklärt Tila, die auch nach 53 Jahren Ehe von ihrem Mann nur in höchsten Tönen schwärmt. <h3> Zu aktiv, um nur von der Rente zu leben</h3>Nach ihrer Rückkehr ergab sich die Chance, in der Fachgewerkschaft für Handel und Tourismus zu arbeiten, einmal mehr überzeugte sie mit Lerneifer und Fachkompetenz, sodass sie beim Kongress zur Landessekretärin und schließlich, im Jahre 2013, zur Generalsekretärin des SGB/CISL, Südtirols stärkstem Gewerkschaftsbund, gewählt wurde. Aufgrund des Alterslimits rückte Michele Buonerba 2015 und später Dieter Mayr nach, doch Tila Mair blieb ihrem Verband treu verbunden. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="953008_image" /></div> <BR /><BR />„Ich beziehe zwar eine Rente, aber bin nicht in Rente“, meint sie und unterstreicht, wie wichtig ihr es noch immer ist, die vielen Kollegen zu unterstützen. Als Rechnungsprüferin kontrolliert sie heute die Finanzen der Organisation. Und sie werde weiterhin „aktiv und ein neugieriges Mädchen bleiben“.<BR />