Ein Gespräch über Licht- und Schattenseiten in der Landwirtschaft.<BR /><BR /><b>Toni, wie geht es Ihnen?</b><BR />Anton Tschurtschenthaler: Es geht einigermaßen. Zuerst die Tumorerkrankung und dann der Arbeitsunfall haben mir schon arg zugesetzt. Meine Gesundheit ist nicht mehr so, wie es sie für ein solches Amt braucht. Deshalb scheide ich aus. Ich bin aber froh, dass ich mit dem Leben davongekommen bin und daheim wieder anpacken kann.<BR /><BR /><b>Sie haben komplett den Hut genommen, gehören auch nicht mehr dem Bezirksbauernrat an. Warum?</b><BR />Tschurtschenthaler: Ich bin der Meinung: Wenn man ganz oben war, muss man ganz gehen. Wer in die zweite Reihe zurücktritt, läuft Gefahr, immer dreinschaffen zu wollen. Und das geht nicht. Außerdem bin ich ja noch Obmann der Sennereigenossenschaft Drei Zinnen. Da gibt es auch viel für mich zu tun.<BR /><BR /><b>Hat die Landwirtschaft in den 10 Jahren, in denen Sie Pusterer Bezirksobmann waren, an Stellenwert eingebüßt?</b><BR />Tschurtschenthaler: Ja, zweifellos. Wir brauchen nur auf die letzten Wahlen zu schauen, wo es kein Pusterer Bauernvertreter mehr in den Landtag geschafft hat. Das wäre vor 5 oder 10 Jahren undenkbar gewesen. Die Wertschätzung für die Landwirtschaft ist insgesamt zurückgegangen – und leider ist gleichzeitig der Neid innerhalb der Bauernschaft gestiegen. Das erschreckt mich, ehrlich gesagt. <BR /><BR /><b>Warum ist die Wertschätzung für die Landwirtschaft geschwunden?</b><BR />Tschurtschenthaler: Weil die Leute immer weniger Ahnung von der Landwirtschaft haben. Es ist gewiss so, wie die Leute sagen, dass wir einen großen Besitz haben, aber davon leben wir nicht. Wir leben einzig vom Bodenertrag. Wenn ich hingegen anfange, meinen Besitz nach und nach zu verkaufen, ist die Grundlage für meine Existenz als Bauer bald weg.<BR /><BR /><b>Wie schlecht geht es der Landwirtschaft wirklich?</b><BR />Tschurtschenthaler: Es geht ihr nicht so schlecht – vor allem dank der vielen Möglichkeiten eines Zuerwerbs auch auf dem Hof selbst. Wichtig ist aber, dass die Politik hier noch mehr als bisher Unterstützung bietet.<BR /><BR /><b>Stichwort Höfesterben: Wie groß ist dieses Problem?</b><BR />Tschurtschenthaler: Das ist ein ernstes Problem. Es gibt derzeit etliche Höfe, die zum Verkauf stehen – und diese Anzahl hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. <BR /><BR /><b>Warum werden so viele Höfe verkauft?</b><BR />Tschurtschenthaler: Zum einen sicher, weil die Wertschätzung für die Landwirtschaft immer mehr schwindet. Aber ein wesentlicher Grund ist auch die Freude an der Landwirtschaft: Wenn diese nicht mehr da ist, dann wird schnell über einen Verkauf des Hofes nachgedacht. Hier muss die Politik unbedingt stärker als bisher eingreifen und dem Ausverkauf einen Riegel vorschieben, notfalls auch durch Änderungen beim Höfegesetz.<BR /><BR /><b>Das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Tourismus ist auch kein ungetrübtes...</b><BR />Tschurtschenthaler: Der Tourismus schätzt die Landwirtschaft leider zu wenig. Man darf natürlich nicht alle in einen Topf werfen, aber Tatsache ist, dass viel zu viele Hotel- und Gastbetriebe unsere Produkte nicht kaufen. Ich sehe das täglich in unserer Sennereigenossenschaft. Da wäre noch ganz viel Potenzial. Leider wird oft nach wie vor das Billigste gekauft. Ich muss ehrlich sagen: Wenn wir auf den Tourismus angewiesen wären, dann wäre es um uns nicht gut bestellt. Und auch beim Wolf hat man uns ziemlich im Stich gelassen.<BR /><b><BR />Sie sagen, beim Wolf waren die Touristiker zu wenig auf der Seite der Bauern? </b>Tschurtschenthaler: Da hätten wir uns schon eine klare Positionierung erwartet. Schließlich lebt der Tourismus auch von der Landwirtschaft. Wenn wir aufhören, die Landschaft zu pflegen und die Almen zu bewirtschaften, ist es bald vorbei mit dem Tourismus in unserem Land.<BR /><BR /><b>Stichwort Wolf: Was muss da jetzt geschehen?</b><BR />Tschurtschenthaler: Es ist wirklich höchste Zeit, den Schutzstatus des Wolfes zu senken. Es muss endlich möglich sein, ab einer bestimmten Anzahl Wölfe entnehmen zu können. Ansonsten verlieren die Bauern noch mehr die Freude an ihrer Arbeit. Ich hoffe, dass sich nach den Europawahlen diesbezüglich etwas tut. Für den heurigen Almsommer werden wir wohl noch keine Lösung erwarten können.<BR /><BR /><b>Nimmt nur der Wolf den Bauern die Freude an der Arbeit?</b><BR />Tschurtschenthaler: Ein großes Problem sind sicher auch die Vorschriften, die immer mehr werden. Die Bürokratie wächst in den Himmel. Ein anderes Problem ist die zunehmende Digitalisierung, mit der viele ältere Bauern nicht mehr mitkommen.<BR /><BR /><b>Worin sehen Sie die künftigen Herausforderungen in der Landwirtschaft?</b><BR />Tschurtschenthaler: Ich bin optimistisch, dass die Berglandwirtschaft keine schlechte Zukunft hat, wenn die Bevölkerung, die Politik und der Tourismus hinter ihr stehen. Wichtig ist, dass die Freude an der Landwirtschaft erhalten bleibt, vor allem bei den jungen Leuten. Dazu gehört auch das Thema Partnerschaft in der Landwirtschaft. Wir haben immer mehr Berghöfe, wo es keine Familie mehr gibt, weil der Bauer oder die Bäuerin keine Partnerin bzw. keinen Partner findet.<BR /><BR /><b>Sie sagen dem Bauernbund Lebewohl. Gehen Sie mehr mit einem lachenden oder mit einem weinenden Auge?</b>Tschurtschenthaler: Sowohl als auch. Es ist natürlich schade, weil ich noch eine Amtszeit hätte machen können. Auf der anderen Seite bin ich aber froh, dass das Kapitel jetzt abgeschlossen ist. Obmann zu sein, bedeutet ja doch eine große Verantwortung und ein großer zeitlicher Aufwand. Ich möchte diese Zeit aber nicht missen. Ich konnte viel lernen. Aber jetzt hat ein neuer Lebensabschnitt für mich begonnen.