Es gibt viele erstaunliche Parallelen zwischen den dramatischen Tagen im Hochsommer 1973 und der Corona-Pandemie. <BR /><BR /><BR /><BR />Erste rätselhafte Fälle, dann ein Hotspot, schließlich steigende Infektionszahlen, es gibt Tote, sanitäre Maßnahmen folgen. Ebenso Reisewarnungen, umstrittene Massenimpfungen, Proteste, Ursachensuche und nicht zuletzt diverse Skandale …<BR />Es sind schon erstaunliche Parallelen, die sich beim Rückblick auf die Tage nach „Ferragosto“ 1973 auftun. <BR /><BR />Die gefürchtete Cholera sorgte damals zwischen Stiefelabsatz und Brenner für Aufruhr – wenn es auch nach dem ersten Verdachtsfall etwas dauerte, bis Südtirol davon tatsächlich Notiz nahm. „Cholera in Neapel: Schon vier Tote“ stand schließlich am 29. August erstmals auf der „Dolomiten“-Titelseite in einer Randnotiz. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="671501_image" /></div> <BR /><BR />Tag für Tag, Schlagzeile für Schlagzeile steigerte sich aber das Potenzial dieser Bedrohung. „Panikstimmung“ („Dolomiten“, 1. September 1973) machte sich breit. Aus Städten wie Florenz oder Mailand folgten weitere Infektionsmeldungen, derweil protestierten die Menschen in Neapel vor Krankenhäusern und Apotheken. „Wir wollen geimpft werden! Impft unsere Kinder!“, so die lautstarke Forderung. <BR /><BR />US-amerikanische NATO-Truppen halfen bei der folgenden Massen-Impfkampagne. Und: Die Bilder weinender Kindern an der schlimmen Impfpistole galten damals noch als gute Nachricht! Denn das große Ziel war, innerhalb von 3 Tagen die gesamte Bevölkerung der Provinz Neapel durchzuimpfen. Allein am ersten Tag sollten dies 400.000 Menschen sein, die sich ohne viel Aufhebens der Spritze stellten. Parallel dazu vermeldete Apulien den „Zitronen-Notstand“, galt doch die Zitrussäure dieser Früchte als immunsystemstärkend und wahrer „Bakterienkiller“.<BR /><BR /><b>Urlauber auf der „Flucht“</b><BR /><BR />Was an den sorgenvollen Blicken aus Deutschland wenig änderte: Südtiroler Medien etwa berichteten u.a. von den Problemen der „flüchtenden“ Urlaubsrückkehrer, weil offenbar der Nachweis einer Cholera-Schutzimpfung notwendig war. Deutschland und weitere 14 europäische Länder hatten eine Reisewarnung für Italien erlassen. Was hiesige Touristiker sorgte, doch am 5. September gab die „Dolomiten“ Entwarnung, dass es an den Grenzübergängen zwischen Reschen und Winnebach keine Kontrollen gebe. <BR /><BR />Zudem hatte tags zuvor die Südtiroler Landesregierung in einer Sondersitzung zur „Cholera-Gefahr“ unwidersprochen festgestellt: Es bestehe „keine unmittelbare Ansteckungsgefahr“, nur der Verkauf von Muscheln und von Speiseeis im offenen Wanderhandel sei bis auf Weiteres verboten. <BR /><BR /><b>Die Bakterien sind weiter unterwegs</b><BR /><BR />Denn genau darin war die Ursache des Cholera-Ausbruchs und der fulminanten epidemiologischen Entwicklung geortet worden. Galten zunächst noch Fischer als Ausgangspunkt, so stellte sich rasch heraus: Der Cholera-Bakterien-Subtyp „El Tor“ dürfte mit einer tunesischen Miesmuschel-Lieferung nach Neapel, Bari sowie Cagliari gelangt sein. Dort gab es auch die meisten der insgesamt 24 Todesfälle bzw. 277 Infektionen. Bis – Ende September – der Spuk schlagartig vorbei war.<BR /><BR /> Zumindest aus italienischer und somit auch Südtiroler Sicht. <BR />Mit einem großen „Aber“, denn laut WHO läuft die siebte Pandemie seit 1961 global weiter. Der letzte epidemiologische Ausbruch erfolgte 2017 im Jemen. Insofern ist „El Tor“ noch nicht „erledigt“, aber berechenbarer. So wie wohl auch Sars-CoV-2 irgendwann. <BR /><BR /><BR /><b>STICHWORT: Cholera</b><BR /><BR />Vibrio cholerae: Das ist der Name des Bakteriums , das seit 1817 als Auslöser des „Cholera Morbus“ bekannt ist. Von schwerem Brechdurchfall bis zu einem tödlichen Verlauf reicht die Symptompalette dieser Erkrankung, die aber nur in knapp 15 Prozent der Infektionen tatsächlich ausbricht. <BR /><BR />Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist im Falle einer symptomatischen Infektion die ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit, Zucker und Salzen<BR />– bestenfalls intravenös, weil der Magen-Darm-Trakt entzündet ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt aktuell 155 Subtypen im Register dieser sog. „Quarantäne-Krankheiten“; dabei ist nicht nur die Erkrankung selbst, sondern bereits allein der alleinige Verdacht meldepflichtig. <BR /><BR />Cholera wird durchwegs über kontaminiertes Wasser und Nahrung übertragen. Aber: Die bislang bekannten O1-Subtypen sind auch von Mensch zu Mensch übertragbar, darunter „El Tor“, der 1905 erstmals in Ägypten identifiziert wurde. Dieser bakterielle Subtyp gilt als Auslöser der mittlerweile siebten Pandemie-Welle, die seit 1961 weltweit immer wieder epidemiologisch ausbricht – siehe u.a. Italien 1973, Simbabwe 2008, Haiti 2010 oder Jemen 2016/2017 mit tausenden Todesfällen. <BR /><BR />Aus Italien liegen seit 1973 nur vereinzelte Fallmeldungen vor – zuletzt 2019: Damals war ein aus Asien eingereistes, symp-tomatisches Kind positiv getestet und sofort isoliert worden. Aus Südtirol sind aber keine Fälle bekannt. Die WHO führt im Kampf gegen die Cholera eine eigene „Agenda 2030“, um die Todesfälle weltweit um 90 Prozent zu senken. Vor allem Zentralafrika gilt seit 2018 als Hotspot. <BR /><BR />Wesentliche Mittel, um Cholera einzudämmen, sind allerhöchste Wasser- und Lebensmittelhygiene sowie ein heute als Schluckimpfung verabreichter Totimpfstoff.