In der Nacht auf den 5. Jänner 2020 hatte Stefan Lechner in Luttach mit seinem Audi TT eine Gruppe von Fußgängern erfasst. 4 Urlauberinnen und 3 Urlauber verloren ihr junges Leben. Weitere 3 Frauen und 4 Männer wurden teils schwer verletzt. Gestern hat Vorverhandlungsrichter Ivan Perathoner dem Antrag von Lechners Verteidigern Andreas Tscholl und Alessandro Tonon auf ein verkürztes Verfahren stattgegeben – bedingt durch 2 Parteiengutachten.<BR /><BR />Die Bozner Staatsanwaltschaft wirft Lechner fahrlässige Tötung im Straßenverkehr („omicidio stradale“, Art. 589bis StGB) und fahrlässige schwere bzw. schwerste Körperverletzung im Straßenverkehr (Art. 590bis StGB) vor. Den Erhebungen zufolge sei Lechner in einer 50 km/h-Zone 80 Stundenkilometern schnell gefahren. Erschwerend komme hinzu, dass er 1,97 Promille im Blut hatte. <BR /><BR />Im Sinne des Straftatbestandes „omicidio stradale“ drohen bei einem Schuldspruch bis zu 12 Jahre Haft, wenn ein Unfall ein Todesopfer gefordert hat und mehr als 1,5 Promille im Spiel waren. Sind mehrere Todesopfer bzw. Todesopfer und Verletzte zu beklagen, sind bis zu 18 Jahre möglich. <h3> Alkoholpegel wird genauer untersucht</h3>Mit einem der Parteiengutachten, die Richter Ivan Perathoner gestern zugelassen hat, soll Lechners Alkoholpegel genauer unter die Lupe genommen werden. Der Alko-Test wird normalerweise 2-mal durchgeführt – im Abstand von 5 Minuten. Dies ermöglicht, zurück zu verfolgen, ob der Alkoholpegel bereits im Sinken oder noch im Ansteigen ist. Mittels der so genannten Widmark-Formel kann dann der Blutalkoholgehalt zum Unfallzeitpunkt berechnet werden. <BR /><BR />Stefan Lechner hatte bei der ersten Messung 1,97 Promille, bei der zweiten 2,09. Ob das Ansteigen darauf hindeutet, dass Lechner vorher – im Moment des Aufpralls – weniger Alkohol im Blut hatte, und falls ja, wieviel, wird der Toxikologe und Uni-Professor Raffaele Giorgetti aus den Marken untersuchen. <h3> Wie das Auge auf starkes Licht reagiert</h3>Der zweite Parteiengutachter ist der Rechtsmediziner Dr. Roberto Rondinelli aus Padua. Seine Expertise wird sich mit der Reaktion des Auges auf plötzliche starke Lichteinstrahlung befassen – und mit dem möglichen kausalen Zusammenhang zwischen dieser Reaktion und dem schrecklichen Unfall. <BR /><BR />Wie berichtet, behängt vor Zivilrichterin Daniela Pol die <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/tragoedie-von-luttach-traegt-der-busfahrer-einen-teil-der-schuld" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Schadenersatzklage eines Unfallopfers gegen den Fahrer des Busses</a>, der die Urlaubergruppe transportiert hatte, die Firma, für die er arbeitete und die Haftpflichtversicherung des Busunternehmens. Eines der Klageargumente von Rechtsanwalt Markus Wenter ist, dass der Busfahrer Stefan Lechner geblendet habe, indem er wiederholt das Fernlicht in Richtung des Audi TT eingeschaltet habe. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="876059_image" /></div> <BR /><BR />Auf Antrag der Verteidigung fließt diese Klageschrift ins verkürzte Verfahren ein. Eine mögliche Teilschuld des Busfahrers würde sich für Lechner als spezieller mildernder Umstand auswirken. Durch die Wahl des verkürzten Verfahrens, in dem aufgrund der vorliegenden Aktenlage entschieden wird, hat Lechner automatisch Anrecht auf eine Strafreduzierung von einem Drittel. <BR /><BR />Zugute gehalten werden dürfte ihm auch, dass seine Versicherung den Geschädigten und Hinterbliebenen insgesamt 10 Mio. Euro Schadenersatz geleistet hat. Nur 2 Familien haben sich gestern mit den Rechtsanwälten Gianfranco Mattei und Michael Pichler ins Verfahren eingelassen. <BR /><BR />Am 29. Juni werden die Gutachter dem Richter ihre Erkenntnisse erläutern, in der Folge fällt das Urteil. Stefan Lechner befindet sich indes weiterhin im Kloster Neustift auf freiem Fuß, er ist gestern nicht zur Verhandlung erschienen.<BR />