Eine gewisse Aufregung vor einem Flug nach Australien wäre eigentlich normal, doch bei Michael Prenner bleibt der Puls im Normalbereich. „Am 12. April startet der Flieger in München, am 15. April wird die WM eröffnet und am 18. April bin ich im Einsatz – bereits zum 16. Mal bei einer Weltmeisterschaft“, zählt er die Faktenlage auf und ergänzt: „Mein Wettkampf findet dann exakt ein Jahr nach der dritten Organtransplantation statt.“ <BR /><BR />Aufgrund seiner außergewöhnlichen Geschichte ist Michael Prenner in der Gemeinschaft der Organtransplantierten ein weithin bekannter Mann, wegen seiner unermüdlichen Aufbauarbeit im Radsport ein geschätzter noch dazu. Wichtiger als das erscheint heute jedoch seine Haltung und seine positive Entwicklung als Patient, andere Organtransplantierten können daraus Zuversicht gewinnen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="879734_image" /></div> <BR /><BR />„In meinem Fall war der Radsport eine Art Rettungsanker, sei es aus gesundheitlicher wie auch aus moralischer Sicht“, betont der heute 68-Jährige. Damit lassen sich wohl seine großen Verdienste rund um sportliche Initiativen von Organtransplantierten erklären: Prenner hat etwa 1990 den Transplant Sportclub Südtirol aus der Taufe gehoben, ein Jahr später die ersten Radsport-Europameisterschaften für Transplantierte organisiert und war von 2001 bis 2018 treibende Kraft der Euregio-Tour für Transplantierte. <BR /><BR />Zuvor hatte er außerdem den Radsportverein in seinem Heimatdorf Auer gegründet, wenige Jahre später sollte ebendieser Radsportclub die stärksten Fahrer der Region versammeln und in 10 Jahren an die 400 Siege einfahren, darunter den Klassiker Tirreno – Adriatico für Amateure.<h3> Diagnose kurz vor Abschluss des Studiums</h3>Prenners Augen leuchten, wenn er an jene Zeiten in den 1980er-Jahren zurückblickt, erwähnt dabei seine einstigen Mitstreiter Neulichedl, Boschetto, Malfertheiner, Strobl und Cossarini, samt und sonders Siegfahrer. <BR /><BR />Genau in jenen Jahren begannen seine Nieren Probleme zu bereiten, auch darüber spricht er offen: „Ich war erst noch im Pharmaziestudium, als sich die Krankheit bemerkbar machte und ich die Diagnose bekam. Das war ein harter Schlag für mich, weil ich mein Studium nicht mehr abschließen konnte, obwohl nur mehr 4 Prüfungen fehlten. In der Apotheke muss man viel stehen, was wegen meiner stark geschwollenen Beine dauerhaft nicht machbar war. Also habe ich mich nach einer Alternative umgesehen und mit dem Unterrichten begonnen.“ <BR /><BR />Warum es überhaupt dazu kam, darüber kann er nur mutmaßen. Womöglich hing es mit einer Erkältung zusammen und den daraufhin eingenommenen Medikamenten zusammen. Danach ging es aufwärts, er konnte ein für einige Jahre ein gewöhnliches Leben führen, ehe im Jahre 1984 die Nieren versagten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="879737_image" /></div> <BR /><BR />Prenner musste für 7 Monate in die Dialyse, ehe er ein Spenderorgan bekam und im Sommer 1985 an der Universitätsklinik in Innsbruck die Transplantation durchgeführt wurde. „Es ist alles gut verlaufen, aber ich schon 6 Wochen nach der Operation musste ich wieder meine Lehrtätigkeit aufnehmen, damit ich die Stelle nicht verliere“, erinnert er sich. In so einer Situation helfe es, zuversichtlich zu bleiben, gute Gedanken an den Spender zu hegen und sich nicht hinunterziehen zu lassen. <BR /><BR />Von seinem Arzt für Nephrologie, Dr. Peter Riegler, bekam Prenner schließlich einen Hinweis mit auf dem Weg, der sich als goldrichtig erweisen sollte. Als Radsportbegeisterter solle er doch bei den VI. World Transplant Games in Innsbruck teilnehmen. „Da hatte er in mir einen Nerv getroffen, nur 3 Monate nach der erfolgreich durchgeführten OP bestritt ich dieses Radrennen in der Hoffnung, nur ja nicht Letzter zu werden“, kommt er noch heute ins Schmunzeln. <h3> Unverzichtbares Standardprogramm</h3>Eine berechtigte Befürchtung, denn bis dahin hatte er so gut wie gar keinen Sport betrieben. Das Vorhaben gelang, Prenner wurde Zehnter und fortan entwickelte sich der Radsport zum unverzichtbaren Standardprogramm – einerseits als Training und Wettkampf, sehr wohl aber auch als sinnstiftende Gemeinschaft und Lebensaufgabe. <BR /><BR />Aus medizinischer Sicht half ihm das Radfahren, den Blutdruck zu senken und kontinuierlich die Fitness zu steigern, was sich wiederum positiv auf das Selbstvertrauen und mentale Gesundheit auswirkte. 2 Jahre nach den Weltmeisterschaften in Innsbruck ging es in das exotische Singapur, dort fuhr Prenner bereits auf Platz 6. <BR /><BR />Ein Jahr später gründete er den Transplant Sportclub Südtirol, die erste Sportorganisation für Organtransplantierte in ganz Italien. Und wiederum bloß ein Jahr darauf, 1992, ist es der nimmermüde Michael Prenner, der die ersten Rad-Europameisterschaften für Transplantierte mit 50 Beteiligten aus 10 Nationen organisiert. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58866681_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR />Alles in allem ging es so weit, dass er sich seine Rennräder eigenhändig mit den besten Komponenten zusammenbaute und mehrere Sponsoren an Land zog. In der Hochphase seiner aktiven Radkarriere spulte Prenner bis zu 11.000 Kilometer im Jahr auf dem Rennrad herunter, Wettbewerbe stachelten ihn zusätzlich an, dabei fuhr er eine Vielzahl an Medaillen ein. Als goldrichtig hatte sich außerdem die Wahl des Lehrerberufs erwiesen, denn in der Schule fühlte er sich wohl und bei den Schülern kam er gut an. Den Großteil unterrichtete er Mathematik und Physik an der Gewerbeoberschule in Bozen.<BR /><BR />Ein bisschen erinnert seine Geschichte an den Film „Forrest Gump“ mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Dabei hat der Protagonist eine Reihe von überraschenden Fügungen zu bewältigen, wobei seine Konstante das Laufen ist. Mit dem Laufen tankt er Selbstvertrauen, das Laufen eröffnet ihm völlig neue Welten und Chancen, den Tiefschlägen und Tragödien läuft er dagegen einfach davon. <BR /><BR />All das macht Michael Prenner mit dem Rennrad. „Ohne das Nierenleiden wäre mein Leben mit Sicherheit anders verlaufen, durch mein sportliches Engagement öffneten sich viele Türen, die sonst wohl verschlossen geblieben wären“, räumt er ein. Dabei beruft er sich einerseits auf die vielen Länder, in denen Wettkämpfe und Weltmeisterschaften für Transplantierte ausgetragen wurden, als auch Begegnungen und Freundschaften mit bekannten Radsportlern. <h3> Dinge so nehmen, wie sie kommen</h3>15 Jahre lang tat die ersten transplantierte Niere ihren Dienst, im Jahr 2000 bekam er die zweite, und nun, vor einem Jahr war eine dritte Transplantation notwendig. Dieses Mal dauerte der Eingriff mit 6 bis 7 Stunden etwas länger, Prenner streicht wie immer die positiven Aspekte heraus: „Ich hatte immer das Glück, dass ich die Organe immer gut vertragen habe und insgesamt nur 1,5 Jahre lang zur Dialyse musste.“<BR /><BR /> Mittlerweile hat der 68-Jährige sein Sportpensum zurückgeschraubt, wenngleich er noch immer 5 Mal in der Woche auf das Rad steigt – entweder auf den Hometrainer oder wenn es die Temperaturen wieder zulassen, natürlich wieder auf das Straßenrad. Bei den World Transplant Games in Australien wird er dagegen am Kegelwettbewerb „Ten Pin Bowling“ teilnehmen, Radrennen habe er mittlerweile genug bestritten.<BR /><BR /> Wenn er auf seine 3 Transplantationen und die damit verbundenen Lebensumstände zurückblickt, so habe sich immer bewährt, sich nicht zu viele Sorgen zu machen und die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. Mit dieser Einstellung fährt er nun mit seiner ein Jahr alten Niere zum bereits dritten Mal zu World Games nach Australien. Der Puls wird wohl auch dieses Mal nur während des Wettkampfes ansteigen.<BR />