Für beide Taten soll ein 32 Jahre alter Norweger verantwortlich sein, der als christlicher Fundamentalist und Rechtsextremist beschrieben wird. Offen ist, ob er allein handelte oder Komplizen hatte. Der Doppelanschlag löste weltweit Entsetzen aus. Ministerpräsident Jens Stoltenberg sprach von der schlimmsten Katastrophe Norwegens seit dem Zweiten Weltkrieg.Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei hatten der oder die Täter zunächst die Explosion im Osloer Zentrum herbeigeführt. Wenig später feuerte ein als Polizist verkleideter Mann auf der Insel Utöya unweit der Hauptstadt das Feuer auf die wehrlosen Teilnehmer eines Sommercamps der regierenden Sozialdemokraten. Er war laut Augenzeugen zuvor am Anschlagsort in Oslo gesehen worden.Opferzahl noch ungewissDie Polizei schloss am Samstag nicht aus, dass sich die Zahl der Toten weiter erhöhen könnte. Im See um die Insel Utöya werde nach weiteren Opfern gesucht. Im Osloer Ullevaal-Krankenhaus wurden am Samstag 28 Verletzte behandelt, die meisten von ihnen erlitten schwere oder lebensgefährliche Verletzungen.Komplize möglichDie Polizei ging zunächst von einem Einzeltäter aus, schließt aber inzwischen nicht mehr aus, dass er einen Komplizen hatte. „Wir haben mehrere übereinstimmende Zeugenaussagen, wonach es einen zweiten Täter geben soll. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, das aufzuklären“, sagte Kriposprecher Einar Aas der Online-Ausgabe der Zeitung „Verdens Gang“.Augenzeugenberichten zufolge wurde mehr als 45 Minuten auf die rund 600 Jugendlichen in dem Ferienlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF geschossen. Überlebende berichteten im TV-Sender NRK von Panik und Chaos. Viele der Teenager im Alter von 14 bis 17 Jahren sprangen aus Todesangst ins Wasser, um schwimmend von der Insel zu entkommen. Auch auf sie sei geschossen worden. Laut NRK konnte der Attentäter erst von Antiterror-Spezialisten gestoppt werden, die ihn vom Hubschrauber aus mit Tränengas betäubt hätten. Mutmaßlicher RechtsradikalerDer noch am Freitag festgenommene 32-Jährige wird der rechten Szene zugeordnet und soll laut Polizei „christlich-fundamentalistisch“ orientiert sein. Er war bei einem schwedischen Neonazi-Internetforum angemeldet und war von 1999 bis 2006 auch Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, die zweitstärkste Kraft im Osloer Parlament ist. Als Vorbild soll er unter anderem den niederländischen Islam-Kritiker Geert Wilders genannt haben.Bei dem Mann wurden zwei Schusswaffen, darunter eine Maschinenpistole, sichergestellt. Seit dem Frühjahr soll er sechs Tonnen Kunstdünger gekauft haben, der zur Herstellung von Bomben geeignet war. Man habe keinen Verdacht geschöpft, weil er einen Agrarhandel „Geofarm“ für Gemüse und Früchte betrieb, sagte die Sprecherin des Großhändlers Felleskjöbet, Oddny Estenstad, am Samstag dem TV-Sender NRK.Oslo von Militär gesichertDie Osloer Innenstadt, wo die Explosion große Zerstörungen angerichtet hat, wurde am Samstag vom Militär gesichert. Die Einheiten sollten vor allem die Ermittlungsarbeit der Polizei im Regierungsviertel absichern. Die norwegische Flagge wehte an allen öffentlichen Gebäuden auf halbmast, Teile des Stadtzentrums waren menschenleer. Oslo hält den Atem an„Das ist heute wie in einer Geisterstadt“, sagte der 17-jährige Norweger Harald Jakhelln. Der Osloer Bürgermeister Fabian Stang stellte seine Stadt in eine Reihe mit früheren Terrorzielen wie New York oder London.Regierungschef Stoltenberg sprach von einer „nationalen Tragödie“ und sagte: „Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir in unserem Land keine schlimmere Katastrophe erlebt.“ Über seine persönlichen Erinnerungen an Sommerlager auf der Insel sagte Stoltenberg: „Utöya war das Paradies meiner Jugend. Gestern wurde es in eine Hölle verwandelt.“ König Harald V. forderte seine Landsleute auf, „in dieser schweren Situation zusammenzustehen und einander zu stützen“. Stoltenberg und der König besuchten am Samstagnachmittag die in einem Hotel nahe der Insel untergebrachten Opfer.Der norwegische Außenminister Jonas Gahr Störe versicherte, dem rechtsextremistischen Hintergrund der Tat auf den Grund gehen zu wollen: „Das ist ein Phänomen, das wir sehr ernst nehmen müssen.“ Stoltenberg räumte ein, dass Norwegen Probleme mit Rechtsextremen habe. „Aber verglichen mit anderen Ländern würde ich nicht sagen, dass wir ein großes Problem mit ihnen haben.“ Internationale Gemeinschaft bestürzt Die internationale Gemeinschaft zeigte sich erschüttert von den Anschlägen. Neben US-Präsident Barack Obama, EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Kreml-Chef Dmitri Medwedew verurteilte auch der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi die Tat.US-Präsident Obama rief zu einer stärkeren Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror auf. Der britische Premierminister David Cameron bot Norwegen Hilfe an, unter anderem durch eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder. Der deutsche Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich „tief betroffen und fassungslos“. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte Solidarität gegen Ausländerfeindlichkeit: „Dieser Hass ist unser gemeinsamer Feind.“ Bisher war Norwegen von Terroranschlägen verschont geblieben. apa/dpa/reuters