<BR />Im Interview spricht der Experte für Suizidprävention <b>Dr. Thomas Kapitany</b> darüber, warum Suizidgedanken kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck tiefer seelischer Not sind – und weshalb es so wichtig ist, offen darüber zu sprechen und Hilfe anzunehmen.<BR /><BR /><b>Warum ist Suizid allgemein so ein Tabuthema?</b><BR />Dr. Thomas Kapitany: Das hat viel mit der menschlichen Natur zu tun. Über Tod und Sterben zu sprechen, ist für viele schon schwierig. Und Suizid wirft noch einmal ganz eigene Probleme auf. Die Vorstellung, dass ein Mensch sein Leben selbst beendet – sich also aktiv entscheidet zu gehen –, ist emotional und ethisch schwer zu fassen. <BR /><BR />Suizid bedeutet auch immer einen Verlust für die Angehörigen. Und dieser Verlust ist anders als bei einem „natürlichen“ Tod, weil sich der Verstorbene bewusst für diesen Schritt entschieden hat.<BR /><BR /><embed id="dtext86-70663934_quote" /><BR /><BR />Zurückbleibende stellen sich dann zwangsläufig Fragen: „Was hätten wir tun können?“ – „Was habe ich falsch gemacht?“ – „Bin ich schuld?“ Dieses Schuldempfinden ist oft sehr stark und macht es umso schwerer, offen darüber zu sprechen. Viele Hinterbliebene fühlen sich allein gelassen – das ist ein zusätzliches Problem.<BR /><BR />Es geht darum, die grundlegenden menschlichen Reaktionen auf das Thema sichtbar und nachvollziehbar zu machen – und ihnen gleichzeitig ihre Schwere zu nehmen. Es ist eben völlig verständlich, dass man sich mit Suizid unwohl fühlt – man will nicht ständig darüber lesen oder schreiben. Und doch müssen wir einen Umgang damit finden.<BR /><BR /><BR /><b>Was raten Sie Menschen, die Suizidgedanken haben oder hatten?</b><BR />Dr. Kapitany: Als aller Erstes: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen in seelischen Krisen suizidale Gedanken haben. Das betrifft mehr Menschen, als man glaubt. Die meisten jedoch, das ist ganz entscheidend, überwinden diese Phase – mit Hilfe. Suizidalität ist nichts Abnormes, sondern ein Zeichen tiefer seelischer Not.<BR /><BR /><embed id="dtext86-70664460_quote" /><BR /><BR />Ich rate daher allen, darüber zu reden. Gerade weil Ängste, Leid oder belastende Gedanken normal sind. Entweder mit Vertrauenspersonen im privaten Umfeld oder mit professionellen Fachkräften die rund um die Uhr bereitstehen (siehe Infobox am Ende des Artikels). <BR /><BR />Suizidale Gedanken entstehen selten von einem Tag auf den anderen – meist sind sie Ausdruck einer psychischen Belastung oder einer Depression. In beiden Fällen ist die Sicht auf die eigene Situation stark negativ eingefärbt. Der Gedanke, das Leben zu beenden, entsteht aus einem Gefühl der totalen Ausweglosigkeit.<BR /><BR />Aber: <i>Auch wenn man das Gefühl hat, nichts und niemand kann einem mehr helfen <b>-</b> Hilfe steht zu jedem Zeitpunkt bereit und kann der Anfang eines Weges aus der Krise sein.</i><BR /><BR /><BR /><b>Ziehen sich Menschen in suizidalen Phasen oft zurück? Wie kann man ihnen in dieser Phase am besten helfen?</b><BR />Dr. Kapitany: Ja, eines der größten Risiken ist, dass Betroffene – speziell Männer – sich komplett zurückziehen. Das ist mit ein Grund, warum Männer drei- bis viermal häufiger durch Suizid sterben als Frauen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-70664464_quote" /><BR /><BR /> Wir müssen ihnen bewusst machen, dass sie es nicht allein schaffen müssen, dass sie offen über ihre Probleme reden können. Die meisten jedoch, das ist ganz entscheidend, überwinden diese Phase – mit Hilfe. Sie schaffen es, über Ängste, quälenden Gedanken, Kummer und sogar Suizidgedanken zu sprechen und sich auch professionelle Unterstützung zu holen.<BR /><BR /><b>Ist Suizidalität vergleichbar mit einer heilbaren körperlichen Erkrankung? Mit der richtigen Behandlung „verschwindet“ sie wieder?</b><BR />Dr. Kapitany: Ja, der Vergleich ist durchaus sinnvoll – auch wenn ich das Wort „Erkrankung“ in dem Zusammenhang nicht unbedingt verwenden würde. Es geht eher um eine massive seelische Not. Aber ja: Mit der richtigen Hilfe kann sich die Situation wieder drehen - Suizidgedanken sind häufig etwas Vorübergehendes. <b>Es gibt einen Weg heraus.</b> Und genau darum geht es – diesen Weg zu finden, <i>gemeinsam mit anderen.</i><BR /><BR /><h3> Hilfsangebot und Anlaufstellen in Südtirol</h3> <u><b>Im akuten Notfall:</b></u> Notrufnummer 112<BR /><BR /><u><b>Bei psychischer Belastung:</b></u><BR /><BR />- Psychologisches Krisentelefon 24/7: Grüne Nummer <b>800 101 800</b> (richtet sich sich hauptsächlich an Menschen in existenziellen Krisensituationen) <i>zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar</i><BR /><BR />- Psychologische Dienste (<i>zu Bürozeiten</i>)<BR />Bozen: <b>0471 435001</b><BR />Meran: <b>0473 251960</b><BR />Bruneck: <b>0474 586220</b><BR />Brixen: <b>0472 813100</b><BR /><BR />- Caritas Telefonseelsorge: <b>0471 052 052</b><i>zu jeder</i><i>Tages- und Nachtzeit erreichbar</i><BR /><BR /> - Anonyme Online-Beratung (Chat): <a href="https://telefonseelsorge.bz.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.telefonseelsorge.bz.it</a><BR /><i>Montag bis Donnerstag von 18 bis 21 Uhr</i> & Mailberatung <i>rund um die Uhr</i><BR /><BR />- Erste Hilfe im Krankenhaus (Bozen, Meran, Brixen und Bruneck) : Psychiatrischer Bereitschaftsdienst <i>rund um die Uhr</i><BR /><BR />- Weitere Anlaufstellen für betroffene Menschen und Angehörige:<BR /> <a href="https://www.suizid-praevention.it/de/netzwerk-suizidpraevention-1231.html" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.suizid-praevention.it </a> & <a href="https://www.dubistnichtallein.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.dubistnichtallein.it</a>