Seit wenigen Tagen neuer Vorsitzender des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz hat Josef Oberhofer klare Vorstellungen. „Die Politik muss klare Entscheidungen treffen, die Gesellschaft lernen Maß zu halten“, sagt der 63-Jährige im Antrittsinterview. „Und der Natur- und Umweltschutz muss uns etwas wert sein.“<BR /><BR /><b>Wie steht es um Südtirols Natur und Umwelt?</b><BR />Josef Oberhofer: Gute Frage. Jedenfalls nicht soooo schlecht. In der Vergangenheit ist nicht alles falsch gemacht worden. Das soll aber nicht heißen, dass nicht noch einiges zu tun bleibt.<BR /><BR /><b>Zum Beispiel? </b><BR />Oberhofer: Artenvielfalt und Biodiversität, Energiewende, Transit ... die Bereiche, in denen es ein Umdenken braucht, sind viele. Dringend braucht es jedenfalls einen Strukturwandel in der Gesellschaft – gegen die Verschwendung von Ressourcen hin zum richtigen Umgang damit. Wenn sich etwas ändern soll, muss sich die Gesellschaft ändern. Erst dann ändert sich auch die Politik.<BR /><BR /><b>Trauen Sie Südtirols Politik den nötigen Wandel zu?</b><BR />Oberhofer: Es braucht eine Politik, die den Mut hat, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Solche Politiker haben wir derzeit wenige. Die Zeit der Kompromisse ist vorbei. Das ist aber genau das, was die Politik immer tut: Kompromisse suchen. Für Natur- und Umweltschutz bzw. gegen den Klimawandel braucht es aber klare Entscheidungen.<BR /><BR /><b>Die Landesregierung hat sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben...</b><BR />Oberhofer: Ich kann dieses Wort nicht mehr hören. Es kann nicht alles nachhaltig sein. Wir müssen das Thema nüchtern angehen, klare Entscheidungen treffen. <BR /><BR /><b>Nämlich?</b><BR />Oberhofer: Wir müssen wieder lernen, Maß zu halten. Klima- und Umweltschutz hat aber absolut nichts mit Selbstkasteiung zu tun. Und mit Verboten ist es ebenso wenig getan. Damit erreicht man das Gegenteil. Es geht vielmehr darum, Maß zu halten. Im Verzicht liegt schließlich auch der Genuss der Dinge. <BR /><BR /><b>Für viele bedeutet Verzicht aber doch gerade den Verlust der eigenen Freiheit.</b><BR />Oberhofer: Das Hauptproblem ist, dass wir heute alles auf Knopfdruck haben können. Nehmen wir ein banales Beispiel: Früher hat man höchstes sonntags ein Schnitzel gegessen. Wenn wir wieder dahin zurückkämen, wäre der Genuss um ein Vielfaches höher und wir hätten einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Klimaschutz bedeutet nicht, sein Leben radikal zu ändern.<BR /><BR /><b>Wo bräuchte es aus Ihrer Sicht eine sofortige Wende?</b><BR />Oberhofer: Obwohl er eigentlich die größte Lobby haben müsste, hat er die kleinste. Von der Politik sind zwar ein paar gute Ansätze und Bemühungen da, aber es braucht in allen Bereichen ein Umdenken: beim Transit, beim Verkehr, beim Overtourism ... Es ist eben von allem zu viel. Deshalb sage ich es noch einmal: Wir müssen wieder lernen, Maß zu halten.<BR /><BR /><b>Und was ist Ihr erster Schritt im Verband?</b><BR />Oberhofer: Der wird sein, zu schauen, dass der Verband finanziell besser dasteht. Mich ärgert, wie viele Millionen Euro die IDM bekommt, um unser Land zu vermarkten, unzählige Touristen ins Land zu holen, die dann unsere Straßen verstopfen und Ressourcen verbrauchen. Für den Natur- und Umweltschutz hingegen gibt es nur schöne Sonntagsreden. Es geht nicht einmal um viel Geld, aber um Planungssicherheit. Zudem will ich das bestehende Netzwerk weiter ausbauen, die Jugend mehr einbinden. Mein Vorgänger hat mit der Fridays for Future-Bewegung einen ersten Schritt gemacht. Das ist nun weiter auszubauen.