Wie die BILD-Zeitung kürzlich berichtet, breitet sich am Gardasee eine „neue Gefahr“ im Wasser aus: riesige Welse. Immer häufiger fangen Fischer Exemplare mit über zwei Metern Länge und bis zu 80 Kilogramm Gewicht. Diese Raubfische stellen zunehmend ein Problem dar – sie sind gefräßig, wachsen durch milde Winter immer weiter und bedrohen das ökologische Gleichgewicht des Sees.<BR /><BR />Speerfischer berichten von dramatischen Szenen bei der Jagd auf die Tiere, bei denen Speere brechen und der Kampf bis zu einer Stunde dauert. Die Jagdgründe, besonders zwischen Sirmione und Punta Grò, bieten mit flachem Wasser und dichtem Unterwassergras ideale Bedingungen für die Welse, die sich dort von Wirbellosen und Fischen ernähren. Das heißt, die Welse werden mehr, die restliche Fischpopulation leidet massiv. Eine Lösung zur Eindämmung ist bislang nicht in Sicht.<BR /><BR />Bedrohen die gefräßigen Fische jedoch mehr als nur das dortige Ökosystem? Ein Faktencheck.<h3> Sechs Fragen an Alex Festi – Geschäftsführer des LFV Südtirol</h3><b>Herr Festi, es ist die Rede von einem „epochalen Problem“ für das Ökosystem im Gardasee – können Sie das bestätigen?</b><BR />Alex Festi: Der Wels steht an der Spitze der Nahrungskette und frisst, was er bekommen kann. Dabei richtet er nicht nur große Schäden an der einheimischen Fischfauna an, sondern beeinflusst auch das gesamte ökologische Gleichgewicht der Gewässer. Seine Verbreitung geht auf die 1980er-Jahre zurück – damals gelangen erste Exemplare ins Gewässersystem des Po. Heute ist der Wels in vielen Gewässern Italiens, wie im Fluss Po, aber inzwischen auch im Gardasee, ein Spitzenprädator geworden.<BR /><BR /><BR /><b>In einigen Berichten ist sogar davon die Rede, dass Welse Enten und kleine Hunde fressen sollen. Stimmt das?</b><BR />Festi: Solche Fälle sind extreme Ausnahmen – aber es gibt sie. Welse können bis zu drei Meter lang werden. In Polen wurde tatsächlich ein solches Exemplar gefangen. Es gibt auch Aufnahmen, in denen Welse Tauben oder andere Tiere am Ufer erbeuten. Grundsätzlich gilt: Der Wels versucht, alles zu fressen, was in sein Beuteschema passt. Für Menschen ist er aber keine ernsthafte Bedrohung.<BR /><BR /><BR /><b>Welche konkreten Folgen hat seine Anwesenheit für das Ökosystem im Gardasee?</b><BR />Festi: Vor allem die einheimischen Fischarten leiden darunter. Diese haben sich über Jahrtausende ohne einen nächtlich aktiven Spitzenräuber wie den Wels entwickelt – sie sind diesem also nicht angepasst. Der Gardasee beherbergt zum Beispiel eine endemische Art, den Carpione oder auch Gardaseeforelle genannt, die nur hier vorkommt. Die genauen Auswirkungen auf diese Fischart und auch weitere Arten können nur schwer eingeschätzt werden, es wird jedoch sicher zu Änderungen in deren Bestand kommen.<BR /><BR /><BR /><b>Seit wann ist der Wels im Gardasee heimisch? Erst kürzlich?<BR /></b>Festi: Ursprünglich stammt der Wels aus dem Donauraum. In Italien wurde er ab den 1980er-Jahren eingebracht. Im Gardasee selbst wurde er erst vor etwa zehn Jahren zum ersten Mal eingebracht. Wahrscheinlich ist er über den Fluss Mincio, der aus dem Gardasee abfließt, eingewandert. Eine Schleuse dürfte ihn vorher am Eindringen gehindert haben.<BR /><BR /><BR /><b>Sind diese wirklich „ungewöhnlich“ groß? Warum werden Welse (in Italien) überhaupt so groß?</b><BR />Festi: Das liegt an mehreren Faktoren: Zum einen erreichen sie von Natur aus große Größen. Zum anderen haben sie hier kaum natürliche Feinde. Dazu kommen milde Temperaturen und ein reichhaltiges Nahrungsangebot – das alles begünstigt ihr Wachstum. In wärmeren Regionen wie Italien oder Spanien wachsen sie daher oft schneller und größer als etwa in der Donau.<BR /><BR /><b><BR /> Der Gardasee soll ideale Bedingungen für Welse bieten (flaches Wasser, dichtes Untergras, milde Temperaturen im Winter) – ist das korrekt?</b><BR />Festi: Teils, teils. Grundsätzlich ist der Wels ein Flussfisch. Ob der Gardasee wirklich ein „optimales“ Habitat für ihn ist, würde ich nicht pauschal sagen. Es gibt Bereiche, in denen er viele Beutefische findet – das ist natürlich ideal für ihn. Aber ob der gesamte See ein Top-Gewässer für Welse ist, lässt sich so einfach nicht beurteilen.