Im Artikel sehen Sie außerdem eine Bildergalerie mit exklusiven Fotos der Expedition, Zeitungsartikel aus den Dolomiten-Archiven und ein Interview mit Extrembergsteiger Hans Kammerlander. <BR /><BR /><BR /><BR />von Martin Tinkhauser<BR /><BR /><BR />Wenige Tage vor der Abreise aus Südtirol stellt Hans Kammerlander „seine“ Expedition im Rahmen einer Pressekonferenz in Sand in Taufers vor. Er möchte mit 10 Südtiroler Bergsteigern – mehrere sind noch ohne große Erfahrung im Extrembergsteigen – den Manaslu über die Nordostwand besteigen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="640484_image" /></div> <BR /><BR /><b>Die große Chance</b><BR /><BR />Die einzelnen Teilnehmer hatten sich gut vorbereitet. Heimische Sponsoren hatten das rund 100 Millionen Lire teure Unternehmen großzügig unterstützt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="640487_image" /></div> <BR /><BR />So wie Reinhold Messner im Jahr 1982 ihm wollte Kammerlander den Nachwuchsbergsteigern eine Chance geben. Am 22. Mai wollten die Südtiroler wieder zurück sein.<BR /><BR /><b>Infos vom Postläufer</b><BR /><BR />1991 war eine Nachrichtenübermittlung, wie wir sie heute kennen, noch nicht möglich. Die Infos zum Ablauf der Expedition trafen mit rund 10 Tagen Verspätung in Südtirol ein. Ein Postläufer übermittelte die Nachrichten aus dem Basislager. Für die Strecke nach Kathmandu brauchte er 8 Tage. <BR /><BR /><b>„Alle sind gesund“</b><BR /><BR />Am 10. Mai 1991 berichtete das Tagblatt „Dolomiten“ von großen Schwierigkeiten der Gruppe aufgrund der enormen Schneemengen. „Weit wichtiger war jedoch die Kunde, dass alle Mitglieder der Mannschaft wohlauf und die Moral unvermindert gut war“, hieß es damals wörtlich – tragischerweise genau an jenem Tag, als die zweifache Tragödie passieren sollte.<BR /><BR /><b>Die Nachricht, die keiner glauben wollte</b><BR /><BR />Am 17. Mai machten bereits Gerüchte in Bruneck die Runde, dass Friedl Mutschlechner (51) und Karl Großrubatscher (29) tödlich verunglückt seien. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="640490_image" /></div> <BR />Am 18. Mai wurde die Schreckensnachricht dann von Hans Kammerlander bestätigt. Die beiden Alpinisten hatten am 10. Mai – bei 2 voneinander unabhängigen Unfällen – ihr Leben verloren.<BR /><BR /><b>Trauer und Betroffenheit</b><BR /><BR />Der Tod der 2 Bergsteiger hatte in ganz Südtirol tiefe Betroffenheit ausgelöst.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="640493_image" /></div> <BR />In der Dolomiten-Ausgabe vom 25./26. Mai 1991 kamen auch die Bergkollegen und Mutschlechners Sohn René zu Wort und sprachen über ihre Trauer. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="640496_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="640499_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="640502_image" /></div> <BR /><BR />Wie Hans Kammerlander mitteilte, hatte er zusammen mit Friedl Mutschlechner und Karl Großrubatscher am 10. Mai den letzten Versuch unternommen, doch noch den Manaslu-Gipfel zu erreichen. Alle früheren Versuche hatten wegen des anhaltenden Schlechtwetters und meterhohen Neuschnees frühzeitig abgebrochen werden müssen. Kurz, nachdem die Gruppe vom Lager 3 aufgebrochen war, beschlossen Mutschlechner und Großrubatscher umzukehren. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="640505_image" /></div> <BR /><BR /><b>Gebrochenes Genick</b><BR /><BR />Heftiges Schneetreiben hatte eingesetzt. Kammerlander ging weiter, musste auf 7600 Metern aber ebenfalls umkehren. Im Lager 3 angekommen, fand er Mutschlechner schlafend im Zelt vor. Das zweite Zelt war leer. Die beiden Freunde mussten annehmen, dass sich der erfahrene Großrubatscher schon zum darunterliegenden Lager aufgemacht hatte.Die Vermutung stellte sich schnell als Fehleinschätzung heraus: Nicht weit vom Lager entfernt lag Großrubatschers lebloser Körper. Er war vermutlich auf einem angrenzenden Eisturm ausgeglitten und hatte sich beim Sturz das Genick gebrochen. Es war 9 Uhr vormittags.<BR /><BR /><b>Das Undenkbare passiert</b><BR /><BR />Nachdem sie ihren Kameraden beigesetzt hatten, machten sich Mutschlechner und Kammerlander auf den weiten Rückweg, holten im Lager 2 noch einige Ausrüstungsgegenstände und wollten auf ihren Skiern das Lager 1 auf rund 5500 Metern erreichen. <BR /><BR />Kurz davor kam Nebel auf. Schneefall setzte ein und zwang die Bergsteiger gegen 16 Uhr zum Innehalten. Völlig unerwartet, weil für diese Höhe eine Seltenheit, zuckte ein Blitz vom Himmel und traf Friedl Mutschlechner am Kopf. Er war sofort tot. Wie auch das Tagblatt „Dolomiten“ am 29. Mai 1991 berichtete, sind die Eisriesen im Himalaja seine letzte Ruhestätte.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="640508_image" /></div> <BR />Wenn Hans Kammerlander an das zurückdenkt, was vor 30 Jahren am Manaslu passiert ist, kann er das heute im Frieden tun. Lange Jahre, zu lange, wie er meint, war der Manaslu sein Schicksalsberg, den er nach der Tragödie um seine beiden Bergkameraden Karl Großrubatscher und Friedl Mutschlechner regelrecht gehasst hat und dem er nicht wieder begegnen wollte.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-48924586_gallery" /><BR /><BR /><BR /><b>Kammerlander im Interview zum 30. Jahrtag der Tragödie</b><BR /><BR />Hans Kammerlander sitzt auf der Bank vor seinem Haus in Ahornach und blickt in die Weite des Tauferer Talbodens. <BR /><BR />„Der Friedl war ein Perfektionist in Fels und Eis, mit Skiern und als Bergsteiger viel besser, als er bekannt war“, sagt Kammerlander über seinen Freund Friedl Mutschlechner. Zudem sei er wahnsinnig vorsichtig und sicher unterwegs gewesen, „aber ein bestimmtes Restrisiko bleibt einfach“. Der Friedl war aber auch ein Freund, „den du einfach spontan anrufen konntest, um über Gott und die Welt, vor allem aber über die Berge zu reden.“ <BR /><BR />Wenn Kammerlander heute auf die Zeit vor 30 Jahren zurückblickt, kommt er zur Erkenntnis, dass er selber „schon wahnsinniges Glück“ gehabt hat. Und dabei wird er auch durchaus selbstkritisch. „Ich habe dieses Glück herausgefordert. Gerade in den jungen Jahren haben nur die Wand und der Gipfel gezählt. Umdrehen gibt's nicht“. <BR /><BR />Friedl Mutschlechner war, davon ist Kammerlander überzeugt, einer der 3 besten Südtiroler Kletterer seiner Zeit. Umso schwerer wog für Kammerlander der Verlust seines besten Freundes: „Jedes Mal, wenn ich den Namen Manaslu höre, ist die Geschichte wieder da.“ Der Berg wurde für ihn zum Feindbild. Kammerlander: „Aus heutiger Sicht hätte ich sofort wieder zum Berg zurück sollen. Nicht den Kopf in den Sand stecken und einen Hass schieben. Das war falsch.“<BR /><BR />Heute ist Kammerlander viel zu Vorträgen unterwegs, zu Meetings hoher Firmenvertreter. „Diese muntere ich auf, nach Schicksalsschlägen, egal ob im Beruf oder privat, nach vorne zu gehen. Das versuchte ich auch im Manaslu-Kinofilm zu kommunizieren“. Wer professionell und erfolgreich unterwegs sein will, „kann nicht immer nur sichern, denn da bleibt er der Zehnte.“ Es brauche Vertrauen an sich selbst.<BR /><BR />Es war dann tragischerweise wieder ein tödlicher Unfall eines Seilgefährten, der letztendlich den Anstoß gab, zum verhassten Manaslu zurückzukehren.<BR /><BR />Am 11. Mai 2006 war Kammerlander mit dem Ahrntaler Bergführer Lois Brugger dabei, die Vorbereitungen für die Erstbesteigung des Jasemba in Nepal durchzuführen. Beim Abstieg stürzte Brugger tödlich ab.<BR /><BR />Ein Jahr danach zog es Kammerlander noch einmal zum Jasemba, „auf Überredung von Karl Unterkircher“, wie er betont. Die Expedition gelang. Die beiden Bergsteiger widmeten ihre Route Lois Brugger und am Gipfel fühlte Kammerlander ein Gefühl großer Zufriedenheit und Nähe zu Brugger. „Eine tragische Geschichte so zu verarbeiten ist viel besser, als sich zurückzuziehen.“<BR /><BR />Am Rückweg nach Kathmandu beschlossen Kammerlander und Unterkircher, gemeinsam zum Manaslu zurückzukehren. Unterkircher wollte zuvor noch einige schon geplante Projekte zu Ende bringen, darunter 2008 eine Nanga-Parbat-Expedition. Dabei verunglückte er tödlich.<BR /><BR />Hans Kammerlander wird nachdenklich: „Von den Bergkollegen, die mit mir auf den großen Bergen unterwegs waren, leben noch 3: Diego Wellig (Nanga Parbat), Konrad Auer (Kangchendzönga) und Reinhold Messner.“ Viele professionelle Kletterer bezahlen ihre Leidenschaft mit dem Leben. „Wenn ein Formel-1-Fahrer einen Fehler begeht, landet er im Reifenstapel, ein Skirennläufer im Netz. Am Berg gibt es kein Netz“, resümiert Kammlander. Fakt ist aber auch, so unterstreicht er, „niemand schickt uns; wir akzeptieren das Risiko und gehen damit los.“<BR /><BR />Für seinen Biografie-Film „Manaslu“ kam Kammerlander 26 Jahre nach der Katastrophe noch einmal an jenen Punkt zurück, wo er kurz nach dem Unfall von Karl Großrubatscher auch Friedl Mutschlechner verloren hatte. „Es war eine sternenklare Nacht, der Schnee hat im Mondlicht geglitzert. Es hat nicht weh getan, hier zu sein.“ <BR /><BR />Im Zelt saß sein Seilgefährte Stefan Keck und hörte Musik zum Einschlafen. „Und ganz leise drang aus dem Zelt das Lied von Hubert von Goisern ‚Wie die Zeit vergeht‘. Es war einer der schönsten Momente in meinem Leben – allein für diesen Moment hat es sich gelohnt, zum Manaslu zurückzkehren.“<BR /><BR />Die hohen Gipfel reizen Kammerlander inzwischen nicht mehr. Nach Nepal wird er aber noch zurückkehren, dann aber, um die von ihm seit Jahren finanzierten Schul- und Waisenhaus-Projekte weiter zu betreuen.