Dr. Julia Kompatscher, Oberärztin in der Landesintensivstation redet Klartext und erklärt, welche Medikamente zum Einsatz kommen. <BR /><BR /><BR />„Bei vielen kommt bei der Entlassung die Erkenntnis, dass Corona nicht 2 Wochen Lungenentzündung sind. Sie brauchen einen Ergotherapeuten, damit sie wieder lernen, einen Löffel zum Mund zu führen“, sagt die Fachärztin.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="705974_image" /></div> <BR />Seit Beginn der Pandemie sind 608 Patienten in einer Intensivstation in Südtirol gelandet. Mit einem Medikament ist es jedenfalls bei weitem nicht getan: „Es gibt keine wirklich kausale Therapie gegen das SARSCoV2-Virus. Bisherige Versuche mit Virostatika zeigen keinen signifikanten Effekt, auch viele weitere Medikamente waren in groß angelegten Studien nicht wirksamer als ein Placebo“, berichtet Oberärztin Dr. Julia Kompatscher. <BR /><BR />„In der Landesintensivstation in Bozen haben wir viele unterschiedliche Verläufe gesehen. Aber auch bei leichterem Krankheitsverlauf berichten Patienten noch Monate später, dass sie noch nicht auf dem Niveau von vorher sind. Ein Intensivpatient berichtete ein Jahr nach der Entlassung, dass er mehr als eine halbe Stunde pro Tag vor dem Computer nicht schafft“, erzählt Dr. Kompatscher. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="705977_image" /></div> <BR />„Die schlimmsten Nachwirkungen, die laut neuesten Erkenntnissen nicht nur mit der intensivmedizinischen Behandlung, sondern auch mit Corona direkt zusammenhängen dürften, sind sog. Cholangitiden, also Entzündung der Gallenwege. Das kann in einem Funktionsverlust der Leber enden und eine Transplantation nötig machen“, erklärt die Intensivmedizinerin. <BR /><BR /><b>In künstlichem Tiefschlaf</b><BR /><BR />Es gibt Patienten, bei denen eine Therapie mittels Beatmungsmaske reicht. Sehr viele Covid-Intensivpatienten müssen aber letztlich in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt werden, ein Beatmungsschlauch wird in die Luftröhre eingeführt. „Nach einer künstlichen Beatmung über viele Tage ist aber fast immer ein Luftröhrenschnitt nötig, um den Patienten wieder mühevoll, Schritt für Schritt, vom Gerät zu entwöhnen – wir sagen weanen. Im wachen Zustand würde man den Schlauch auch nicht tolerieren, er ruft extremen Würgreiz hervor“, sagt Dr. Kompatscher. <BR /><BR />Künstlicher Tiefschlaf hat immer einen starken Muskelschwund zur Folge – jeder, der auf der Intensivstation landet, muss folglich mit einer längeren Rehabilitation rechnen. „Natürlich gibt es große Unterschiede. Bei manchen geht es schneller, aber im Durchschnitt brauchen die Patienten noch 2 bis 3 Monate nach der Entlassung, bis sie wieder an ein normales Leben denken können“, erklärt Dr. Kompatscher. <BR /><BR /><b>Blutdruckmittel und Antidepressiva</b><BR /><BR />So gut wie alle Patienten, die nach einer überlebten, schweren Coronainfektion die Intensivstation verlassen, müssen nach ihrer Entlassung weiter Kortison schlucken, dazu ein Bluthochdruckmittel und Antidepressiva. „In der Regel sind das vorübergehende Probleme, die sich lösen“, sagt Dr. Kompatscher. Was aber allen Intensiv-Coronapatienten gemein sei, ist die Erkenntnis, dass das Coronavirus definitiv nicht eine „Grippe oder eine normale Lungenentzündung“ ist, die 2 oder 3 Wochen dauert.<BR /><BR /><BR /><b>Welche Medikamente erhält ein Intensivpatient?</b><BR /><BR />Welche Medikamente erhält ein Intensivpatient? Die Säulen der sogenannten supportiven Intensivtherapie sind Kortison und ein Antikoagulationsmittel, niedermolekulares Heparin (NMH). Dr. Julia Kompatscher erläutert die typischen Medikamente, die Coronapatienten erhalten, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen: <BR /><BR /><b>Kortison</b>: Hemmt die Entzündungsprozesse im Körper, wichtige Nebenwirkungen sind eine Schwächung des Immunsystems, Erhöhung der Blutfette und des Blutdrucks (bei 90 Prozent der Patienten, muss mit blutdrucksenkenden Mitteln gegengesteuert werden) und oft eine Depression. <BR /><BR /><b>Heparin</b>: Hemmt die Blutgerinnung, birgt aber das Risiko einer erhöhten Blutungsneigung, vom Zahnfleischbluten bis hin zu einer Magen-Darm- oder sogar Hirnblutung (in Bozen gab es Fälle).<BR /><BR /><b>Opiate</b> (z.B. Sufentanyl): Für den Tiefschlaf nötig, machen abhängig, Entzugserscheinungen (hoher Puls, Schwitzen, Verwirrung, Aggressionen) sind die Folge.<BR /><BR /><b>Sedativa</b> (Beruhigungs- und Narkosemittel): Für den Tiefschlaf nötig, machen wie die Opiate ebenfalls abhängig, Entzugserscheinungen sind die Folge, nach langer Therapie schwere Delirzustände (geistige Verwirrtheit). Manche Sedativa können auch Leberschäden hervorrufen. <BR /><BR /><b>Sondenkost</b>: Kalorien, Vitamine, Spurenelemente. In Rückenlage wird das alles über eine Nasenmagensonde zugeführt, in Bauchlage wird die Ernährung über den Magen meist nicht toleriert, da läuft es über den Zentralen Venenkatheter (parenterale Ernährung). Letztere birgt eine erhöhte Infektionsgefahr und kann die Leberfunktion beeinträchtigen. <BR /><BR /><b>Antibiotika/Pilzmittel</b>: Bei längerer Beatmung fast immer nötig, da das Risiko für eine zusätzliche Lungenentzündung durch Bakterien und Pilze mit jedem Tag auf der Intensivstation steigt. Antibiotika können u. a. zu Leber- und Nierenversagen führen. <BR /><BR /><b>Kreislaufmedikamente</b>: Für die kontinuierliche Kreislaufunterstützung, vor allem bei Patienten im künstlichen Koma oder mit schwerer systemischer Infektion (Sepsis), damit der Blutdruck nicht zu weit abfällt. Nebenwirkung: Die Gefäße verengen sich, und das kann im Extremfall zu minderdurchbluteten Arealen (z. B: Darm, Finger, Zehen) führen. <BR /><BR /><b>Harntreibende Mittel (Diurektika)</b>: Die Nierenfunktion wird unterstützt und die Lunge wird zusätzlich entwässert. Kann vor allem bei vorerkrankten Patienten zu Nierenversagen führen. <BR /><BR /><b>Magenschutz</b>: Hemmt die Säureproduktion im Magen und verhindert damit Gastritis, Ulcus und eventuelle Magenblutung.<BR /><BR /><b>Antidepressiva</b>: 60 bis 70 Prozent der Patienten entwickeln im Rahmen des Intensivaufenthalts Depressionen, bedingt durch den langen, schweren Verlauf, Erlebnisse wie z.B. den Tod des Bettnachbarn und die Erkenntnis, dass nach der Beatmung der Weg noch lang ist.<BR />