<i>Interview: Ulrike Huber</i><BR /><BR />In seiner Bilanz zum Abschied aus dem Berufsleben kann Dr. Rammlmair auf etliche Erfolge verweisen, so gilt er als „Vater der Frühdefibrillation“ in Südtirol. Aber der Sanitätsdirektor musste auch Ermittlungen und Streit vor Gericht wegstecken.<BR /><BR /><b>Vor einigen Jahren haben Sie Ihre Präsidentschaft beim Weißen Kreuz zurückgelegt, jetzt Ihr Amt als Sanitätsdirektor. Bleiben Sie dem Weißen Kreuz noch in einer Funktion erhalten?</b><BR />Dr. Georg Rammlmair: Ich bleibe Präsident des Vereins Heli, der die Flugrettung koordiniert. <BR /><BR /><b>Sie haben den Verein in schweren Zeiten übernommen und das in Doppelfunktion, als Präsident und Sanitätsdirektor zugleich…es ging drunter und drüber, es liefen Ermittlungen…wie erinnern Sie sich an das erste Jahr?</b><BR />Dr. Rammlmair: Es waren damals tatsächlich turbulente Zeiten, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft liefen noch und die Situation war sehr angespannt. Als neu gewählter Vorstand haben wir damals begonnen, eine neue Struktur aufzubauen und Abläufe niederzuschreiben. Wir hatten externe Berater, die uns behilflich waren und nach einiger Zeit kehrte dann auch Ruhe im Verein ein. Wenn ich heute zurückdenke, war es eine spannende und aufregende Zeit, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. <BR /><b><BR />Der Präsident des Weißen Kreuzes steht im Rampenlicht, der Sanitätsdirektor nicht. Was war Ihre wichtigste Aufgabe, worauf sind Sie besonders stolz, es erreicht zu haben?</b><BR />Dr. Rammlmair: Mein Vorgänger als Präsident beim Weißen Kreuz war Karl Pellegrini. Auch er war Mediziner und führte das Amt des Sanitätsdirektors in Personalunion aus, genauso wie ich. Man kann sagen, dass diese Doppelfunktion als Präsident und Sanitätsdirektor historisch gewachsen war, denn es wurde über 55 Jahre so gelebt. Es war auch immer selbstverständlich, dass man beiden Funktionen ehrenamtlich ausführte. In meinem Amt als Präsident war es meine wichtigste Aufgabe, dem Verein eine Struktur und eine gute Organisation zu geben. In meiner Funktion als Sanitätsdirektor war es mir wichtig, unseren Mitarbeitern eine angemessene Ausbildung zu verschaffen und diese in Form von Landesbeschlüsse ratifizieren zu lassen. Beides ist mir mit viel Geduld gelungen. <BR /><BR /><b><embed id="dtext86-46888390_quote" /><BR /><BR />Als Sie einstiegen, war es für alle klar: Im Notfall 6 mal die 4 wählen und Hilfe kommt. Heute ist es völlig normal, die 112 zu wählen. Am Anfang gab es viele Vorbehalte gegen die Notrufnummer 118 und wohl auch die Angst beim Weißen Kreuz, etwas zu verlieren, wenn Rettung kommt und nicht das Weiße Kreuz. Können Sie darauf jetzt mit einem Schmunzeln zurückblicken oder war das eine harte Zeit?</b><BR />Dr. Rammlmair: Über viele Jahrzehnte hinweg herrschte effektiv ein Konkurrenzkampf mit dem Roten Kreuz. Sowohl im operativen Dienst als auch in der Führung. Mir war aber von Anfang an klar, dass es wichtig war, Ruhe in die Rettungswelt zu bringen und alte Denkmuster auszuräumen. Es kam schließlich zu einer Vereinbarung mit dem Roten Kreuz, die auch in einem Landesbeschluss niedergeschrieben wurde. Eine ähnliche Vereinbarung wurde gegen Ende der 1990-er- Jahre auch in der Flugrettung mit dem Aiut Alpin geschlossen. Die Einführung einer gemeinsamen Notrufnummer war hier rückblickend sicher hilfreich. Heute herrscht zwischen allen Organisationen ein enge Partnerschaft und sehr gute Zusammenarbeit.<BR /><BR /><b>Sie gelten als „der Vater der Frühdefibrillation“ in Südtirol. Wie geht es Ihrem Kind heute?</b><BR />Dr. Rammlmair: Ich hatte schon Ende der 1990-er-Jahre die Frühdefibrillation als eine Tätigkeit gesehen, die auch von Laien ausgeübt werden kann. Am Anfang wurde ich wegen dieser Idee belächelt und man drohte mir sogar mehrfach mit Strafanzeige. Wenn ich mich jetzt umschaue und auf den meisten Südtiroler Dorfplätzen, Sportanlagen, Autobahnraststätten und sogar Skihütten öffentlich zugängliche Frühdefibrillatoren sehe, habe ich wohl recht behalten. Und wenn ich dann noch bemerke, dass auf den meisten AED-Säulen ein Logo des Weißen Kreuzes angebracht ist, muss ich schon schmunzeln. Ich denke, der Einsatz hat sich gelohnt. <BR /><b><BR />Ein harter Kampf Anfang des Jahrtausends war jener um den Einsatz von Krankenpflegern im Rettungsdienst. Sogar vor Gericht wurde der Streit ausgetragen. Als Notarzt, aber wohl auch als Sanitätsdirektor des Rettungsvereins, saßen Sie oft zwischen 2 Stühlen. Heute läuft es im Rettungsdienst ganz natürlich, Pfleger und Sanitäter arbeiten Schulter an Schulter. Hat es die Auseinandersetzung, die die Gemüter über lange Zeit stark erhitzte, gebraucht, um so weit zu kommen?</b><BR />Dr. Rammlmair: Wenn ich jetzt zurückdenke, war das Problem damals nicht die Rolle des Krankenpflegers an und für sich, sondern die Art und Weise wie die Interessenvertretung damals vorgegangen war. Es wurden viele Unwahrheiten verbreitet und es gab von verschiedenen Seiten heftigen Widerstand. Dabei war die Zusammenarbeit zwischen Rettungssanitätern und Krankenpflegern im Dienst immer eine sehr positive. Letztendlich hat uns die oberste Instanz aber immer Recht gegeben. Wichtig ist, dass wir heute ein effizientes Rettungswesen in Südtirol haben, das der Bevölkerung sowohl in der Stadt als auch am Land eine sehr gute Versorgung bieten kann. Mein Nachfolger kann daran weiterarbeiten und das System qualitativ weiterentwickeln. <BR /><b><BR /><BR /><BR />Rotes und Weißes Kreuz waren früher Konkurrenten, das Rote Kreuz wurde oft auch politisch als ein Pfeiler der „Italianitá“ benutzt. 2004 wurde die einheitliche Zentrale für Krankentransporte eingeführt, Rotes und Weißes Kreuz arbeiten auch im Rettungsalltag gut zusammen. Gewähren Sie uns einen Blick hinter die Kulissen: Warum ist die Zusammenführung plötzlich gelungen? Kam Ihnen Ihre Doppelrolle – Sie waren ja auch als Notarzt unterwegs und geschätzt – bei der Vermittlung zugute?</b><BR />Dr. Rammlmair: Wie ich schon einleitend schon gesagt habe, war es immer mein Ziel, die Spannungsfelder mit den Partnerorganisationen auszuräumen und Projekte wie die gemeinsame Einsatzzentrale voranzutreiben. Hilfreich war hier aber mit Sicherheit auch eine neue Generation von Führungskräften auf beiden Seiten. Alte Reibereien wurden vergessen oder aus der Welt geschaffen und die gegenseitige Unterstützung trat in den Vordergrund. Heute haben wir einen harmonischen Austausch, sowohl in der Führungsebene als auch bei den Mitarbeitern im operativen Dienst. Letztendlich geht es immer um das Wohl der Bevölkerung. <BR /><BR /><b><embed id="dtext86-46888391_quote" /><BR /><BR />Seit 2007 besteht das Projekt einer Sanarena, 2008 wurde es genehmigt. Was ist daraus geworden?</b><BR />Dr. Rammlmair: Effektiv hatten wir alle notwendigen politischen Zusagen für dieses Projekt. Allerdings hat sich unser Ausbildungskonzept in diesen Jahren deutlich geändert. Es war für unsere Vereinsstruktur sinnvoller, eine dezentrale Schulungsstrategie weiterzuverfolgen. Wir verfügen heute in unseren 32 Sektionssitzen über moderne Ausbildungsräume mit allen notwendigen Ausstattungen. Wir können vor Ort digitale Simulationstrainings durchspielen und unseren freiwilligen und angestellten Mitarbeitern eine adäquate Ausbildung anbieten, ohne dass diese viele Kilometer zurücklegen müssen. Auch im Sinne der externen Ausbildung, sprich Erste-Hilfe-Kurse für die Bevölkerung, machen Veranstaltungen in der Peripherie mehr Sinn als in einer zentrale Schulungsstruktur in Bozen. <BR /><BR /><b>2017 wurde Ihnen das Ehrenzeichen des Landes Tirol verliehen. Wie wichtig sind Ihnen solche Auszeichnungen? Tragen Sie es stolz am Revers? </b><BR />Dr. Rammlmair: Diese Ehrung hat mich sehr berührt. Die Auszeichnung hat bei mir einen Ehrenplatz. Ich sehe sie allerdings eher als Ehrung der Leistung des Gesamtvereins, dem ich vorstand, als meiner eigenen Person.<BR /><b><BR />Einmal Arzt, immer Arzt: Werden Sie jetzt in der Coronapandemie in den Dienst zurückkehren?</b><BR />Dr. Rammlmair: Ich war beim Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 als Sanitätsdirektor des Weißen Kreuzes mitten im Geschehen und konnte die Entwicklungen sehr nahe miterleben. In unserem Führungsstab mussten wir wichtige Entscheidungen treffen, die ich als verantwortlicher Mediziner abschätzen und freigeben musste. Damals haben wir wichtige Weichen gestellt, die letztendlich dazu geführt haben, dass wir im Bereich Rettungswesen auch in der zweiten Welle gut vorbereitet sind. Es war eine sehr spannende Zeit. Ich habe aber auch damals bereits entschieden, meine Tätigkeit als Sanitätsdirektor abzugeben und Platz für einen jungen Nachfolger zu machen. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />