Der 27-Jährige schildert uns, wie es war, seine Mutter in Südtirol zurückzulassen, wie die Lage vor Ort ist, was er vom russischen Präsidenten Wladimir Putin hält, wie es für ihn jetzt weitergeht und warum er auch den Tod in Kauf nimmt. <BR /><BR /><BR /><b>Wann sind Sie in die Ukraine aufgebrochen?</b><BR />Oleh: Am Donnerstag, 24. Februar, ging der Krieg los, 2 Tage später, am Samstag, bin ich zusammen mit einem Kollegen mit einem der Busse, die für uns Ukrainer organisiert wurden, von Südtirol aus in Richtung Ukraine gestartet. Wir nahmen die Route über Slowenien und Ungarn und passierten dort die ungarisch-ukrainische Grenze bei Záhony bzw. Tschop. Von Tschop aus fuhren wir dann noch etwa 5 Stunden in den Westen des Landes nach Lemberg (ukrainisch: Lwiw), 70 Kilometer von der polnischen Grenze. Hier habe ich viel Zeit meines Lebens verbracht und in der Nähe habe ich auch eine eigene Wohnung. Im Moment befinde ich mich aber zu Hause bei einem Freund.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="743555_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sind auch weitere in Südtirol lebende Ukrainer freiwillig zum Kämpfen in die Heimat zurückgekehrt?</b><BR />Oleh: Außer von meinem Kollegen und mir, weiß ich nur noch von einem weiteren Ukrainer aus Meran, dass er hier hergekommen ist. Aber natürlich könnten es noch einige mehr sein. (Anm.d.Red. <a href="https://www.stol.it/artikel/politik/tausende-ukrainer-aus-dem-ausland-zum-kaempfen-zurueckgekehrt" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">66.224 Ukrainer sind nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers Olexii Resnikow bisher in ihre Heimat zurückgekommen, um sich dem Kampf gegen das russische Militär anzuschließen</a>)<BR /><BR /><b>Wann trafen Sie die Entscheidung, Südtirol zu verlassen und für Ihr Heimatland zu kämpfen?</b><BR />Oleh: Eigentlich sofort. Als ich hörte, dass Putin unser Land angegriffen hat, habe ich meine Sachen gepackt. Ich bin sehr verbunden mit der Ukraine, ich bin hier geboren und habe hier auch Verwandte und Freunde, die ich immer mal wieder besucht habe. <BR /><BR /><b>Wen mussten Sie in Südtirol zurücklassen?</b><BR />Oleh: Meine Mutter! Sie hat sehr geweint und wollte mich zum Bleiben bewegen. Auch einige meiner Freunde haben mich gefragt, ob ich nicht lieber bleiben will. Doch für mich gab es keine Alternative, auch wenn meine Entscheidung nicht für alle nachvollziehbar ist, einen sicheren Ort gegen den Krieg und die Ungewissheit einzutauschen. Mein Land wurde ohne Grund angegriffen, Putin, der übrigens nichts als ein feiger Lügner ist - bringt uns alle unnötig in Gefahr, es sterben unschuldige Menschen, unsere Städte werden zerstört. Zu Hause in Südtirol sitzen, gemütlich leben und zuschauen, wie mein Land zerbombt wird? Nein, das kam für mich nicht in Frage. Ich muss für mein Land kämpfen. Das würden Sie doch auch, jeder würde das tun. Stellen Sie sich vor Südtirol würde grundlos angegriffen werden, da würdet ihr doch auch das Land mit allen Mitteln verteidigen!<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="743558_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie ist die Lage vor Ort?</b><BR />Oleh: Wie gesagt, ich bin momentan in Lemberg (Lwiw). Hier ist die Situation noch relativ ruhig, Kampfhandlungen finden hier noch keine statt. Nichtsdestotrotz sind wir weit weg von Normalität, man merkt auch hier, dass sich unser Land im Krieg befindet und die Russen befinden sich weiter auf dem Vormarsch. Immer wieder heult der Luftschutzalarm, die Mobilisierung läuft, ab 22 Uhr herrscht Ausgangssperre. Außerdem sind unzählige Geflüchtete unterwegs, die entweder über Lemberg, das als Tor zum Westen gilt, in Richtung Polen flüchten oder eben hier Unterschlupf suchen. Das Leid dieser Leute ist unvorstellbar. Ich erlebe aber eine enorme Solidarität, wir Ukrainer stehen zusammen, versorgen uns gegenseitig, und jeder, der irgendwie Platz hat, stellt diesen den Geflüchteten spontan zur Verfügung. Auch ich habe in meiner Wohnung 2 Familien aufgenommen. Die Geschichten, die man von unseren Leuten aus den angegriffenen Landesteilen hört und die Fotos, die sie uns zeigen, sind erschreckend und bestätigen mich tagtäglich darin, dass mein Weg der Richtige ist. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="743561_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie geht es jetzt für Sie weiter?</b><BR />Oleh: Gleich bei meiner Ankunft habe ich mich als freiwilliger Kämpfer gemeldet und werde jetzt ausgebildet. So wie alle Männer zwischen 18 und 60 und auch viele weitere Freiwillige – Männer wie Frauen -, die jetzt unser Land verteidigen. Die meisten von uns sind ja komplett unerfahren im Umgang mit Waffen, im Kämpfen, im Überleben, bei Rettungsmaßnahmen, Erste Hilfe usw. Das lernen wir jetzt und werden ausgerüstet. Und dann gehe ich in den Krieg. Wohin genau, werden sie mir noch sagen. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="743564_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Haben Sie Angst?</b><BR />Oleh: Nein. Ich weiß, dass ich sterben könnte, aber das nehme ich in Kauf. Wir Ukrainer sind ein sehr stolzes und unabhängiges Volk und lassen uns das nicht gefallen. Unser Präsident Selenskyi, der ja von vielen unterschätzt oder gar belächelt wurde, zeigt jetzt seine wahre Größe. Er ist unser Held. Sein harter Widerstand, Kampfesgeist und den Spirit, den er verbreitet, sind für uns enorm wichtig und geben uns Kraft. Putin hat damit gerechnet uns in kürzester Zeit zu bezwingen, da hat er sich aber gewaltig getäuscht. Ich bin sicher, dass das erst der Anfang ist, der Krieg wird noch Jahre dauern und die Russen verlieren sowieso. Wir kämpfen bis zum bitteren Ende, unser Volk stirbt lieber, als dass es sich unterwirft.<BR /><BR /><BR />