Im Gespräch mit uns erinnert sich Cuno Tarfusser, damals ermittelnder Staatsanwalt, zurück. Er kannte beide Todesopfer persönlich. <BR /><BR />„Das war eine brutale Sache. Gefängniswärter haben kein leichtes Leben, die Welt hinter Gittern ist ein Ort der Gewalt und das reflektiert auch auf die Gesellschaft. Das will aber kaum jemand wahrhaben – bis etwas passiert“, sagt Cuno Tarfusser. <BR /><BR /><embed id="dtext86-63451024_quote" /><BR /><BR />„Ich erinnere mich noch genau: Es war Nachmittag, ich war schon nach Hause gegangen, weil ich etwas fiebrig war. Und dann kam dieser Anruf: ein Blutbad im Bozner Gefängnis, also fuhr ich sofort los“, so Tarfusser. Der Anblick, der sich den Ermittlern gleich am Eingang bei der Pförtnerloge bat, war schrecklich. <h3> Was war passiert?</h3>Der 24jährige, aus Sizilien stammende Vollzugsbeamte Massimo Bertè war in die Pförtnerloge des Bozner Gefängnisses gestürzt, hatte seine Dienstpistole gezogen und auf die 4 im Raum anwesenden Wachbeamten gefeuert. <BR /><BR />Die ersten 4 Kugeln des Kalibers 9 Millimeter Parabellum trafen den Kommandanten des Wachpersonals, Angelo Fratacci (38). Am Hals, in die Brust und in die Arme getroffen, blieb er schwer verletzt liegen.<BR /><BR /> Bertè schwenkte daraufhin seine Waffe herum und schoß der 44-jährigen Lidia Scola in die Brust. Mit jeweils einem Schuss verletzte er Antonio Cardillo (33) und Antonio Pinter (46), bevor er ein weiteres Mal auf den auf dem Boden liegenden Fratacci feuerte, der es inzwischen – trotz seiner schweren Verletzungen – geschafft hatte, den Alarmknopf unter dem Schreibtisch zu drücken. <h3> „Il miracolato“</h3>Da setzte sich Bertè die Dienstwaffe an die rechte Schläfe und drückte ab. Er war sofort tot. Auch Lidia Scola erlag der Schussverletzung noch im Gefängnis. Fratacci, Cardillo und Pinter überlebten teils schwer verletzt. Insbesondere Fratacci hat wie durch ein Wunder überlebt hat doch eine Kugel die Halsschlagader gestreift. Tarfusser sprach ihn deshalb scherzhaft in den Jahren danach immer mit „il miracolato“ an.<BR /><BR />„Ich habe sowohl Lidia Scola als auch Massimo Bertè gekannt. Scola begleitete oft Häftlinge zu Verhandlungen ans Landesgericht, da wechselten wir immer wieder ein paar Worte miteinander. Bertè traf ich vornehmlich im Gefängnis, wo ich ja regelmäßig zu Verhören hinging“, erinnert sich Tarfusser. <BR /><BR />Bereits am nächsten Tag kam Justizminister Giovanni Conso nach Bozen und besuchte gemeinsam mit Tarfusser die Verletzten im Krankenhaus. Der schockierende Fall blieb wohl auch tief in Consos Gedächtnis haften. „Ich habe ihn erst wieder im Sommer 2014 in Rom wieder getroffen, und da sprach er mich noch auf den Vorfall an.“<h3> Der Auslöser</h3>Was Massimo Bertè zu seiner Wahnsinnstat getrieben hatte, konnte nie bis ins letzte Detail geklärt werden. Letzter Auslöser dürfte aber den Ermittlungen zufolge ein Verweis gewesen sein, den der 24-Jährige am Tag zuvor von Fratacci erhalten hatte. Bertè habe nachts auf Wache geschlafen und sei deshalb gerügt worden. Einige Stunden vor seinem Amoklauf hatte ein Arzt im Bozner Spital einige Tage Krankenstand verweigert, die Bertè von ihm gefordert hatte.<BR /><BR />Bertès Unwohlsein dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit psychischer Natur gewesen sein. Nicht wenige Vollzugsbeamten litten – und leiden teils auch heute – unter Überbelastung aufgrund von Unterbesetzung, auch sitzen seit jeher im völlig veralteten Bozner Gefängnis mehr Häftlinge ein als vorgesehen. <BR /><BR />Cuno Tarfusser weiß um diese Probleme, hatte er sich doch in seiner Amtszeit als Leitender Bozner Staatsanwalt vehement für einen Gefängnisneubau eingesetzt. Doch bis heute harrt Bozen noch einer Lösung.<BR /><BR /><embed id="dtext86-63451028_quote" /><BR /><BR />„Vollzugsbeamte unterliegen einer großer psychischen Belastung, sie haben generell kein leichtes Leben, da sie den ganzen Tag mit Straftätern verbringen und ihre Arbeit ziemlich isoliert von der Gesellschaft ausüben“, sagt Tarfusser. <BR /><BR />In Bertès Fall traf dies umso mehr zu, da er von auswärts stammte und sogar seine private Unterkunft im Gefängnis hatte. „Die Welt hinter Gittern ist ein Ort der Gewalt, immer wieder gibt es Selbstmorde, Schlägereien, Revolten – und die Dinge, die sich dort abspielen, reflektieren auch auf die Gesellschaft. Diese sieht die Menschen im Gefängnis aber vielfach nur als Abschaum an, der weggesperrt gehört, kaum jemand will sich mit der Situation konfrontieren. Man will es nicht wahrhaben, man schaut tendenziell weg – bis einmal etwas passiert“, bedauert er.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996175_image" /></div> <BR />