Walter Locher wurde 1928 geboren und wuchs auf dem „Schneidnwind Gietl“ in Nordheim auf. Kurz vor Kriegsende erhielt er einen Einberufungsbefehl. „Ich bin nicht gegangen, habe nichts getan und nichts gesagt. Ich habe mir gedacht: Wenn sie mich wollen, dann müssen sie mich schon holen“, erzählt er rückblickend. Doch niemand kam. Stattdessen erhielt er den Befehl, in einem Tunnel in der Sarner Schlucht Wache zu stehen.<BR /><BR />Dort hatten italienische Truppen zahlreiche Maschinen angeliefert, um Munition herzustellen. Die Arbeit sollten Kriegsgefangene übernehmen, die in der Früh mit Militärlastwagen gebracht wurden. Walter war zusammen mit einem weiteren Sarner an der Nordseite des Tunnels stationiert.<h3> Tunnel war voll Maschinen, Kugeln und Schießpulver </h3>„Wir haben heimlich ein bisschen nachgeschaut – da waren große Mengen Kugeln, Kapseln und Schießpulver. Der ganze Tunnel war voller Maschinen“, berichtet er. Der Befehl lautete, jede vorbeikommende Person zu kontrollieren. „Halt, wer da?“, war die gängige Frage. Wer kein Kennwort nannte, auf den sollten sie schießen. <BR /><BR />An das Kennwort kann sich Walter nicht mehr erinnern. „Ich hielt das Gewehr immer bereit und versteckte mich hinter einer Maschine. Ich hätte geschossen, wenn jemand das Kennwort nicht gesagt hätte“, sagt Walter. Zum Glück kam es nie dazu.<BR /><BR />Weniger Glück hatten zwei junge Burschen aus Jenesien, die die Südseite des Tunnels bewachten. Dort, wo deutlich mehr Leute aus Richtung Bozen eintrafen, kam es zu einem tragischen Vorfall: Italienische Partisanen, die das Kennwort nicht nannten, näherten sich dem Tunnel. Bevor die Wachposten reagieren konnten, wurde einer der Jenesier von einem Bauchschuss getroffen.<BR /><BR />Der Schwerverletzte wurde im Tunnel auf eine Bahre gelegt, wo er vor Schmerzen schrie. „Der andere Bursche kniete neben ihm mit einem Rosenkranz in der Hand und betete“, erinnert sich Walter. Ein Sarner wollte Hilfe holen, aber er traute sich auf normalem Weg nicht hinaus. So trug er sein Fahrrad zur Talfer hinunter und fuhr nach Bozen, um den Vorfall zu melden. Zwar wurde der Schwerverletzte noch abgeholt – überlebt hat er jedoch nicht.<h3> Nach Kriegsende kamen Deutsche und Amerikaner</h3>Das eigentliche Ende des Krieges bekam Walter nur am Rande mit. „Ich hörte im Radio, dass die Deutschen kapituliert hatten. Ich war schon erleichtert, aber es hat mich nicht groß berührt, weil ich nicht direkt betroffen war“, stellte er nüchtern fest. Er sei noch zu jung gewesen, um das ganze Ausmaß des Krieges zu verstehen. <BR /><BR />Während der Kriegsjahre ist es ihm persönlich nicht schlecht gegangen. „Wir mussten keinen Hunger leiden. Meine zwei Schwestern lebten mit ihren Kindern bei uns im Haus, daher bekamen wir Lebensmittelkarten. Und auf unserem kleinen Hof hatten wir das meiste, was wir brauchten – nur Wurst und Käse hatten wir keine“, sagte er.<BR /><BR />Unmittelbar nach der Kapitulation kamen deutsche Soldaten übers Penser Joch, während von Bozen her die Amerikaner mit Militärfahrzeugen einrückten. Sie brachten große Brocken Rindfleisch, Schokolade und Kaffee mit. In Astfeld übernahmen sie die Wache und ließen deutsche Soldaten nicht mehr passieren. <BR /><BR />Beim Schulhaus in Sarnthein wurde ein provisorisches Gefangenenlager eingerichtet, das aber bald wieder aufgelöst wurde. Viele Menschen hielten sich damals in den Sarner Bergen auf – sie waren entweder auf dem Heimweg oder auf der Flucht.<BR /><BR />Jedenfalls ist es nie so weit gekommen, dass Munition und Waffen hergestellt wurden. Bevor es zur Produktion kam, war der Krieg zu Ende. Viele Sarner gingen hinaus in den Tunnel, um sich Werkzeuge oder anderes Material mitzunehmen. Doch bald wurde dem ein Ende gesetzt, denn die Italiener holten alles wieder ab.