„Im Jahr 2014, nach vielen Gesprächen und Zweifeln, bin ich zum Punkt gekommen, dass ich entschieden habe, mein eigenes Leben selber gestalten zu wollen, sonst vergeht es einfach“, sagt der Franziskaner Moritz Windegger. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Am heutigen Sonntag versprechen Sie, „für immer“ in den Franziskanerorden eintreten zu wollen. Sind Sie aufgeregt? Haben Sie ein neues Ordenskleid gekauft?</b><BR />Moritz Windegger: Momentan bin ich nicht aufgeregt. Von einem Mitnovizen, der voriges Jahr die Feierliche oder Ewige Profess abgelegt hat, habe ich gelernt, mir als Betroffener zu sagen: Die anderen werden das schon machen. Ich trage mein Einkleidungshabit. Und was zu meiner Ruhe beiträgt: Ich bin ja daheim. In der Franziskanerkirche Bozen bin ich schon lange daheim. <BR /><BR /><b>Durften Sie sich dann den Ort für Ihre Feierliche Profess aussuchen?</b><BR />Windegger: Ich durfte den Wunsch angeben, dem entsprochen wurde. Ich habe mir das Datum um den 17. September, auf den das Patroziniumsfest fällt, gewünscht. <BR /><BR /><b>Sie sind jetzt 43 und haben den Ruf erst vor 7 Jahren gehört. Woher wussten Sie, aus welcher Ecke der Kirche der Ruf kam?</b><BR />Windegger: Ich bin zu den Franziskanern gegangen, weil ich sie kannte. Berufungen in der Kirche geschehen in der Regel, weil man jemanden kennt, der diesen Weg geht. Seit ich 9 Jahre alt bin, kenne ich viele Franziskaner. 2014, nach vielen Gesprächen und Zweifeln, bin ich zum Punkt gekommen, dass ich entschieden habe, mein eigenes Leben selber gestalten zu wollen, sonst vergeht es einfach. Der Ruf kam nicht erst 2014, ich habe nur bis dahin gebraucht, darauf zu antworten. <BR /><BR /><embed id="dtext86-50696591_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>War es denn eine klare Entscheidung für das Kloster? Oder gab es Vorfälle im Leben, denen Sie vielleicht entfliehen wollten? War es eine Entscheidung gegen etwas anderes?</b><BR />Windegger: Nein. Es war eine klare Entscheidung für das Ordensleben. Ich hatte einen sehr schönen Beruf, in dem ich auch recht erfolgreich war und ein ausgeprägtes Sozialleben. Ich habe nur lange gezaudert, weil ich kein klares Berufungserlebnis hatte, wie es beispielsweise der Heilige Paulus hatte, der Licht sah und sich zu Boden warf. Ich habe mit wenigen Leuten geredet, jenen, die die Zweifel an so einem Ruf verstehen können. <BR /><BR /><b>Sie haben während der Pandemie die Entscheidung getroffen, die Feierliche Profess ablegen zu wollen. Hat Corona Ihren Glauben gestärkt oder verändert?</b><BR />Windegger: Nein, ich denke nicht. In mir ist die Erkenntnis gewachsen, dass alle den Wert der geistlichen Pflege und Begleitung schätzen sollten. In anderen Diözesen habe ich gesehen, dass viele Menschen, die ein durchschnittliches kirchliches Sozialleben führen, einen geistlichen Begleiter haben. Ein geistlicher Begleiter ist kein bester Freund, es ist einer, der einen Schritt zurück macht und auf das Leben blickt, der Fragen stellt, die man sich selbst vielleicht nicht stellen würde, es nicht wagen würde oder nicht stellen will. Ich würde sagen, er ist ein Coach mit Anspruch auf Glauben. Und noch etwas ist mir in der Pandemie klar geworden: Der Mensch ist mehr, als die Naturwissenschaft erklären kann. Ich will damit sagen, wenn wir rein naturwissenschaftlich argumentieren würden, wüssten wir genau, wie wir die Pandemie beenden können. Aber es gibt eben einfach ein Mehr, die Wissenschaft allein reicht nicht. Dasselbe gilt für die Friedenssicherung, wo die Rechtswissenschaft nicht reicht oder der Klimawandel, wo ebenso die Wissenschaft nicht reicht. <BR /><BR /><b>Kommt hier dann Gott ins Spiel?</b><BR />Windegger: Es gibt Leute, die sagen, betet, dann ist die Pandemie weg. Das ist aber nicht biblisch und zu einfach. Auch das Spirituelle, das Geistliche, macht den Menschen aus und das ist es, das man genauso wie die physische Gesundheit pflegen muss. Die Sprachlosigkeit – und die erleben wir in der Pandemie und ihrer Überwindung – führt zu Gewalt. <BR /><BR /><b>Sie leben nun schon eine Weile im Kloster. Wird sich Ihr Alltag nach der Feierlichen Profess ändern?</b><BR />Windegger: Ich bekomme einen neuen ordensrechtlichen Status, aber im Alltag ändert sich praktisch nichts. In den nächsten Monaten werde ich vor allem an der Beendigung meines Theologiestudiums arbeiten. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-50696596_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Können Sie dann wählen, in welchem Kloster Sie leben möchten?</b><BR />Windegger: Franziskaner werden in der Regel versetzt. Gehorsamkeit ist das am stärksten unterstrichene Gelübde. Wir leisten es auch in die Hand des Oberen, nicht in Richtung Altar wie beispielsweise die Benediktiner. <BR /><BR /><b>Sie müssen einiges geloben...was fällt Ihnen am schwersten?</b><BR />Windegger: Mit 17 dachte ich, es sei der Gehorsam. Mit 26 dann wäre es die Keuschheit gewesen. Aber seit ich mit 36 ins Kloster eingetreten bin, habe ich erkannt, dass die Besitzlosigkeit das schwierigste ist. Und ich rede von Besitzlosigkeit im Sinne von Franz von Assisi. Materielle Armut ist relativ – es geht um Anspruchslosigkeit den anderen gegenüber, es geht um das Loslassen von Eigenem. Dass die Besitzlosigkeit, wie sie Franz von Assisi lebte, unerreichbar ist, wussten schon seine Zeitgenossen. Aber es ist das Ziel. Und wir müssen uns darauf einstellen, regelmäßig zu scheitern. Es gibt keinen perfekten Franziskaner. <BR /><BR /><b>Gibt es denn etwas, wo Sie sagen: Franz, nein, das lass ich mir nicht nehmen?</b><BR />Windegger: Ich rauche, für manche ist das der letzte Prüfstein. Ich habe das nie zur Diskussion gestellt. Werde ich drauf angesprochen, antworte ich: Dann bin ich noch nicht so weit. <BR /><BR /><b>Am Sonntag sagen Sie dann „für immer“ – wie andere bei der Hochzeit. Was tun Sie, wenn Sie kalte Füße kriegen?</b><BR />Windegger: Dann rufe ich den hl. Antonius an. <BR /><BR /><b>Warum den hl. Antonius?</b><BR />Windegger: Der hl. Antonius fasziniert mich. Ich finde es spannend, wie viele Menschen, auch solche, die keinen Bezug zur Kirche haben, den hl. Antonius verehren, sein Grab in Padua besuchen und ihn anrufen, wenn sie etwas verlieren. <BR /><BR /><b>Bleiben Sie Bruder Moritz oder bekommen Sie einen Ordensnamen?</b><BR />Windegger: Das Vatikanische Konzil hat die verpflichtende Ablegung des Taufnamens abgeschafft, so gelten in jedem Kloster die Hausregeln. Normalerweise wird bei der Einkleidung der Ordensname angenommen. Aber ich bleibe bei Moritz, ich hatte schon immer ein bewusstes Verhältnis zu meinem Namenspatron. Der hl. Mauritius hat als Berufssoldat das gleichzeitige Ringen um Loyalität und Bewahren des Gewissens vorbildlich vorgelebt. <BR /><BR /><b>Kommt nach der Feierlichen Profess als nächster Schritt die Priesterweihe?</b><BR />Windegger: Ich bin der Auffassung, dass die Römisch-Katholische Kirche eine Kirche mit Bischöfen und Priestern ist und auch nicht anders sein kann. Ich war immer überzeugt, dass zum Ordensberuf der Priesterberuf dazu gehört. Dazu muss ich aber einmal fertig studieren. <BR /><BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR />Moritz Windegger ist 1977 in Bozen geboren, er wächst in St. Michael/Eppan auf. Nach der Mittel- und Oberschule am Franziskanergymnasium in Bozen schließt er das Studium der Geschichtswissenschaften in Padua ab. Dann arbeitet er 3 Jahre lang als Aushilfslehrer am Franziskanergymnasium. Ab 2004 ist Windegger Journalist in der Politik-Redaktion des Tagblattes „Dolomiten“. Im Jahr 2014 entschließt er sich für den Eintritt in den Franziskanerorden. Derzeit lebt er im Kloster in Graz; dort studiert er auch Theologie. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />