Wohin ihre Reise sie führte, was sie dabei erlebte und die Gründe für ihre Flucht, erfahren Sie hier.<BR /><BR />Die 81-jährige Frau war des Lebens in einem Seniorenheim in Faenza in der Provinz Ravenna mehr als überdrüssig und beschloss dem Trott dort zu entfliehen. Das war Anfang April. Sie schnappte sich das Nötigste, schaffte es unbemerkt aus dem Heim zu entkommen und machte sich zu Fuß zum Bahnhof auf, wo sie in einen Zug stieg. Ausgestattet mit einem regulären Ticket. <BR /><BR />Doch wohin sollte ihre Reise gehen? „Ich will das Meer sehen, ich will die Freiheit“, soll sie auf ihrer Fahrt einigen Leuten erzählt haben, die sie ansprachen. Ihr Ziel war Igea Marina, ein beliebter Ferienort an der Adria, wo sie früher im Hotel Flora viele glückliche Urlaube mit ihrer Familie verbracht hatte. Es war also die Sehnsucht und die schönen Erinnerungen, die sie trieben und sie dann auch dort ankommen ließen. Doch als sie vor dem Hotel stand, fand sie es geschlossen. Dennoch klingelte sie und Hotelbesitzer Paolo erkannte sie sofort und freute sich über das unverhoffte Wiedersehen. <h3> Hotelbesitzer: „Sie war bei klarem Verstand“</h3>Wie er gegenüber dem „Corriere Romagna“ berichtet, habe man sie bereits vermisst. Sie sei seine Stammkundin und jedes Jahr für ein paar Tage hier gewesen, mit ihrer Mutter und ihren kleinen Mädchen. Irgendwann sei sie dann nicht mehr gekommen. <BR /><BR />„Als sie plötzlich da vor mir stand nach all den Jahren, haben wir uns natürlich ein paar Minuten an der Tür unterhalten“, so Herr Paolo, „sie suchte eine Unterkunft, doch da wir noch geschlossen hatten, habe ich ihr ein Hotel in der Nähe empfohlen. Mir erschien sie ganz normal und bei klarem Verstand. Das einzige, das mich etwas verwunderte, war die Tatsache, dass sie kein Gepäck dabei hatte, nur ihre kleine Handtasche und einen Terminplaner, den sie in der Hand trug.“<BR /><BR />Herr Paolo wusste natürlich nichts von der Flucht der ehemaligen Kundin und machte sich über den fehlenden Koffer auch keine größeren Gedanken. Er sprach mit ihr noch ein wenig über die vergangenen Zeiten, bevor er sie gehen ließ. „Dass sie aus dem Heim geflohen war, erfuhr ich erst später aus der Zeitung“ sagte er, „und auch, dass sie nach dem Plausch mit mir in eine Bar ging und dann den Pfarrer aufsuchte…“<h3> „Ich will frei sein“</h3>Und so war es auch: Die 81-Jährige gab ihren Plan, ein paar Tage am Meer zu verbringen, trotz des geschlossenen Hotels nicht auf, ging nach dem Gespräch mit Herrn Paolo in eine Bar, um etwas zu essen, und beschloss dann die Kirche um Hilfe zu bitten. Der Pfarrer empfing sie und hörte ihr aufmerksam zu. <BR /><BR />Die Frau erklärte ihm, dass sie frei sein wollte, dass sie das Leben im Pflegeheim satt hat, in dem sie „nur Suppe, Apfelmus und hunderte Jahre alten Schinken“ zu Essen bekam. Sie erzählt von schlimmen Nächten, weil andere Seniorenheim-Gäste, „ihre Mutter oder Engel anrufen“, von der Einsamkeit, weil der Kontakt mit den Kindern kaum existiert, von der Verbitterung darüber, dass sie niemand ernst nimmt und ihr niemand zuhört, nicht einmal der Bürgermeister, dem sie angeblich mehrmals geschrieben habe und um eine Sozialwohnung gebeten habe. <BR /><BR />„Seniorenheime sind Orte, die das Leben aus dir heraussaugen oder das, was davon übrig ist“, sagt sie weiter. Und: „Andere haben für mich entschieden, also war Weglaufen die einzige Wahl. Lieber ist mir da die Straße oder der Tod. Ich will meine Freiheit zurück.“<BR /><BR />Der Pfarrer hörte ihr zu und beruhigte sie, dann rief er die Carabinieri an, die sie schließlich davon überzeugten, ihre Familie zu informieren. „Sagen Sie aber, dass es mir gut geht“, wiederholte sie mehrmals, „und dass ich weder in mein Seniorenheim noch in andere Einrichtungen zurückkehren werde. Ich fühle mich bei voller Kraft, ich will meine Freiheit und allein leben.“ Was wir wissen ist, dass sie die Familie abgeholt hat, was wir aber nicht wissen ist, wo die Frau mittlerweile lebt. Wir halten Sie auf dem Laufenden. <BR /><BR />Übrigens: Die Ärzte, die sie nach ihrer Flucht und ihren Schilderungen untersuchten, vergewisserten sich, dass sie in der Einrichtung nicht misshandelt worden war, und stellten fest, dass es sich bei ihrer Flucht vielleicht um eine einfache und unschuldige Suche nach Freiheit und Trost an jenen Orten handelte, die ihr im Herzen geblieben waren.