<b> „Hitze macht kirre“, lautet eine bekannte Redewendung. Stimmt das? </b><BR />Sabine Cagol: Ja, diese Aussage hat eine solide wissenschaftliche Grundlage. Umwelt- und aggressionspsychologische Studien zeigen wiederholt, dass hohe Umgebungstemperaturen mit einer Zunahme von Ärger, Gereiztheit und auch aggressivem Verhalten einhergehen können. Eine umfassende Übersichtsstudie, die 53 wissenschaftliche Untersuchungen von 1990 bis 2020 zusammenfasst, belegt, dass steigende Durchschnittstemperaturen und Hitzewellen die psychische Gesundheit beeinflussen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-70300367_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Was kann das für Folgen haben?</b><BR />Cagol: Dabei steigt nicht nur die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie, sondern auch die psychisch bedingte Sterblichkeit, etwa durch Suizide oder Drogenkonsum. Hohe Temperaturen stellen eine Stressbelastung für Körper und Geist dar, auf die wir uns einstellen können. Häufig verändert sich zunächst die Stimmung, die Emotionsregulation fällt schwerer und die Schmerzschwelle ist herabgesetzt. Schlafprobleme treten häufiger auf, was sich wiederum negativ auf das allgemeine Wohlbefinden und die psychische Gesundheit auswirkt.<BR /><BR /><b>Warum macht Hitze aggressiv?</b><BR />Cagol: Statistische Analysen zeigen, dass Gewalttaten, insbesondere impulsive, während Hitzeperioden häufiger vorkommen. Hitze erhöht das physiologische Erregungsniveau (Arousal). Diese gesteigerte Erregung kann in sozialen Situationen fehlinterpretiert werden, sodass Menschen ihr inneres Unruhegefühl fälschlicherweise auf das Verhalten anderer übertragen. Das kann zu einer höheren Bereitschaft für aggressive Reaktionen führen, auch wenn der Auslöser die Hitze ist.<BR /><BR /><embed id="dtext86-70300531_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Beeinflusst Hitze also die Fähigkeit zur Impulskontrolle?</b><BR />Cagol: Der Körper beansprucht bei hohen Temperaturen viele Ressourcen für die Thermoregulation. Dadurch werden exekutive Funktionen des Gehirns, wie die Impulskontrolle und differenzierte soziale Bewertung, eingeschränkt. Die Fähigkeit, Impulse zu kontrollieren, nimmt ab, was das Risiko für impulsives Verhalten erhöht. Insgesamt zeigen Forschungsergebnisse, dass Hitze aggressives Verhalten vor allem über die Kombination aus physiologischer Belastung, kognitiver Erschöpfung und emotionaler Aktivierung fördert. Wichtig ist dabei aber, dass jeder Mensch unterschiedlich reagiert, abhängig von individuellen und sozialen Faktoren wie Selbstkontrolle, kulturellen Normen und der konkreten Situation.<BR /><BR /><embed id="dtext86-70300535_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Was macht Hitze noch mit uns?</b><BR />Cagol: Hitze kann unsere kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen. Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis sowie exekutive Funktionen wie Problemlösen und Entscheidungsfindung können bei hohen Temperaturen nachlassen. Das Gehirn arbeitet langsamer und die Fehlerquote steigt, weil mehr Energie für die Regulierung der Körpertemperatur benötigt wird.<BR /><BR /><b>Wie bleibt man auch an sehr heißen Tagen gelassen?</b><BR />Cagol: Durch gezielte Maßnahmen kann die psychische Widerstandskraft gestärkt werden. Dazu zählt, dass man achtsam bleibt, z. B. mit bewussten Atemübungen, oder Rückzugsorte nutzt, wie kühle Räume. <h3> Tipps: Wie man einen kühlen Kopf bewahrt</h3>Was Psychologin Sabine Cagol empfiehlt: <BR /><BR />Wissen ist Schutz: Wenn wir verstehen, wie Hitze unsere Stimmung und unser Verhalten beeinflusst, können wir besser mit den Herausforderungen umgehen. Psychoedukation ist der erste wichtige Schritt.<BR /><BR />Struktur im Alltag<Fett>:</Fett> Eine klare Tagesplanung mit regelmäßigen Pausen unterstützt Körper und Geist dabei, sich zu regenerieren – auch wenn die Hitze zum Nachlassen der Aktivität verleitet.<BR /><BR />Soziale Kontakte pflegen<Fett>:</Fett> Unterstützung durch Familie, Freunde oder Nachbarn hilft, das Wohlbefinden zu stärken. Gemeinsame Momente fördern das Gefühl von Verbundenheit.<BR /><BR />Auf guten Schlaf achten: Schlaf ist zentral für unsere psychische Gesundheit. Kühlere Räume, leichte Bettwäsche und abgedunkelte Zimmer verbessern die Schlafqualität.<BR /><BR />Selbstmitgefühl üben: Freundlich und geduldig mit sich selbst sein, wenn die Hitze die Nerven strapaziert. Wer eigene Belastungszeichen früh erkennt und sich aktiv Entlastung gönnt, stärkt seine seelische Gesundheit nachhaltig.