„Es gibt ein Volk, zerstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Ländern deines Königreichs, und ihr Gesetz ist anders als das aller Völker, und sie handeln nicht nach des Königs Gesetzen. Es ziemt dem König nicht, sie gewähren zu lassen. Gefällt es ihm, so lasse er verfügen, dass man sie umbringe.“ Mit diesen Worten stachelt der persische Hofbeamte Haman seinen König Ahasveros zum Genozid an den Juden an. So ist es im Buch Ester der Heiligen Schrift überliefert.<BR /><BR />Historisch lässt sich die Begebenheit nicht sichern. Aber sie kann symbolisch gelesen werden für den Judenhass, der in den folgenden 2500 Jahren bis heute in den Köpfen aller Generationen spuken und zum größten Menschheitsverbrechen, dem Holocaust, führen sollte. <BR /><BR />Und deshalb hat der Historiker Sebastian Voigt die biblische Geschichte wohl nicht nur aus chronologischen Gründen an den Beginn seines Buches „Der Judenhass. Eine Geschichte ohne Ende?“ gestellt. <h3> Antijüdische Zeugnisse schon in der Antike</h3>Wie Voigt auf 230 Seiten zeigt, gibt es antijüdische Zeugnisse schon in der Antike und außerhalb des Christentums. So bezeichnet der römische Historiker Tacitus (ca. 58 bis 120 n. Chr.) die Juden als „abscheulichen Volksstamm“. Diese lange Geschichte setzt sich fort im religiös-christlich geprägten Antijudaismus des Mittelalters und reicht bis hin zum rassistisch begründeten Antisemitismus der Nationalsozialisten und dem israelbezogenen Antisemitismus in der jüngsten Zeit. Voigt stellt überzeugend dar, wie antijüdische Ressentiments seit der Antike bis heute – meist nur in leichten Variationen – weitergereicht wurden.<BR /><BR />So war das Motiv des jüdischen Ritualmordes (z.B. Anderl von Rinn in Nordtirol, Simon von Trient) und der Entführung christlicher Kinder im Mittelalter weit verbreitet. In der heutigen Form tauchen diese bösartigen Lügengeschichten beispielsweise in der rechtsextremen QAnon-Verschwörungsmythologie auf: Demnach soll eine weltweit agierende, satanistische Elite Kinder entführen, foltern und schließlich aus ihrem Blut ein Verjüngungsserum gewinnen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996430_image" /></div> <BR /><BR />Und dieses Motiv wiederum fußt auf den Kindermord von Bethlehem auf Befehl des jüdischen Königs Herodes in der Weihnachtsgeschichte des Matthäusevangeliums. Antisemitismus, so schreibt Voigt, basiere „auf einer langen Tradition stereotyper Judenbilder im kulturellen Gedächtnis, die situativ abgerufen werden können“.<BR /><BR />Voigt legt großen Wert auf die Feststellung, dass Ressentiments gegen Juden nicht aus ihrem eigenen Verhalten zu erklären sind, sondern ihren „Ursprung in der sie umgebenden Mehrheitsgesellschaft“ haben. Juden mussten stets als vermeintlich Schuldige herhalten, wenn Menschen mit den herrschenden Verhältnissen überfordert waren.<BR /><BR />Schon schwieriger zu klären ist die Frage, wo Kritik am Staat Israel übergeht in Judenhass. Darüber herrsche weder in der Wissenschaft noch in der Politik Konsens, weiß Voigt. Vernichtungsfantasien gegenüber Israel sind jedoch in jedem Fall antisemitisch.<BR /><BR />DAS BUCH<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996433_image" /></div> <BR /><BR />Sebastian Voigt: Der Judenhass. Eine Geschichte ohne Ende? Verlag Hirzel, Stuttgart 2024; 232 Seiten, ca 25 €. Erhältlich bei www.athesiabuch.it<BR />