Der Primar der Psychiatrie am Bozner Spital, Dr. Andreas Conca, gewährt überraschende Einblicke zu den Triebfedern für Mord, Risikopotenzial, Zurechnungsfähigkeit und Therapien für psychisch kranke Straftäter.<BR /><BR /><b>Gerade bei schweren Straftaten wie Mord könnte man als Laie denken: Der Täter muss ja psychisch krank sein, sonst hätte er so etwas nicht getan. Inwieweit stimmt das?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Dr. Andreas Conca: Eher das Gegenteil ist der Fall: Statistisch gesehen ist das Risikopotenzial, eine schwere Straftat zu begehen, in der Durchschnittsbevölkerung sogar höher als unter psychiatrischen Patienten. Letztere sind sogar häufiger Opfer als Täter. Lediglich 15 Prozent der Patienten in der Einrichtung für Sicherungsmaßnahmen für psychisch kranke Straftäter (REMS) sind Mörder – was schon einiges aussagt. Nur in einer Gruppe – bei Personen, die an schizophrenen Psychosen leiden, also Wahnvorstellungen haben – ist das Risiko zu Gewalttaten höher. Deshalb ist gerade in diesem Bereich die Präventionsarbeit so wichtig.<BR /><BR /><b><KeinAbsatz></KeinAbsatz> Mit anderen Worten: Jeder kann unter bestimmten Voraussetzungen zum Mörder werden?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Dr. Conca: Das kann man durchaus so sagen. Fast alle Straftaten, bei denen der Täter zurechnungsfähig ist, werden situationsbedingt begangen oder sie haben mit der persönlichen Geschichte des Täters zu tun. Auf dieser Grundlage erstellt die forensische Psychiatrie Risikoprofile und kann – falls notwendig – die korrekten Therapie- und Reha-Maßnahmen einleiten. Doch leider kann man nicht alles durch eine Diagnose erklären: Manchmal muss man bereit sein, zu akzeptieren, dass die Menschen auch das Böse in sich tragen.<BR /><BR /><b>Sie sind selbst auch als forensischer Sachverständiger tätig. Wie klären Sie ab, ob jemand zum Tatzeitpunkt einsichts- und willensfähig war?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Dr. Conca: Zum Tatzeitpunkt – diese Präzisierung ist sehr wichtig, denn nur das macht vor Gericht den Unterschied, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten teilweise oder gänzlich eingeschränkt war bzw. inwieweit er für seine Tat zur Verantwortung gezogen werden kann. Zum einen muss festgestellt werden, ob der Betreffende sich seiner Handlungen zum Tatzeitpunkt bewusst und ob ihm klar war, dass diese ungesetzlich waren – das ist die Einsichtsfähigkeit. Zum anderen muss die Willensfähigkeit abgeklärt werden: Wusste die Person zwar, was sie tat, konnte sich aber nicht beherrschen bzw. gegensteuern? <BR /><BR /><b>Wie geht die forensische Psychiatrie dem auf den Grund?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Dr. Conca: Fürs Erste wird beim Betroffenen eine gründliche biografische Anamnese durchgeführt – dabei wird die persönliche, schulische, familiäre und gesellschaftliche Entwicklung der Person durchleuchtet. Sollte sich eine Persönlichkeitsstörung herauskristallisieren, wird diese analysiert. Auch das Tatgeschehen selbst muss genau rekonstruiert werden: Was hat zu dieser Situation geführt? Gab es dabei Einflüsse von außen, durch Personen, Umstände oder bewusstseinsverändernde Substanzen? <BR /><BR /><b>Apropos Persönlichkeitsstörung – macht einen eine solche schon unzurechnungsfähig?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Dr. Conca: Mitnichten. Die meisten Straftäter, die eine Persönlichkeitsstörung haben, wissen sehr wohl, was sie tun, wenn sie bösartig oder übergriffig reagieren. Eine psychische Krankheit macht nicht automatisch unzurechnungsfähig. Und ebenso wenig ist jeder, der eine Persönlichkeitsstörung hat, ein potenzieller Straftäter.<BR /><BR /><b>Wenn sich nun herausstellt, dass ein Straftäter wirklich psychisch krank ist: Wie kann er therapiert werden?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Dr. Conca: Die Risikofaktoren – also die tatrelevanten Persönlichkeitsfaktoren – sind zu analysieren und in den therapeutischen Prozess einzubauen. Zudem wird – je nach Komplexität des Krankheitsbildes – eine Psychopharmaka- bzw. Psychotherapie verschrieben, die durch soziotherapeutische/pädagogische Interventionen unterstützt wird. Falls ein Drogenproblem zugrunde liegt, ist eine Entziehungskur ratsam. Man kann auch eine Zwangsbehandlung anbieten. Der wichtigste Baustein zur Genesung bzw. späteren Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist jedenfalls, dass der Patient die Unrechtmäßigkeit und die Schwere seiner Tat einsieht und sich bewusst ist, welches Leid er damit verursacht hat.<BR /><BR /> <a href="mailto:redaktion@stol.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Haben Sie einen Fehler gefunden? Geben Sie uns bitte Bescheid.</a>