Warum Menschen jetzt hamstern - Chronik

Dr. Elmar Teutsch ist Wirtschaftspsychologe, Unternehmenscoach, Psychotherapeut und Gründer von TELOS, dem Institut für Psychologie und Wirtschaft in Bozen. In den vergangenen Jahren veröffentlichte er zahlreiche Beiträge in Büchern, Fachzeitschriften, Radio und Fernsehen. Herr Dr. Elmar Teutsch, wann sind Hamsterkäufe zu beobachten? Dr. Elmar Teutsch: Hamsterkäufe sind immer dann zu beobachten, wenn sich Menschen unsicher fühlen. Ein Krieg, noch dazu in Europa, führt bei den Menschen zu großer Unsicherheit und dadurch zu Hamsterkäufen. (STOL hat am Samstag über Hamsterkäufe in Bozen berichtet) Warum machen Menschen Hamsterkäufe? Teutsch: Gehen wir einen Schritt zurück. Wir sind nach wie vor Urmenschen: Als Jäger und Sammler wissen wir, was es bedeutet zu hungern. Wir haben es bis heute nicht vergessen. Deswegen wollen wir Sicherheit. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis der Menschheit. Versicherungsagenturen profitieren von diesem alten Grundbedürfnis. Wenn man sich die Pyramide der Grundbedürfnisse von Maslow anschaut, ist die erste Stufe die Frage nach dem Essen und Trinken. Warum Menschen Klopapier hamstern, bleibt mir aber rätselhaft. Bei Klopapier-Knappheit könnte man überleben. Sollte ich jetzt auch Hamsterkäufe tätigen, oder brauch ich mir keine Sorgen zu machen? Teutsch: Nicht tätigen! Kaufen Sie ganz normal ein wie immer. Hamsterkäufe sind nicht notwendig. Wenn sie notwendig wären, würden wir das rechtzeitig vom Zivilschutz erfahren. Dazu bräuchte es aber ganz andere Szenarien. Sind Hamsterkäufe sinnvoll? Teutsch: Nein! Gerade durch Hamsterkäufe findet die Verknappung erst statt. Wenn ich sehe, dass Lebensmittel knapp werden, kaufe ich vielleicht auch mehr? Sind Hamsterkäufe ansteckend? Teutsch: Selbstverständlich, da brauchen wir gar nicht an Krieg zu denken. Denken Sie nur an den Winterschlussverkauf: Wenn 10 Menschen vor einem Geschäft Schlange stehen, weil es schon voll ist, stellen sich ganz bestimmt weitere 10 Menschen gerne dazu. Das kann man oft genug beobachten, zum Beispiel am Black Friday. Ist das auch auf Triebe zurückzuführen? Teutsch: Ja. Nur als Gruppe konnten wir überleben. Ein einzelner Mensch hätte keine Chance gehabt: Als Gruppe konnten sich die Menschen besser verteidigen. Mich wundert es deswegen nicht, dass sich Menschen bei einer Autobahnmautstelle oft hinter anderen Autos anstellen, statt leere Durchgänge zu verwenden. Der Trieb sagt mir: &bdquo;Wo andere sicher sind, bin auch ich sicher.“ Wir unterscheiden uns da gar kein Bisschen von den Fischen, die sich nur im Schwarm sicher fühlen. Wenn die Nachfrage schnell ansteigt, erhöht das bekanntlich die Preise… Werden sich die Hamsterkäufe in Südtirol auf die Preise auswirken? Teutsch: Das ist ein Wirtschaftsprinzip: Nachfrage und Angebot regeln den Preis. Natürlich wirken sich Hamsterkäufe auf den Preis aus, wenn sich die Nachfrage schlagartig ändert. Ich bin aber zuversichtlich und hoffe nicht, dass wir in Zukunft auf dem Freitagsmarkt am Kornplatz neben dem Käse vom Bauern auch einen Stand mit Klopapier zu stark erhöhten Preisen finden werden. Liege ich richtig, wenn ich davon ausgehe, dass Pasta in den nächsten Monaten billiger werden wird, weil weniger Menschen einkaufen gehen, da viele sie schon auf Vorrat haben? Teutsch: Das klingt zwar ganz logisch formuliert, wir Menschen denken aber nicht logisch, sondern psychologisch und da sind andere Mechanismen im Spiel. Ich glaub nicht, dass es in Zukunft recht viel billiger wird.