Die österreichische Journalistin und Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig rät dazu, sich von einer kleinen, aber aggressiven Minderheit nicht einschüchtern zu lassen. <BR /><BR /><BR />Soll man sich als Medium oder als Unternehmen von den sozialen Medien verabschieden? Das wäre der falsche Weg, sagt Ingrid Brodnig. Die österreichische Journalistin und Social-Media-Expertin rät dazu, sich von dieser kleinen, aber aggressiven Minderheit nicht einschüchtern zu lassen. <BR /><BR />Die Wut im Netz sei wellenförmig, so Brodnig. „Es gibt Themen, die stärker polarisieren und zu Wutwellen führen.“ Beobachten konnte man diese etwa bei der Flüchtlingswelle im Jahr 2015, bei manchen Wahlkämpfen und eben jetzt in der Corona-Pandemie. „Diese Pandemie lässt niemanden kalt und betrifft jeden Einzelnen“, sagt die Journalistin. So gebe es Auflagen, die man entweder sinnvoll findet oder ablehnt und es gibt die Impfungen. Je näher also ein Thema an die eigene Lebensrealität kommt, desto größter sei das Emotionspotenzial. Und je größer das Emotionspotenzial sei, desto mehr Hass werde man auch lesen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="715691_image" /></div> <BR /><BR />Es sei sehr davon auszugehen, dass sehr wohl auch früher schon „wütende Zeiten“ gab, die aber nicht so sichtbar waren, weil der einzelne Bürger nicht so leicht zum Kommunikator wurde. „Das ist ja eine unmittelbare Auswirkung der sozialen Medien: Jeder von uns hat Interessen oder Abneigungen, die mithilfe von Social Media sehr leicht thematisiert werden können.“ Früher habe es an den Stammtischen auch wütende Parolen gegen Politiker gegeben. „Das mussten aber weder der Politiker noch der einfache Bürger lesen.“ <BR /><BR /><BR />Manchmal entstehen in den sozialen Netzwerken auch sachliche Diskussionen, aber oftmals hat das Ganze nur mehr wenig mit konstruktiver Kritik zu tun. Kann man sagen, dass sich eine Art Radikalopposition zum Rest der Gesellschaft gebildet hat? „Bei manchen: Ja“, so Brodnig. „Es gibt mehrere Erklärungen dafür, warum das Diskutieren in den sozialen Medien so schwer ist. Zum einen ist es meist so, dass es einen kleinen Teil in der Bevölkerung gibt, der erhitzt ist und der die Debatte dominiert.“ <BR /><BR />Generell komme die Mehrzahl der Posts in den sozialen Medien von einer kleinen Minderheit. Und gerade bei aggressiven Usern bestehe die Gefahr, dass sie besonders auffallen und man dann in den Irrglauben verfällt, das wäre die Mehrheit. „Zudem gibt es Facetten in der digitalen Kommunikation, die es womöglich manchen Usern leichter machen, so grob zu sein.“<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-51998995_quote" /><BR /><BR /><BR />Zum einen sei dies vor allem die Unsichtbarkeit: „Dass ich den anderen nicht sehe. Aber überdies gibt es nun einmal einen aggressiven Teil in der Gesellschaft, der durch die sozialen Medien sichtbarer wird. Diese Netzwerk-Effekte ermöglichen, dass ein sehr aggressiver User ziemlich viel in Brand setzt.“ <BR /><BR />Was Medien anbelangt, die besonders gerne im Kreuzfeuer der sogenannten „Hater“ sind, so sollten diese die eigene Arbeit erklären, sie sollten erklären, warum und wie ein Text zustande gekommen ist. Ein Teil der Bevölkerung finde das interessant, so Brodnig. „Auch sollte man zu eigenen Fehlern stehen und diese offen ansprechen, das erhöht die Glaubwürdigkeit.“<BR /><BR />Es gebe aber auch jenen Teil in der Bevölkerung, der wirklich an eine Verschwörung der Medien mit irgendwelchen Mächten glaubt. „In Österreich“, so Brodnig, „gab es einen Supermarkt, der Halal-Fleisch angeboten hat, also Fleisch, das auch gläubige Muslime essen.“ Als dies bekannt wurde, habe es extrem wütende Kommentare gegeben, woraufhin der Supermarkt dieses Angebot eingestellt hat. „Die Betreiber des Supermarkts haben sich also einschüchtern lassen und sogar einen Geschäftszweig aufgegeben. Ich halte das für falsch. Man kann sich auch zu Tode fürchten.“<BR /><BR />Solche Empörungswellen seien nämlich meistens von kurzer Dauer und zudem sei es meist eine kleine Minderheit in der Bevölkerung, die so vehement auftritt. „Das große Problem bei Social Media ist, dass die Rüpel oft belohnt werden, da weil sie mehr Aufmerksamkeit bekommen, als andere.“ <BR /><BR />„Was mir tatsächlich Sorgen macht ist, dass sich ein kleiner Teil der Bevölkerung in seiner Sichtweise total verhärtet hat“, sagt Brodnig. „Gerade was das Thema Corona anbelangt, gibt es zwar eine sehr kleine, aber extrem überzeugte Minderheit, die von einer großen Verschwörung und einer Unterdrückung der Bürger ausgeht.“ Diese Bürger seien zwar nicht der Durchschnitt, aber sie würden uns das Leben schwer machen, weil sie Maßnahmen verweigern und weil sie das Impfen verweigern.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-51998996_quote" /><BR /><BR /><BR />„Es ist eine kleine Minderheit, aber es ist unbehaglich in einem Land zu leben, in dem auch nur eine Minderheit eine so aggressive Sichtweise hat, dass sie Politikern, die für die Corona-Maßnahmen gestimmt haben, den Tod wünschen. Man muss aufpassen, dass dieser kleine Teil, diese kleine Minderheit, sich gegenseitig nicht zu sehr anheizt.“ <BR /><BR />Wie aber kommt unsere Gesellschaft wieder heraus aus dieser Wut-Spirale? „Wenn man wieder Corona als Beispiel hernimmt, dann muss man überlegen, wen man noch erreichen kann“, so Brodnig. „Es gibt Leute, die sind wütend, die sind verärgert, aber sie sind noch gesprächsbereit.“ Dort müsse man ansetzen, da könne man mit Aufklärung noch einiges bewirken. <BR /><BR />„Bei all jenen aber, die bedrohlich sind, die wirklich aggressiv sind, da müssen Mindeststandards eingeführt werden. Aggressive Posts können gelöscht werden, der User kann geblockt oder gemeldet und notfalls auch angezeigt werden. Wir müssen klarmachen, dass Bedrohungen kein adäquater Meinungsaustausch sind.“ <BR /><BR /><BR /><BR />