Fakt ist, dass derzeit auch am Bozner Landesgericht reihenweise Verfahren archiviert werden, bei denen die Angeklagten wegen Diebstahl vor Gericht stehen. Der Grund dafür: In den allermeisten Fällen liegt kein Strafantrag vor, der laut Justizreform aber zwingend vorgesehen ist. Dadurch sei das Gericht gezwungen, das Verfahren einzustellen, bestätigt Vorverhandlungsrichter Carlo Busato.<BR /><BR />Aufatmen dürfen dadurch Fahrrad-, Auto- oder Taschendiebe ebenso wie Langfinger, die im Supermarkt erwischt worden sind. Waren diese Vergehen bis Ende des Vorjahres von Amts wegen verfolgbar, muss nun zwingend ein Strafantrag des Opfers vorliegen. Bis Ende März dieses Jahres hatten Diebstahlopfer Zeit, einen solchen nachzureichen. In den allermeisten Fällen sei das laut Busato nicht erfolgt. Damit enden diese Gerichtsverfahren nun alle im Nichts, die mutmaßlichen Täter kommen, selbst bei vorliegenden Beweisen, ungeschoren davon.<BR /><BR />Bei den Rechtsanwälten und Strafverteidigern weiß man um das Problem. „Viele Opfer wollten oder wollen erst gar keinen Strafantrag stellen“, sagt Rechtsanwalt Martin Vill. „Vielen ist das einfach zu viel Aufwand im Verhältnis zum Risiko, dass der oder die Täter dann vielleicht gar nicht ausgeforscht werden und wenn doch, dann möglicherweise gar nicht verurteilt werden.“ Immerhin bestehe mit einem Strafantrag ja auch die Auflage, beim Prozess persönlich oder vertreten durch einen Rechtsanwalt anwesend zu sein, sollte der Täter ausgeforscht werden und es zum Strafverfahren kommen. „Für viele ist das eben doch zu viel Aufwand“, gibt Vill zu bedenken.<BR /><BR />Positiv hingegen ist, dass auch bei Verkehrsunfällen mit Verletzten nicht mehr von Amts wegen, sondern nur mehr bei vorliegendem Strafantrag weiter gerichtlich vorgegangen wird. „Sehr sinnvoll, handelt es sich doch bei einem Verkehrsunfall, im Gegensatz zu einem Diebstahl, bei dem ein Vorsatz besteht, um eine Fahrlässigkeit“, so Vill. Dadurch lande nicht mehr automatisch jeder Unfall vor Gericht.<h3> Strafanzeige ist nicht gleich Strafantrag</h3>Wird man Opfer einer Straftat, hat man 2 Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Entweder man erstattet Strafanzeige („denuncia“, Art. 333 StGB) bei den Ordnungshütern oder man stellt bei Ordnungshütern oder Staatsanwaltschaft einen Strafantrag („querela“ Art. 336 StGB). <BR /><BR />Eine Strafanzeige kann jeder erstatten, z.B. auch wer nur eine Straftat beobachtet. Somit ist diese nur ein Hinweis, dass eine Straftat vorliegen könnte. Ein Strafantrag hingegen kann entweder nur vom Opfer persönlich bei allen Ordnungshütern (Carabinieri, Polizei usw.) oder auch durch dessen, mit einer Sondervollmacht ausgestatteten, Rechtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft gestellt werden. Dabei muss stets explizit darauf hingewiesen werden, dass man Strafantrag stellen und nicht Strafanzeige erstatten will. Im Gegensatz zur Anzeige impliziert ein Strafantrag immer auch eine strafrechtliche Verfolgung samt möglichem Urteil. Ein Strafantrag muss innerhalb von 3 Monaten nach Entdecken der Tat gestellt werden. Andernfalls kann die Straftat nicht gerichtlich verfolgt werden, selbst wenn der Täter ausgeforscht ist. Stellt man einen Strafantrag, hat das auch zur Folge, dass das Opfer bzw. dessen Rechtsvertreter beim Prozess anwesend ist. Wenn nicht, gilt das automatisch als stillschweigender Rückzug des Antrags, und das Verfahren wird eingestellt.