Eine Sache haben Südtirol und sein Heimatland in Afrika auf jeden Fall gemeinsam, sagt der künftige Brunecker Kooperator Yves Menanga Kizito. <BR /><BR /><BR /><b>Herr Menanga, was hat Sie bewegt, ihre Heimat zu verlassen und nach Europa, genauer gesagt, nach München zu ziehen?</b><BR />Yves Menanga Kizito: In der bayerischen Landeshauptstadt bin ich gelandet, um ein Promotionsstudium in Philosophie zu machen. Im Dezember 2016 habe ich an der Hochschule für Philosophie in München über die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum und den deutschen Philosophen der Frankfurter Schule Rainer Forst promoviert. Genauer gesagt habe ich in meiner Arbeit versucht, meine Erfahrung in den Flüchtlingslagern im Licht zeitgenössischer philosophisch-ethischer Theorien zu verstehen, erklären und bewerten. In München habe ich auch Pfarrarbeit gemacht, besonders in Sankt Korbinian. Danach habe ich mich zusätzlich für friedensethische Fragen interessiert. Dies führte mich nach Hamburg, wo ich ein Programm in Friedensforschung besuchte.<BR /><BR /><b>Wann hat Sie Ihr Weg das erste Mal nach Südtirol geführt?</b><BR />Menanga: Mein erster Besuch in Südtirol war ein Ausflug mit Freunden im Jahr 2015 nach Brixen. An Fronleichnam besuchten wir die heilige Messe im Brixner Dom und nahmen an der Prozession teil. Nach der Prozession kam ich zufällig mit einem Brixner Bürger. Kurz vor unserem Abschied hat er mir gesagt, er bedauere den Priestermangel in der Diözese und wünsche sich, dass es hier mehr Priester gäbe. Diesen Wunsch hatte ich damals gar nicht ernst genommen, da es hier keine Niederlassung des Jesuitenordens gibt. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-49617081_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Seit zwei Monaten sind sie nun hier im Priesterseminar. Was war dafür ausschlaggebend?</b><BR />Menanga: Als der Generalobere der Jesuiten mir den priesterlichen Dienst in einem von mir gewünschten Bistum erlaubt hat, habe ich im Bistum Bozen-Brixen meine Bewerbung eingereicht und das Angebot bekommen, hier zu arbeiten. Ich ergreife die Gelegenheit, mich bei jenen zu bedanken, die dazu beigetragen haben, dass ich jetzt in Südtirol arbeiten darf. Dem Generaloberen der Jesuiten, Herrn Bischof Ivo Muser, Generalvikar Eugen Runggaldier und dem Jesuitenprovinzial in Kongo Rigobert Kyungu. Ich wohne zur Zeit im Priesterseminar Brixen und habe schon einige Gottesdienste mitgefeiert. Hier bin ich dem Regens Markus Moling und dem Spiritual und zukünftigen Dekan Josef Knapp dankbar, da sie sich für meine Integration in der Pastoral der Diözese bemühen.<BR /><BR /><b>Auf ersten Blick haben Kongo und Südtirol wohl sehr wenig gemeinsam. Gibt es für Sie doch etwas, das Sie hier an ihre Heimat erinnert?</b><BR />Menanga: Ich würde sagen: Kongo und Südtirol haben Jesus Christus gemeinsam. Ich bin hier her gekommen dank der Kirche und für die Verkündigung des Evangeliums Christi. Geografisch, ökonomisch oder politisch gesehen, sind beide Regionen ja sehr unterschiedlich, aber die Kirche verbindet beide Regionen und darüber hinaus. Es scheint mir auch nicht entscheidend, dass es hier Dinge wie Essen oder Landschaften geben sollte, die mich an mein Heimatland erinnern, damit ich mich hier wohlfühle. Nein. Wenn man sich für das Evangelium entschieden hat, sollte man bereit sein, sich an jede Situation anzupassen. Der Südtiroler heilige Josef Freinademetz ist ein vielsagendes Beispiel und Vorbild dafür.<BR /><BR /><b>Gibt es einen Bereich für welchen Sie sich hier in Bruneck besonders einsetzen wollen oder haben Sie schon Ziele für die nächsten Jahre?</b><BR />Menanga: Mir ist es wichtig, für die Brunecker Priester zu sein und mit ihnen Christ zu sein. Das heißt: Mich freuen mit den Fröhlichen und trauern mit den Trauernden, wie es beim heiligen Paulus heißt. Also Menschen bei ihren lebensentscheidenden Momenten beizustehen und zu begleiten. Wenn es mir gelingt, die Leidenschaft für das Wort Gottes, für die Liturgie, für die Kirche zu wecken, dann würde ich mich sehr freuen. Gerne komme ich ins Gespräch mit jenen Seelen, die Gott suchen und jenen, die zweifeln. Mit Senioren, Jugendlichen, Erwachsenen oder Kindern gehe ich gerne den Glaubens- und Lebensweg zusammen mit. Mir ist es auch wichtig, das Wort Gottes mit afrikanischen Symbolen oder Geschichten zu erklären, wenn der biblische Text es ermöglicht. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-49617082_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was schätzen Sie an den Südtirolern und was würden Sie den Menschen als „Hausaufgabe“ mit auf den Weg geben?</b><BR />Menanga: Ich schätze die Hilfsbereitschaft der Südtiroler, ihre Verwurzelung in ihren Traditionen und in der Kirche, ihre Verbindung zur Natur. Hausaufgaben zu geben setzte voraus, dass sich man als Lehrer anderer Menschen betrachtet. Ich sehe mich nicht als solchen, der mehr weiß und dazu befähigt ist, andere Menschen zu prüfen, belehren oder korrigieren. Meine philosophische Ausrichtung hat mich gelehrt, dass das Leben eine permanente Suche ist. Eine Suche nach der Wahrheit, der Schönheit und der Gerechtigkeit. Wichtig für mich ist es, diese Suche zusammen mit anderen Menschen zu unternehmen. Nur dadurch lässt sich das Wahre, das Schöne und das Gute enthüllen oder aufdecken.<BR /><BR /><b>Sie haben ein Buch über die humanitäre Hilfsarbeit geschrieben. Arbeiten Sie an diesem Projekt konkret weiter und wenn ja, wie kann man Sie dabei unterstützen?</b><BR />Menanga: Ich habe in der Elfenbeinküste und in der Zentralafrikanischen Republik mit Leuten gearbeitet, die in Not waren. Ich habe bei Projekten im Bereich Bildung und Gesundheit für Flüchtlinge und durch den Krieg verarmte Dörfer mitgewirkt. Ich stamme selber ja aus dem Kongo, einem Land, das durch den Krieg verarmt, obwohl das Land sehr reich an Bodenschätzen ist. Es ist immer noch mein Wunsch, dazu beizutragen, den Schulbesuch für Kinder zu ermöglichen, Berufsschulen zu gründen, damit junge Menschen Hoffnung für ihr Leben haben. Ich wünsche mir, dass Gesundheitszentren gebildet werden, wo kongolesische Frauen würdig gebären können. Ich habe schmerzhafte Erinnerungen an Verwandte, die ihr Leben bei Geburtswehen verloren haben, nur weil es im Dorf kein richtiges Entbindungs- und Gesundheitszentrum gibt. Ich wünsche mir mehr Einsatz von Südtirolern in solchen Bereichen im Kongo.<BR /><BR /><b>Südtirol ist teilweise noch etwas konservativ eingestellt. Haben Sie bedenken, dass Sie in Bruneck – als erster Priester dunkler Hautfarbe - nicht von jedem mit offenen Armen aufgenommen werden?</b><BR />Menanga: Die atemberaubende Bergkulisse Südtirols, die Besucher aus der ganzen Welt anzieht, entstand aus der Kollision zwischen der afrikanischen und der europäischen tektonischen Platte. Dieses Naturphänomen soll jedem zeigen, dass alle Begegnungen mit dem „Anderen“ eine Bereicherung darstellt. Vielen Dank für die Gelegenheit, die Sie mir gegeben haben, mich der christlichen Gemeinde in Bruneck und Südtirol vorzustellen.<BR /><BR />* Yves Menanga Kizito (Menanga ist der Familienname. Yves der Taufname und Kizito der eigene Name) wurde 1977 in der Demokratischen Republik Kongo geboren, in einer kinderreichen Familie, in einem Dorf namens Mpo. Sein Vater ist Grundschulleiter, die Mutter arbeitet in der Landwirtschaft. Aufgrund des Berufs des Vaters wurde die ganze Familie in verschiedene Ortschaften versetzt. Nach dem Abitur am Knabenseminar in Kikwit trat Yves Menanga Kizito 1996 in die Gesellschaft Jesu (Jesuiten) ein. Er absolvierte sein Philosophiestudium im Kongo, das Theologiestudium in Kenya. 2010 wurde er im Kongo zum Priester geweiht. In seiner Pastoralarbeit setzte er sich besonders für Flüchtlinge in kriegsgeplagten Ländern, konkret in der Zentralafrikanischen Republik und in der Elfenbeinküste ein und arbeitete auch als Gymnasiallehrer.<BR />