Rund 500 von Minderjährigen begangene Straftaten werden der Jugendstaatsanwaltschaft in Bozen jährlich gemeldet. „Effektiv landen nur rund 200 Fälle in der formellen Gerichtsverhandlung vor dem Jugendgericht“, sagt Benno Baumgartner, Präsident des Bozner Jugendgerichtes. <BR /><BR />Die meisten der restlichen Fälle können bereits im Vorfeld gelöst werden. Die Zahl der Straftaten Minderjähriger sind seit Jahren konstant. „Einzig zu Beginn der Corona-Zeit haben sie abgenommen“, so Baumgartner. „Doch seit vergangenem Herbst liegen sie wieder auf dem Niveau vor der Pandemie.“<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="876017_image" /></div> <BR /><BR />So schwerwiegende Taten, wie in Freudenberg, wo eine 12- und eine 13-Jährige eine Gleichaltrige mit mehreren Messerstichen umgebracht haben sollen, hat Südtirol glücklicherweise noch nie erleben müssen. Mordversuche durch einen Minderjährigen habe es laut Baumgartner aber auch hierzulande gegeben: „In den vergangenen 30 Jahren 3 an der Zahl, wobei der letzte bereits über 15 Jahre zurückliegt.“<BR /><BR />Doch wie der jüngste Fall in Meran – dort wurde ein Mittelschüler von Gleichaltrigen mit einem Messer bedroht – zeigt, gibt es aber auch hierzulande immer wieder Fälle von Gewalt unter Jugendlichen. Auch in Bozen kam es letzthin wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Jugendgruppen.<BR /><BR /> Die häufigsten in Südtirol von Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten seien Eigentumsdelikte aber auch Widerstand gegen die Ordnungskräfte. „Aber auch 20 bis 30 Fälle von Raub und an die 50 Körperverletzung haben wir pro Jahr“, sagt Baumgartner. All diese Vorfälle, seien zwar nicht besonders Besorgnis erregend, „aber in jedem Fall ernst zu nehmen“.<h3> Zu eigenem Schutz in Wohngemeinschaft</h3>Doch was passiert eigentlich, wenn ein Minderjähriger straffällig wird? „Das hängt vom Alter und von der Schwere der Straftat ab“, sagt Baumgartner. In jedem Fall müssen die Straftaten der Staatsanwaltschaft gemeldet werden – selbst wenn die Straftäter unter 14 und somit noch nicht straffähig sind. In besonders schweren Fällen wie Mord oder einem Mordversuch schreitet die Staatsanwaltschaft sofort ein, damit das Kind einer Wohngemeinschaft in Obhut gegeben wird. „Auch zum Schutz für den Minderjährigen selbst und zur psychologischen Betreuung“, so Baumgartner. „Das heiße aber nicht automatisch, dass das Kind bis zur Volljährigkeit dort bleibt. Das wird jedes Jahr neu bewertet.“<BR /><BR />Bei weniger schweren Delikten wird zusammen mit Sozialdiensten, Streetworkern und ehrenamtlichen Vereinigungen versucht, erzieherische Maßnahmen zu treffen, um das Kind oder den Jugendlichen wieder in die Gesellschaft einzugliedern – egal ob der Straftäter unter oder über 14 Jahre alt ist. In jedem Fall mit einbezogen werden auch die Eltern. Diese müssen sich vielfach zivilrechtlich vor Gericht verantworten. <h3> Jugendgefängnis ist allerletzte Maßnahme</h3>Das Jugendgefängnis sei und bleibe in jedem Fall die allerletzte Maßnahme, so Baumgartner. Zuvor werde alles versucht, straffällige Kinder und Jugendliche wieder auf die rechte Bahn zu bringen. In den allermeisten Fällen klappt das auch. Und auch die Zahl der Rückfälle halte sich stark in Grenzen. „Die liegt im einstelligen Bereich“, sagt er. Vor allem Dank eines guten sozialen Netzwerkes und einer ausgezeichneten Präventionsarbeit, die in Südtirol vielfach geleistet werde. <BR /><BR />Natürlich sei die Gefahr einer so schrecklichen Tat, wie sie sich in Deutschland zugetragen hat, immer gegeben. „Weit größer aber ist die Gefahr, dass sich Kinder und Jugendliche zurückziehen, sich isolieren. Dieses Risiko ist um ein vielfaches höher“, sagt er. Und gerade hier müssten Eltern und Umfeld genau hinschauen.<BR /><BR />DAS SIEHT DAS GESETZ VOR<BR /><BR /><b>Bis 14 Jahre</b> stuft die Justiz Straftäter als Kinder ein. Sie gelten als noch nicht straffähig. Dennoch werden straffällige Kinder unter 14 Jahren der Jugendstaatsanwaltschaft gemeldet. In besonders schweren Fällen schreitet diese sofort ein. Auch die Eltern können zivilrechtlich belangt werden. <BR /><BR /><b>Ab 14 Jahren</b> gelten Jugendliche vor dem Gesetz als straffähig. Sie werden bei der Jugendstaatsanwaltschaft angezeigt. Scheitern Mediation und Sozialisierungsmaßnahmen, droht Jugendgefängnis. Auch den Eltern drohen zivilrechtliche Konsequenzen.<BR /><BR /><b>Ab 18 Jahren</b> ist man vor dem Gesetz voll straffähig und muss für eventuelle Straftaten voll selbst geradestehen. Wie bei Kindern und minderjährigen Straftätern wird mit der Cartabia-Reform auch für Volljährige möglichst ein Täter-Opfer-Ausgleich bzw. Strafvermeidung versucht.