Ernst Winkler, Landesleiter des Bergrettungsdienstes (BRD), geht im Interview auf diese und weitere Fragen ein. Auch in Südtirol müsse man sich einige Touren genauer anschauen, meint Winkler. <BR /><BR /><b>Muss man nach der Tragödie an der Marmolata die Gletschertouren in den Alpen und vor allem auch in Südtirol grundsätzlich überdenken?</b><BR />Ernst Winkler: Aufpassen musste man immer schon. Was üblicherweise an Steinschlägen und Eisbrüchen im August heruntergekommen ist, haben wir heuer bereits um einiges früher – also im Juli. Hierbei muss man sich sicherlich auch bei uns einige Touren genauer anschauen. Man kennt aber die Touren mit gefährlichen Rinnen, die man schnell überschreiten muss. <BR /><BR /><b>Beispielsweise am Ortler?</b><BR />Winkler: Ja genau. Es ist bekannt, dass man sich am Ortler an der Rinne kurz vor dem Bärenloch nicht zu lange aufhalten und diese einzeln überqueren soll. Die Ortler-Nordwand sollte gemieden werden, weil es dort schon öfters Havarien gab und der Stein- oder Eisschlag nicht kalkulierbar ist. Anders gelagert ist die Sache bei der Königsspitze, wo fast kein Schnee mehr liegt und eine erhöhte Steinschlaggefahr gegeben ist.<BR /><BR /><embed id="dtext86-55054099_quote" /><BR /><b><BR /><BR />Welche Lehren gilt es nun aber aus der Marmolata-Katastrophe zu ziehen? Verbote können doch kaum sinnvoll sein, oder?</b><BR />Winkler: Dieser Ausnahmefall an der Marmolata war nicht vorherzusehen. Man konnte auch nicht sehen, dass sich im kritischen Bereich das viele Wasser angesammelt hatte. Erschwerend kommt bei der Marmolata hinzu, dass es sich um eine beliebte Route handelt, eine ziemlich einfache noch dazu. Ich glaube auch kaum, dass dabei die Tageszeit eine entscheidende Rolle gespielt hat, denn so wie es aussieht, war das „Fassl“ einfach voll und so ist alles losgebrochen. Was ich damit sagen möchte: Die Gefahren am Berg sind natürlich gegeben und werden auch immer gegeben sein, aber sie sind von Fall zu Fall zu bewerten. Von Verboten halte ich nicht viel. <BR /><BR /><b>Und wohl niemand kann diese Gefahreneinschätzung besser vornehmen als die Bergführer, die sich fast täglich in den Bergen aufhalten und dort ihre Beobachtungen machen, oder?</b><BR />Winkler: So ist es. Die Bergführer oder auch viele Hüttenwirte wissen genau, was sich dort abspielt, an welchen Stellen Material herunterkommt oder worauf man grundsätzlich achtgeben muss. Man muss wissen, wo der Fels das Eis zum Schmelzen bringt und wo hingegen eine geschlossene Eisdecke eine andere Situation darstellt. Man muss nun schauen, ob man nun womöglich die Null-Grad-Grenze im Hochgebirge besser im Auge behält, bisher war das eigentlich kein Kriterium. Klar, das Risiko bei gewissen Touren ist nicht einfach einzuschätzen, so manche werden auch gar nicht mehr geführt. Wichtig ist, frühzeitig zu einer Tour aufzubrechen, damit man nicht in der größten Hitze unterwegs ist. Den massiven Rückgang der Gletscher beobachten wir jedoch nicht erst seit heute, sondern seit vielen Jahren.<BR /><BR /><b>Ein wichtiger Punkt dürfte auch sein, dass immer mehr Leute im Hochgebirge unterwegs sind. Somit häufen sich wohl auch die Bergunfälle, oder?</b><BR />Winkler: Es ist sogar so, dass wir im Verhältnis zu den Leuten auf den Bergen weniger Einsätze als vor ein paar Jahren haben. Ja, immer mehr Leute haben die Lust am Bergsteigen entdeckt, sie sind sportlich und in der Regel gut ausgerüstet. Immer mehr von ihnen nehmen auch Bergführer, weil sie ihnen die Tourenplanung abnehmen und genau abschätzen können, was zu tun ist. <BR />