Das Reizdarmsyndrom (RDS) – in der medizinischen Fachsprache „Irritable Bowel Syndrome“ (IBS) genannt – ist eine chronische Erkrankung des Magen-Darm-Traktes, genauer gesagt der Darm-Hirn-Achse, die als „funktionell“ definiert wird. <BR /><BR />„Im Gegensatz zu organischen Störungen fehlen präzise anatomische, biochemische und strukturelle Zusammenhänge oder sind nicht bekannt“, erklärt Dr. Michele Comberlato, Facharzt für Gastroenterologie und Endoskopie des Verdauungstrakts im Gesundheitszentrum St. Josef in Meran und Bozen. <BR /><BR />Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse der vergangenen Jahre würden jedoch darauf hindeuten, dass diese Erkrankung auf genetische, mikrobielle, entzündliche und viszerale Sensibilitätsveränderungen zurückzuführen ist. Trotz des Fehlens spezifischer biologischer Marker sind für die Diagnose weltweit die „Rom-Kriterien“ anerkannt und erlauben eine Validierung und Behandlungssteuerung.<h3> Jeder Zehnte leidet unter dem gereizten Darm</h3>Die Bedeutung dieser Krankheit ergibt sich aus ihrer weiten Verbreitung und ihren negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität. Man geht davon aus, dass mindestens jeder Zehnte davon betroffen ist. Frauen erkranken häufiger als Männer, Jüngere häufiger als Ältere. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68678477_quote" /><BR /><BR />Das Reizdarmsyndrom ist keine lebensbedrohliche Erkrankung, dennoch hat es beträchtliche wirtschaftliche und soziale Auswirkungen, die sich aus einer verringerten Produktivität, erhöhten Fehlzeiten am Arbeitsplatz sowie Diagnose- und Therapiekosten ergeben. <BR /><BR />„Darüber hinaus wirkt sich das Reizdarmsyndrom in schwereren Fällen auch negativ auf die sozialen Beziehungen und die Sexualität der betroffenen Person aus und geht häufig mit psychischen Komorbiditäten wie Angstzuständen und Depressionen einher“, weiß Dr. Thomas Buratti, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie im Gesundheitszentrum St. Josef. Der nervöse Darm kann also die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Betroffenen erheblich einschränken. <BR /><BR />Beim Reizdarmsyndrom handelt es sich meist um chronische Beschwerden, Betroffene haben also meistens dauerhaft damit zu tun. Mitunter zeigt sich die Erkrankung auch schubweise: Auf längere Phasen mit keinen oder nur leichten Beschwerden folgen Zeiten mit stärkeren Symptomen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-68678801_quote" /><BR /><BR />Heilbar ist ein Reizdarmsyndrom nicht. Allerdings lassen sich die Beschwerden auf verschiedenste Weisen lindern. Außerdem finden viele Betroffene mit der Zeit heraus, was die Symptome verstärkt und was sie lindert und richten ihren Alltag danach aus.<h3> Verschiedene Formen von Reizdarm</h3>„Für eine effiziente Behandlung von Reizdarmpatienten ist es wichtig, die verschiedenen Formen des Reizdarms zu erkennen und zu unterscheiden“, betonen Dr. Comberlato und Dr. Buratti. Ausschlaggebend sind die vorherrschenden Symptome: <BR /><BR />- <b>RDS-D</b>: Reizdarmsyndrom, das vor allem durch Durchfall gekennzeichnet ist (diarrhoedominantes Reizdarmsyndrom)<BR /><BR />- <b>RDS-O</b>: Reizdarmsyndrom mit hauptsächlich Verstopfung (obstipationsdominantes Reizdarmsyndrom)<BR /><BR />- <b>RDS-S</b>: Bei dieser Form stehen Krämpfe, Bauchschmerzen, Blähungen oder Völlegefühl im Vordergrund (schmerzdominantes Reizdarmsyndrom)<BR /><BR />- <b>RDS-M</b>: Reizdarmsyndrom mit gemischtem Stuhlverhalten, bei dem sich verschiedene Symptome gleichzeitig oder in wechselnder Abfolge bemerkbar machen. <BR /><BR />Da sich die medikamentöse Behandlung an der Hauptform des Reizdarms orientiert, ist eine genaue Einordnung entscheidend. Das Behandlungskonzept und die multimodale Therapie werden anschließend individuell auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abgestimmt, erklären die beiden Fachärzte. <BR />Die gezielte, symptomorientierte Therapie des obstipationsdominanten Reizdarms, der sich durch chronische Verstopfung äußert, besteht vor allem aus Abführmitteln (Laxanzien). Auch Ballaststoffe können die Beschwerden lindern. <BR /><BR />Durchfall (Diarrhoe) lässt sich entweder durch ernährungstherapeutische Maßnahmen oder medikamentös mit Antidiarrhoika behandeln.<BR /><BR />Bei Krämpfen und Bauchschmerzen kommen hingegen krampflösende Medikamente (Spasmolytika) zum Einsatz.<h3> Die Bedeutung der Ernährung</h3>Eine wichtige Säule in der Behandlung des Reizdarmsyndroms ist auch die Ernährung. Sie gilt – neben ausreichend Bewegung – als Grundvoraussetzung für eine gesunde Verdauung. <BR /><BR />„Es gibt keine spezifische ,Reizdarmdiät‘. Die moderne Ernährungstherapie orientiert sich nämlich an den Symptomen wie Durchfall, Verstopfung, Schmerzen oder Blähungen und gibt keine einheitlichen Empfehlungen, die für alle Patientinnen und Patienten gelten sollen“, erklärt die Ernährungstherapeutin Brigitte Vinatzer. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68678806_quote" /><BR /><BR />Den Betroffenen kann durch eine individuell abgestimmte Lebensmittelauswahl geholfen werden. Dabei stehe nicht nur das „Was und Wie viel“ im Vordergrund, sondern vor allem die günstige Kombination von Nahrungsmitteln untereinander und das Essmuster, wie die Mahlzeitengröße, die Anzahl der Mahlzeiten, die Essgeschwindigkeit und die Essatmosphäre.<BR /><BR />„Die derzeit populäre low-FODMAP-Diät stellt in einigen Fällen eine mögliche Therapieoption dar“, sagt Vinatzer. „Dabei wird auf zahlreiche Nahrungsmittel verzichtet, die im Verdacht stehen, Blähungen und somit Schmerzen auszulösen.“ Allerdings sollte eine solche strikte Diät nie in Eigenregie, sondern nur in ausgewählten Fällen und mit ernährungsmedizinischer Betreuung durchgeführt werden.